Briefe an Gottfried Weber

[429] »Prag 29. Januar 1814.


Schimpfe, fluche, lärme, tobe, heiße mich einen Hund u.s.w. und Du hast in Allem Recht, nur in dem nicht, wenn Du glaubst, daß meine Liebe zu Dir und den Deinigen nur einen Augenblick nachgelassen hätte, oder ich nicht ganz mehr der Alte von inneraus wäre. Von Außen würdest Du mich sehr verändert finden. Meine Geschäfte und mein durchaus freudeloses Leben haben mich sehr grämlich gemacht, finster und leutescheu. Ja wenn mich der Himmel nicht bald einmal mit Gewalt hinauspufft unter Menschen, so werde ich der schändlichste Philister, den die Erde trägt. Auseinandersetzen läßt sich das[429] in allen Details nicht, aber genug ists Dir zu sagen daß ich nicht eine Seele habe, die mich recht versteht, Niemand mit dem ich über die Kunst sprechen könnte. – – etc.«


Er fährt dann später fort:


»Prag den 5. Mai 1814.


– – Mit Wehmuth denke ich daran und es leuchtet auch aus Deinem und Deiner lieben Frau Briefe hervor daß mein langes Stillschweigen Euch irre an mir machen könnte, aber es gehört dieses zu den unbegreiflichen Dingen, die sich nicht erklären lassen, die durch 1000 kleine zusammen gehäufte Umstände erzeugt werden und auf den Augenblick wirken, ohne daß man später auch nur im Stande wäre zu sagen, wie das kam und woran es lag. Der einzig wahre und reine Grund ist eine unendliche Verstimmung, die durch mein ganzes Wesen geht und mich so verändert hat, daß Du schwerlich wenn Du mich hier sähest, Dein altes fideles Haus wieder erkennen würdest. Dieses Mißbehagen nur auszusprechen, wird mir unendlich schwer, weil die Gründe davon zu viele sind und zu sehr ins Detail gehen. Daß meine Gesundheit seit meiner Krankheit im Mai 1813 noch eine sehr wankende ist und ich erst kürzlich wieder einige Wochen das Zimmer hüten mußte wirkt natürlich hauptsächlich auf mein Gemüth. Zweitens stehe ich hier ganz allein ich habe keinen Freund dem ich so von ganzer Seele mich hingeben könnte. Nicht einmal über die Kunst kann ich jemand sprechen und bin daher ganz isolirt und auf mich selbst beschränkt. 3tens habe ich auf das Publikum, als Künstler, ganz verzichtet und stehe nur noch als Arbeiter im Dienste da. Es fehlt also aller Anstoß von Aussen zur Arbeit, ich fühle nicht den mindesten Drang in mir, etwas zu schreiben, weil ich den Willen habe es nicht aufzuführen. Anfänglich, und bis jetzt, gab ich keine von meinen Opern weil ich mich nicht mit andern Componisten in eine Reihe wollte stellen lassen, die in dem Augenblick wo sie am Ruder sitzen, nichts hören wollen als sich. Seitdem habe ich einsehen lernen, daß eine Aufführung davon mich nur ärgern und in nichts erfreuen könnte. etc. – –«[430]


»Man kann behaupten, daß hier in Prag jede Familie abgetheilt für sich lebt, und nur im Kreise ihrer nächsten Berührung vegetirt. Eine Masse von Fremden, die das alles binden und löthen könnten, wie zum Beispiel in Wien etc. fehlt hier auch gänzlich, denn die Lage Prags macht es weder zum Passage Punkt, noch hat die Stadt selbst Reiz genug, Fremde zu locken. Die hiesigen Großen verzehren ihr Geld in Wien, bringen dann ihre, vom dortigen Wohlleben erschlafften Gesichter auf ein paar Monate hierher, glauben sich in einem Staatsgefängniß, machen dazu passende Mienen, geben ein paar mal zu essen und flattern bei erster Gelegenheit wieder ab. Die wenigen Componisten und Gelehrten, die hier leben, seufzen meistens unter einem Joch, welches ihnen knechtischer Sinn gegeben, und den Muth genommen hat, der so schön den wahren freien Künstler bezeichnet. Jeder davon dankt seine Existenz irgend einem adeligen Hause, wo er gefüttert wird, ein paar hundert Gulden Besoldung zieht: dafür die edle Jugend abrichtet und sich sonst noch auf dem Land zu allerhand Dingen brauchen läßt. Dafür führt er den Titel, Compositeur bei dem Herrn Grafen N. N. So Tomascheck, Wittaschek etc. Ihre Meinungen gehen unterthänigst gleichen Schritt mit denen ihrer hohen Herrschaften und die protegirt nun wiederum, mit all ihrem Anhang, ihren Compositeur gegen die andern. Jeder fremde Künstler kann auch nur durch die Protektion eines großen Hauses etwas machen. Einer deren, an die er empfohlen ist übernimmt seine Concert Subscription und schickt sie in ihrem Namen von Haus zu Haus, ohne diese kann Niemand Concerte geben. Die Sänger und Musiker des Theaters kommen nirgends hin, man sieht höchst selten einen in Gesellschaft. Esprit de Corps haben sie auch keinen und jeder sucht so auf seine eigne Faust sich durchzuschleppen wie er kann. Im Hause des Direktors Liebich versammeln sich Einige zuweilen, doch ist dieß auch nur Gunstbezeugung und bringt keinen Gemein Geist hervor. Das Resultat aus allen diesen zu ziehen, überlasse ich Dir selbst. – Mir persönlich bezeugt man zwar alle Achtung, ich habe Zutritt überall und lasse Grafen und Fürsten mich 3mal bitten, ehe ich einmal bei Ihnen esse, aber was nützt das, und was soll mich das ergözzen? So lange ich hier bin habe ich erst 2mal in einem[431] Privat Circel gespielt, daraus kannst Du sehen, wie Musick liebend die Leute sind. Doch genug und übergenug hiervon. etc. – –«


In gleicher Weise und Stimmung schreibt er an Lichtenstein:

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 429-432.
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