Alex. v. Dusch

[181] Als ob von Danzi, der so viel Einfluß auf seine künstlerische Entwickelung gehabt hatte, die Fäden, an denen sich sein ganzes künftiges Leben leitete, ausgehen sollten, brachte er von diesem Briefe an Gottfried Weber, den Capellmeister Ritter, die liebenswürdige Familie Hout, der in der Nähe von Heidelberg das wundervoll gelegene Stift Neuburg gehörte, und Madame Frank, die Mutter der dann berühmt gewordenen Sängerin Louise Frank (die sich später, als sie Mätresse des Großherzogs von Darmstadt geworden war, gewisser Verhältnisse halber, auch »Madame Frank« nannte) und an Alexander von Dusch in Heidelberg mit.

Ueberall mit Freundlichkeit aufgenommen, fühlte er sich doch von keiner der ihm entgegentretenden Persönlichkeiten so rasch, so ganz umschließend angezogen, als von Gottfried Weber, eine Sympathie, die dieser mit ganzer Kraft seiner energischen Individualität begegnete, so daß sich hier eine werkthätige Freundschaft für das Leben in eben so viel Tagen bildete, als sonst zum Wachsen dieser Wunderpflanze Jahre gehören. Es mochte das Zusammenklingen der im Alter um fast 8 Jahre getrennten Männer begünstigen, daß Carl Maria's sehr heitrer, fast übermüthiger Sinn durch die Ereignisse der letzten Zeit[181] herabgestimmt und sein ganzes Erscheinen das eines gereiftern Mannes geworden war. Bald sollte ihm, zu seinem und der Kunst Heil, die Muse und die Liebe guter Menschen von einer, ihm wesentlich fremden, krankhaften Seelenrichtung heilen, mit der ihn demoralisirte Verwaltung, Feigheit, Gemeinheit und eigner Leichtsinn behaftet hatten.

Nachdem für Franz Anton von Weber, dessen Gebrechlichkeit immer mehr zunahm, und dessen geistige Herabstimmungen in immer kürzern Pausen auftraten, eine kleine Wohnung bei Gottfried Weber's Vater, in der Nähe von des erstern Behausung gefunden war, der mit der liebenswürdigsten Bereitwilligkeit die Pflege des alten Herrn für die Zeiten von Carl Maria's Abwesenheit übernahm, wanderte dieser hinüber nach dem lieblichen Heidelberg, um den greisen Voß, der von Eutin dahin vor 8 Jahren übergesiedelt und vom Großherzoge Carl Ludwig mit Ehren empfangen und zum badischen Hofrathe gemacht worden war, wiederzusehen und durch des Capellmeister Hofmann (an den ihn Danzi empfohlen hatte) Hilfe, einen Versuch zu einem Concert zu machen. Hiermit wollte er seine völlige Heimkehr in sein Vaterland, die Kunst, feiern, der er so lange Zeit halb und halb treulos geworden war, und daher gemuthete es ihn fast feierlich, als er die hierzu nöthigen Schritte that.

Die ersten derselben lenkte er, kaum in Heidelberg angekommen, zu einem edeln, daselbst im letzten Semester Jura studirenden, jungen Manne, den Schwager Gottfried Weber's, Alexander von Dusch, der als Melomane und guter Cellospieler bekannt, als Mensch allgemein beliebt war und dem Gottfried Weber seinen neuen Freund dringend an's Herz gelegt hatte. Doch dessen bedurfte es fast nicht! Die jungen Männer hatten sich kaum gesehen, Dusch hatte Weber nur eine halbe Stunde gesprochen, eine Viertelstunde spielen hören, als sie sich auch schon in Liebe angehörten, die Beiden für das ganze Leben ein Schatz sein sollte.

War es doch, als wollte ein gütiges Geschick den gebeugten jungen Künstler, unmittelbar nach der peinvollsten Periode seines Lebens, nach den bittersten Erfahrungen am Menschenherzen, durch das Finden der schönsten und echtesten Perlen der Freundschaft, der[182] funkelndsten Edelsteine reiner Freuden und goldner Tage des Lebensgenusses für das erduldete Ungemach entschädigen, sein gesunknes Vertrauen zum Menschengeschlecht so eilig wie möglich wieder aufrichten. – In der That fand Weber in den Jahren 1810 und 1811 in Baden und Darmstadt die Freunde, deren Streben sich mit dem seinen zu einem unzerbrechbaren Pfeilbündel vereinte, und deren Liebe ihn, ein goldner Ariadnefaden, durch die Wirrsal seiner Wanderjahre leitete und endlich in spätern Tagen den hellen Hintergrund bildete, auf dem die Erscheinungen des Ruhmes, der Huldigung und der erreichten Ziele nur wie die schattigen Conturen einer auf heißer Tageswanderung durchschrittenen, fremden Gegend, gegen den Abendhimmel der Heimath hervortraten.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 181-183.
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