Direktor Carl Liebich

[399] Halb mit Gewalt führte ihn Gänsbacher zu den Protektoren der ständischen Theater-Verwaltung, zum Fürsten Isidor Lobkowitz, dem Oberst-Burggrafen Kolowrat Liebsteinsky, dem Grafen Clam Gallas, dem reichen Banquier Kleinwächter. Alle diese, durch warme Liebe zur Kunst, Geist, Stellung und Reichthum hervorragenden Persönlichkeiten empfingen Weber auf das Gewinnendste und Auszeichnendste, von allen Seiten hörte er, daß man es als ein Glück betrachten werde, ihn für Prag gewonnen zu sehen. Der Rausch des Gefeiertwerdens begann seinen Zauber zu üben, da brachte ihn Gänsbacher auch zu Liebich, dem Direktor des Theaters, – »Papa Liebich konnte aber Niemand etwas abschlagen!« – Es war dieß in der That eine im[399] hohen Grade bedeutsame und eben so originelle als liebenswürdige Persönlichkeit, einer der letzten, aber auch der besten Chefs im Sinne der alten Prinzipal-Theater.

Ein verständiger, maßvoller Schauspieler, gehörte er entschieden der Iffland'schen Schule an, ohne deren Manier zu cultiviren. Ausgezeichnet im bürgerlichen Lustspiele, unübertrefflich im Fache gutmüthiger, drolliger und wackerer Alten, veredelte sich, durch schlichtes, poetisches Spiel, auch die platteste Rolle in seinen Händen. Seine geistreichen, den Nagel auf den Kopf und den Sinn des Publikums immer treffenden Impromptus, charakterisirten ihn als einen der besten Epigonen der Stegreifschauspieler und waren Muster seinen, gutmüthigen und graziösen Witzes. Er kannte sein Publikum, wie wenig Künstler, und fand mit Allem, was er that, den Weg zum Herzen desselben. Dagegen mißriethen ihm die Gestalten der höhern Tragödie.

Unter Guardasoni's Direktion war er als Schauspieler nach Prag gekommen, hatte im Jahre 1800, als Graf Nostitz-Rhineck das Theater an die Böhmischen Stände verkaufte und ein Ständisches National-Theater errichtet wurde, neben Bassi, der Opern-Regisseur war, die Regie des Schauspiels, 1806 aber, nach Guardasoni's Tode, die Direktion der ganzen Unternehmung übernommen. Schon mit seinem Regieantritte war ein neuer Geist in die Bühne gekommen, und nur der unglückliche Mißgriff, der Wentzel Müller zum Capellmeister machte, hatte die Oper verhindert, mit dem Schauspiele gleichen Schritt zu halten.

Als Direktor besaß er ein unbeschreiblich anmuthiges Talent, der gesammten Verwaltung, unbeschadet der Disciplin, einen durchaus patriarchalischen Ton zu geben. Der großen, behaglich corpulenten Gestalt des alten Herrn mit breitem, voll Bonhommie lächelndem Gesicht, stand ein väterliches Gebahren mit den Mitgliedern seiner Bühne durchaus wohl an, er wurde »Papa« genannt und nannte Alle, die er lieb hatte »Du«, die Theatergeschäfte wurden unter Liebich's Leitung zu gemeinsamen Familien-Angelegenheiten. Achtungswerth als Mensch, wortgetreu, voll redlicher Gutmüthigkeit, übte er einen unbeschreiblichen Zauber auf alle Stände aus. An seiner, mit fast fürstlicher Opulenz[400] ausgestatteten, stets offenen Tafel reihten sich in völliger Ungezwungenheit die Mitglieder der Aristokratie und ausgezeichnete einheimische und fremde Persönlichkeiten. Seine Abendgesellschaften versammelten die Elite aller Zweige der Gesellschaft, waren weitaus die gesuchtesten Zirkel Prags, und, kraft der Berührungen, die sie vermittelten, hob er seine Bühnengesellschaft und bahnte ihren Mitgliedern den Weg zu den höchsten Kreisen.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 399-401.
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