Friedr. Wilh. Jos. von Schelling

[262] Auch Fürst Bariatinsky, der kunstliebende russische Gesandte, erschloß Weber gern seine glänzenden Salons, wo sich die Elite der Kunst und Gelehrsamkeit versammelte und deren Etikette Weber, als treuer Abglanz der alten, seinen Hofgalanterie, höchlich interessirte. Hier lernte Weber Kobell, Koch, Langer, Quaglio u.s.w. kennen und trat, wunderlich genug, mit besonders ehrfurchtvoller Scheu Schelling nahe. Für diesen berühmten Philosophen, der auch der einzige ist, mit dessen Werken er sich beschäftigt hat, behielt Weber jederzeit die höchste Verehrung und schildert in seinen Briefen mehrfach das eigene Gefühl das ihn beschlichen hätte, als er zum ersten Male einem »wahrhaft großen Manne« gegenüber gestanden habe.

Am Wenigsten wollte es Weber von allen Münchener Berühmtheiten[262] mit Peter Winter glücken, der, wie Peter Ritter in Mannheim, fürchtend, daß in dem jungen rührigen Künstler, dessen Ruf aufzublühen begann, ihm etwa ein genirender College an die Seite gesetzt werden könnte, ihn lauernd und abweisend, fast grob behandelte, wogegen die Capellmitglieder, die in den gastlichen Häusern, im »schwarzen Adler«, in der »Harmonie« und im »Museum« mit dem jovialen, liebenswürdigen jungen Manne verkehrten, ihn spielen und phantasiren hörten, ihn lieb gewannen und schätzen lernten. Er schreibt über die ersten Tage seines Aufenthaltes in München an Gottfried Weber:


»München, den 22. März 1811.


Gestern erhielt ich Deinen Brief vom 15ten zu meiner großen Freude, denn wirklich glaubte ich, alle meine Correspondenten habe der Schlag getroffen. Seit dem 3ten Mai habe ich Nichts von Philod:8 noch meinen Vater, noch Vogler oder sonst Jemand was gehört; es ist mir ganz unbegreiflich; daß Alles mir schon expedirt ist, freut mich von Dir.

Mit Gombart habe ich noch viel und ausführlich gesprochen. Wir müssen dem braven Mann auf die Beine helfen; er hat gar Niemand, der sich seines Verlags annimmt. Er wird wohl an Dich schreiben. Geld kann er nicht geben, aber Exempl. und andre Musik seines Verlags. Sonst war in Augsburg nichts zu thun.

Ich bekam vorgestern einen Brief von Gombart, worin er einige neusten Werke seines Verlags angezeigt wünscht in der M. Z.9 Ich lege Dir hier das Verzeichniß bei. Willst Du Etwas davon übernehmen?

Henning's Conc: p: Violon kann Philod: nehmen, der es kennt.

Schreibe mir doch nächstens ausführlicher, bei der Entfernung in der wir leider leben, kann man schon der Post etwas mehr aufladen.

Hast Du schon an Fröhlich geschrieben?

Deine Guitarre-Lieder möchte ich wohl hören.

Wenn Penzel Intendant würde, das wäre ein Fressen für uns,[263] da käme ich vielleicht nach M: Empfiehl mich da vielmals; es freut mich kehr, daß Ihr öfters da seit.

Ich kann mirs wohl denken, daß es den Weibern nicht recht ist, meine Briefe nur theilweise zu hören, aber 's geht nun emal nicht anderst.

Nun zur Relation meiner Abenteuer. In Augsburg konnte ich, trotz aller Bemühungen meiner Freunde, Nichts zu Stande bringen; alle Tage waren besetzt und ich hätte wenigstens 14 Tage warten müssen. Das ging nicht und ergo empfahl ich mich den 14ten März und ging hierher nach München. Die ungeheure Menge Briefe, die ich hierher brachte, machte mich sehr schnell bekannt und ich kann sagen, daß ich auch eine gute Portion guten Ruf schon vorfand. Mein Hauptaugenmerk mußt also dahin gehen, vor Allem bei Hofe zu spielen und wirklich versprachen mir meine Conexionen guten Erfolg, aber leider scheint sich die Sache in die Länge zu ziehen und ich verliere mit der teuflischen Menge Visiten die ich machen muß, so viel Zeit, daß ich sogar in meiner Corresp. zurück bin und mich eigend's diesen Vormittag eingesperrt habe, um mit Dir kosen zu können.

Den 19ten hatte ich denn das Glück, Ihre M. der Königin vorgestellt zu werden, die mich sehr huldvoll empfing, aber bis jetzt noch nicht bestimmte, ob und wann ich bei ihr spielen solle; denn obgleich ich die Erlaubniß zu einem Concert in der Stadt von dem König bekommen habe, so kann ich doch nicht ehr Etwas arrangiren, ja selbst in keiner Gesellschaft10 spielen, bis die Königin mich gehört hat. Das frißt aber primo Zeit und secondo viel Geld und Beides gebe ich nicht gern weg und habe es nicht übrig. Doch hoffe ich Dir in Kurzem das Resultat schreiben zu können.

Gesehen und gehört habe ich hier eine Messe von Danzi herrlich executirt, und gestern Don Juan, wo am Ende der Furienchor aus Castor und Pollux gemacht wird von Vogler. Was hätte ich gestern darum gegeben, Euch an meiner Seite zu haben.

So ein Orchester hebt Einen gen Himmel wie Meereswogen,[264] wenn das Finale los geht und die Ouvertüre und der Furienchor!!! Mordelement, was hat der Kraft, es packt mich so wenn ich daran denke, daß ich vor Ungeduld die Feder wegwerfen möchte.

Desto weniger war ich mit dem Gesange zufrieden. Die Weiber sangen falsch und konnten Nichts. Die Donna Anna verfehlte sogleich ein paar Takte im ersten Terzett und so weiter etc.

Uebrigens befinde ich mich recht wohl hier und werde selbst vom Orchester (welches den Teufel im Leib hat und nicht wenig arrogant ist) sehr fetirt. Mit dem neidischen Winter aber gings mir komisch; wie ich ihn besuchte, hielt er mich für einen Dillettanten und war erstaunt artig und freundlich. Das dauerte so ein paar Tage, bis er hörte, wie die Sachen eigentlich stehen und nun sah er mich nicht mehr an und war so grob, daß die dabei stehenden Musiker ihn laut ein Vieh nannten, um das ich mich nicht kümmern dürfe. Wie sehr setzt sich doch ein Mann so herunter, der es doch nicht nöthig hat, da er auf seinen alten Lorbeeren ruhen kann.

Gefunden habe ich hier noch Nichts. Auf dem Korn habe ich Max Heigel, den Verfasser der 3 Stücke: So waren sie, so sind sie gewesen, so sind sie. Du wirst ihn wohl kennen. Dann noch Einen, dessen Namen mir jetzt nicht gleich einfällt.

Es wäre uns wirklich wichtig Jemand zuverlässigen auf einem so bedeutenden Kunstplatze zu haben. Lamotte steht sehr in Ansehen und vielleicht werden meine beiden Opern gegeben. Schreib' aber gleich wieder hierher den leider glaube ich noch vor 14 Tagen schwer wegzukommen. Grüß mir alle Bekannten bestens und denke fleißig an den Entfernten etc.«


W.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 262-265.
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