Verhandlungen wegen Anstellung in Wiesbaden

[278] Die Reiseplane hätte beinahe eine ganz unerwartete Fixirung in einer Stellung gekreuzt, die, beim ersten Anblicke, ein ganz stattliches Ansehen hatte. Der Kammerherr von Ungarn-Sternberg hatte sich in einem nicht sehr klaren Schreiben an Gottfried Weber mit der Bitte gewandt, ihm einen geeigneten, tüchtigen Mann für eine gut zu dotirende Capellmeisterstelle in Wiesbaden, wo aber zu jener Zeit kein Theater bestand, zu empfehlen. Gottfried Weber hatte, hoch erfreut, eine Hoffnung zur Fesselung des Freundes in der Nähe zu erhalten, sofort deshalb an Carl Maria geschrieben und diesem die Sache vielleicht im Eifer seines Herzens etwas zu goldig dargestellt. Carl Maria schreibt ihm am 8. Juli:


»– – Bruder! Du hast recht!

Deinen Brief vom 2. huj. den ich gestern Abend erhielt, hat mich sehr in Verwunderung und Unschlüssigkeit versetzt. Auf der einen Seite meine Liebe zur weitern Ausbildung und die Welt zu sehen und andern Theils ein schöner Gehalt, der mich in den Stand setzt nebst dem was ich durch Comp. verdiene, sowohl meinem alten Vater angenehme Tage zu machen, als auch noch mein altes Schuldenwesen, als Ehrlicher Kerl bald zu tilgen – dies sind Gründe die mich wohl zur Annahme des Dienstes bewegen können. Doch muß ich genauer wissen wie es steht Das ganze kommt mir also wie ein Traum vor. Nun schaffe mir also so schnell als möglich Antwort über folgende Fragen, und einen offizielen Antrag, denn auf das, daß du schreibst, ich könnte auf Ahls Wort ohne weiteres einrükken um 1600 Fl. – kann ich doch keine Reise dahin unternehmen, das siehst Du doch ein.[278] Also nun zu den Fragen. Wird in Wiesbaden ein Theater errichtet? daß man mich zu brauchen gedenkt? und was werde ich überhaupt zu thun haben? Je mehr Wirkungskreis desto besser. Wer nimmt mich in Dienst? der Badische Hof? kann oder muß ich gleich kommen? Auf jeden Fall muß man mir einen jährlichen Urlaub von ein paar Monaten bewilligen. So wie ich auch wünschte Großherzogl. Kapellmstr. wenigstens genannt zu werden. Auf jeden Fall thust Du mir einen großen Gefallen, wenn Du sogleich an den Kammerherrn von Sternberg schreibst (so ist denn der Stockhorn nicht mehr Intendant?) und ihm sagst ich sei nicht gerade abgeneigt in die Dienste des Hofs zu treten, er möchte nur die Güte haben und mir ausführlicher das Dienstverhältniß auseinandersezzen. – mir antworte auch sogleich und schicke mir die genaue adresse des Intendanten. Ich möchte diesem Brief Flügel geben, damit ich bald genau wüste, woran ich wäre, denn aus Deinen Briefen ist durchaus nicht ganz klug zu werden. Ahl danke in meinem Namen herzlichst für seine Freundschaft. – Also hat sich der alte Musikteufel so heftig bei Dir gerührt, daß Du im Stande wärest die Idee zu faßen, Deine ganze jetzige Existenz aufzugeben? ich kann mir dies sehr wohl denken bei Anläßen wie von Samori etc. Was gäbe ich darum, wenn ich hätte bei euch sein können und diesen hohen Genuß theilen. ich hoffe Du wirst mir ausführlich über die Aufführung schreiben, damit ich etwas für die hiesigen Blätter arang. kann. Meinen Brief vom 3. nebst Bundes Circular wirst Du nun erhalten haben. Der Gedanke in Euerer Nähe zu wohnen ist auch kein kleines Gewicht auf der Schaale des Zusagens. etc.«


Er fährt in einem zweiten Briefe über denselben Gegenstand fort:


»München den 19. Juli 1811.


Deinen Brief vom 9. huj. erhielt ich den 14. und den vom 11. den 18. weil ich vier Tage auf dem Land war, ich eile zur Beantwortung beider. Was hätte ich darum gegeben, wenn ich mit Euch hätte in Darmstadt sein können und besonders mit Dir über die Musik raisonniren. Denn ich hätte Sie, nach meinen, seit der Zeit als ich sie[279] gehört habe gesammelten Erfahrungen, gar zu gern wieder gehört. Es freut mich besonders daß es gut ging, denn ich hatte wirklich einige Furcht vor den Musikanten, die alle den alten Papa nicht recht leiden können – – Deinen Namen zu unterschreiben finde ich sehr in der Ordnung, da ich weis daß Du immer in einem Tone und mit einer Ruhe schreiben wirst die das was man sagt mit dem Stempel der Wahrheit bezeichnet. ich werde es eben so machen und habe es ja auch schon meist gethan. Die Recension des Lexic. steht glaube ich im Mai der M. Z. Der Vorschlag die Û12 mit Buchstaben zu bezeichnen ist gut. Ihr mit Buchst. ich mit Ziff.

Der Hassan ist in Stuttgart gegeben, und hat wie mir Berger schreibt, nicht gefallen; meinetwegen, es freut mich zwar nicht, aber es schlägt mich auch nicht nieder. Wie kann aber auch nach einer Farçe wie Don Ranudo, das seine, muntere Suget des Abu H. gefallen? –

Jetzt zu dem 2. Brief. Es ist wirklich unbegreiflich, daß Du ein noch größrer Ochs sein sollst als ich. ich glaubte ja daß der Brief von dessen Beilage Du sprichst, von Sternberg an Ahl gewesen sei, denn so etwas blos mündlich zu verhandeln, kommt mir sehr sonderbar vor. Doch geht heute noch ein Brief dahin ab mit allen Fragen und Umständen belastet. Wie gewöhnlich glaube ich nichts, hoffe ich nichts, fürchte ich nichts, das Resultat erfährst Du, versteht sich, sogleich. Vor der Hand gebe ich aber den Plan zu meiner schweizer Reise nicht auf, und hoffe noch immer den 4. oder 5. August hie abzureisen, und besonders dem großen Musickfeste in Schaffhausen beizuwohnen, wenn von meinen Bekannten in Mannheim jemand connexion nach der Schweiz hat, so lasse Dir doch einige Empfehlungsbriefe für mich geben und schikke mir sie. Aber bald, Du weist man kann solches Zeug nie zu viel haben.

Daß in Wiesbaden es eine neue Schöpfung giebt ist mir lieb, denn erstlich bin ich das Organisiren schon gewohnt und zweitens ist es etwas angenehmes, der Schöpfer von etwas ordentlichen zu werden; auch hoffe ich, daß es nicht schwer halten wird, da der Sommer in[280] Wiesbaden die Hauptsache ist, im Winter Urlaub zu bekommen. Nun, wir werden ja sehen.

Ich habe noch rasend viel zu thun und besonders nimmt mir der Kreislauf von Visiten den ich aufs neue beginnen muß, ungeheure Zeit weg. Zudem weißt Du daß man ohnedies manche Arbeiten bis auf den letzten Augenblick liegen läßt. etc.«

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 278-281.
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