Weber's Beziehungen zu Caroline Brandt mehren sich

[438] Mit jedem Tage entwickelten sich inzwischen Caroline Brandt's Talente mehr an ihren, immer höher gestellten Aufgaben. Zerline im[438] »Don Juan« wurde ihr mit großem Glücke anvertraut, und je bedeutsamer ihre künstlerische Stellung wurde, je rascher sie sich in der Gunst des Publikums feststellte, um so überraschender wurde ihre stets gleichbleibende Bescheidenheit, ihre wachsende Liebenswürdigkeit gegen ihre Colleginnen, ihr Respekt vorm Kunstwerke und die Bereitwilligkeit bemerkt, mit der sie sich, um der Sache willen, unterordnete. Dabei wußte alle Welt, wie zurückgezogen, einfach und häuslich sie mit ihrer Mutter lebe, keine Besuche empfange und wie harmlos die liebliche Koketterie des reizenden Mädchens mit dem Publikum sei. Kein Wort der übeln Nachrede wagte sich an sie und nur hie und da hörte man von Demüthigungen vornehmer und reicher Herren, die es versucht hatten, ihr Glück bei dem neuen Bühnensterne zu machen.

Der schroffe Contrast dieses Wesens mit Therese Brunetti konnte Weber nicht entgehen, und je leerer das Verkühlen seiner Leidenschaft für diese Frau sein so liebebedürftiges Herz ließ, um so begieriger sog es den Zaubertrank dieses neuen Reizes ein, der dießmal wirklich aus der Quelle seines Heils geschöpft sein sollte.

Ein Unfall, der Caroline auf der Bühne traf, die, während sie mit Weber sprach, mit ihrem sehr kleinen Fuße in einer der Falzen spielte, in denen sich die Coulissen bewegten und von einer solchen, bei der mit Maschinenkraft sehr rasch bewirkten Verwandlung erfaßt, niedergeworfen und verletzt wurde, gab Weber Gelegenheit, Zutritt zu ihrer Häuslichkeit zu finden.

Da nun diese seltene Frau, bis in ihre späten Lebensjahre, die Zauberkraft besaß, eine Atmosphäre unbeschreiblicher Wohnlichkeit und Behaglichkeit in jedem Raume zu verbreiten, den sie bewohnte, so fand sich Weber, den die lebendigste Sehnsucht nach trauter Häuslichkeit beseelte, im Innersten berührt und mit einem Schlage gefangen und eine der echtesten Neigungen, die jemals einen Mann zu einem Weibe gezogen haben, sprang, wie die Pallas aus dem Haupt des Zeus, fertig vom Haupt zur Sohle, aus seinem Herzen.

Es ist mehrfach erwähnt worden, daß Weber, ob gleich durchaus ohne bestechendes Aeußere, doch eine ungemeine Anziehungskraft für geistvolle Frauen besaß, und so ergriffen sich denn die beiden für einander[439] bestimmten Seelen, um nimmer wieder von einander zu lassen. Beide waren frei und unabhängig, beide in gesicherten Stellungen im Leben, warum sollten sie nicht einen, sie beide beglückenden, streng sittlichen Verkehr, unter den Augen von Carolinens Mutter, pflegen, der an Lebhaftigkeit und Manichfaltigkeit gewann, als im Juni Carolinens Bruder Louis zum Gastspiel mit dem Vater nach Prag kam, die sämmtlich es nicht ungern sahen, daß der junge Operndirektor und berühmt werdende Musiker sich von Caroline angezogen fand.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 438-440.
Lizenz:
Kategorien: