Weber bittet Caroline Brandt um ihre Hand

[471] Es war daher kein Wunder, daß die Neigung für Caroline Brandt in der unbeschäftigten Seele tiefer und tiefer Wurzel schlug und die Sehnsucht nach einer, von ihrer kleinen Hand geleiteten, trauten Häuslichkeit stärker und stärker in ihm wurde. Mit vielleicht zu wenig Rücksicht auf die öffentliche Meinung, beschäftigte er sich mit ihren Angelegenheiten, übernahm die Führung ihrer Ersparniß- und Haushalt- Rechnungen mit der ihm eigenen, skrupulösen Genauigkeit, und alle Geschäfte und Besorgungen des jungen Mädchens und ihrer Mutter gingen durch seine Hände. Wie glücklich war er, als er der Mutter Brandt für unbekannte Dienste, die ihr Gatte dem Herzoge von Gotha geleistet hatte, von seinem Freunde Emil Leopold August ein Geschenk von 100 Thlr. erwirken konnte! Um die Einnahme von Carolinen's Benefiz (Aschenbrödel, 11. Jan.) zu erhöhen, ließ er aussprengen, daß Capellmeister Weber die Billets an der Kasse verkaufen werde und verhandelte auch unverdrossen den ganzen Tag am offenen Schalter lachend die Entrées zu möglichst hohen Preisen an die neugierig herbeiströmenden Mitglieder der Aristokratie und die theatersinnige Bewohnerschaft[471] Prags. – – Als aber nun plötzlich die Lästerzungen ein lautes Geschrei über dies Verhältniß erhoben, Carolinen's Ruhe wesentlich darunter litt und sie sich, als es ihr zu Ohren kam, unbeschreiblich unglücklich fühlte, kam sein schon lange erwogener Entschluß rasch zur Reise und am 15. Januar bat er sie um ihre Hand.

Wenn man jetzt den Blick auf diese Verhältnisse richtet, den weltberühmten Componisten des »Freischützen« sich um die Hand einer kleinen Sängerin bewerbend denkt, deren Thätigkeit im Publikum ganz vergessen ist und die nur im Herzen der Ihren und durch den Namen von Weber's Gattin noch lebt, so scheint es unbegreiflich, daß Caroline zaudern konnte, die ihr gereichte Hand dieses Mannes, den sie noch dazu liebte, freudig zu ergreifen.

Damals aber lagen die Verhältnisse anders. Weber war ein junger, hoffnungsvoller Componist, aber eine erst angehende Berühmtheit, stand im Rufe hitzig, unruhig und rastlos zu sein, war noch verschuldet und bot daher für ein häusliches Glück und genügendes Auskommen weiter keine Garantie, als die, welche seine Rechtschaffenheit, Edelherzigkeit, und sein Talent gewährte, dessen Tragweite das junge Mädchen natürlich nicht ermessen konnte.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 471-472.
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