Brief an Gottfried Weber. 2. Febr. 1816

[501] »Prag den 2. Febr. 1816.


– – Eine neue Idee auf das Publikum zu wirken trug ich schon lange mit mir herum, die herannahende Aufführung von Alimelek brachte sie zur Reise, ich schrieb die dramatisch musikalischen Notizen für die hiesige Zeitung, die Dir Gänsbacher zuschikken wird, da ich nur wenig Ex. bekommen konnte. Dieß Unternehmen hat viele Krittler und eselhafte Meynungen erzeugt, aber doch seine Nuzbarkeit bewährt und ich sezze es seitdem bei jeder neuen Oper fort. Freilich eine Arbeit mehr, aber für das Gute zu wirken ist ja mein Zweck. Den 22. 8b. also wurde zum 1. mal Alimelek gegeben, und – das weitere vide Musik Z. meinen Aufsatz. – –«


Weber versäumte Nichts, wodurch die Aufführung eine tadellose werden konnte, wandte seinen ganzen Fleiß, sein ganzes Direktionstalent auf die Vorführung des Werks, legte die Hauptrollen in die Hände von Ehlers und Frau Grünbaum, in denen er sie wohl gewahrt wußte, ließ die ungewöhnliche Anzahl von 18 Proben davon machen, und in der That befriedigte ihn selbst, trotz seiner strengen Ansprüche, die Darstellung am 22. Oct. vollständig, so daß er in seinen Tagesnotizen ausrufen kann: »Wenn doch alle Werke in so treue Hände kämen, die sie mit solcher Liebe pflegten!«

Er spricht seine Ansicht über Art und Darstellung noch in einem zweiten Aufsatze (ebenfalls im III. Bande gegeben) aus, den er der Oper folgen ließ, derVol. XVII. pag. 785 der Leipz. Musik-Zeitung abgedruckt ist, und in dem er Fabel und Musik der Oper nochmals eingehender Beleuchtung unterwirft, auch der Aufführung ihr Recht zu Theil werden läßt.[501]

Trotz alledem gefiel die Oper nicht; die musikalisch-technischen Feinheiten wurden nicht verstanden und die Musik im Ganzen konnte nicht erwärmen. Er hatte Mühe und Streben umsonst aufgewandt, sich in der Wirksamkeit künstlerischer Mittel getäuscht und »hatte was dabei gelernt, ärgerte sich aber schwer«. –

Bei späteren, gegen die Opposition Liebich's durchgesetzten Vorführungen der Oper, errang sie sich mehr und mehr die Gunst des Publikums, und nun erst schrieb der redliche Freund über die Darstellung seines Werkes erfreut, an Meyerbeer!

Mit Uebersendung des letzterwähnten Artikels für die Leipziger Musik-Zeitung an Rochlitz schreibt er an diesen:


»Prag den 7. November 1815.


– – Aus den Beilagen ersehen Sie, daß ich nicht müßig bin für die Kunst zu wirken, und alle Mittel hervorsuche auf das Publikum zu wirken. Ich will wenigstens mit der Beruhigung von meinem jetzigen Kampfplatze abtreten, nichts unversucht gelassen zu haben, was in meinen Kräften stand. Mein Entschluß binnen Jahr und Tag Prag zu verlassen, steht noch immer unwandelbar fest, und ich beschäftige mich mit Vorarbeiten zu meiner großen Reise. Mein Gemüth ist ruhiger geworden, ich kann arbeiten, und benutze so viel als möglich die wenigen, abgerissenen Stunden, die mir meine Dienstgeschäfte übrig lassen, für mich. Mein Abgang von hier ist übrigens noch ein Geheimniß. Ich möchte Ihnen so gern viel von mir schreiben, und sehe daß ich in diesen paar Worten schon alles erschöpft habe, was sich jetzt von mir sagen läßt. Es schlendert so ein Tag nach dem Andern hin, und das Traurigste ist, daß ich nie eine ordentliche Zeit hintereinander bei meiner Arbeit sitzen kann, sondern nur abgerissene Zeitbrocken gierig haschen muß. Kaum bin ich warm geworden, so muß ich auch schon wieder fort. Bei einer großen Arbeit, wie meine Cantate, ist das höchst verdrießlich.«

»Das einzig Schöne und Lohnende das mein jetziges Geschäft hat, ist, wenn man das verkannte Gute zu Ehren bringen und zeigen kann, daß etwas Gutes auch nur gut gegeben werden müsse, und gewürdigt[502] zu werden. Der glückliche Erfolg der Oper Meyerbeers hat mir unendliche Freude gemacht, und ich ersuche Sie, diesem kleinen Aufsatze so bald als möglich ein Plätzchen in der Musik-Z. zu gönnen. Seit ich von München weg bin, habe ich keine zu sehen bekommen, und wenn unser Papiergeld nicht ein derber Schlagbaum für alle baares Geld kostenden Zeitungen wäre, ich hätte mir sie längst gehalten, und posttäglich schicken lassen. etc. – –

Weber.«


Die, schon im oben mitgetheilten Briefe an Rochlitz vom 20. November ausgesprochene Sorge, daß die Cantate »Kampf und Sieg« an der er seit seiner Rückkunft von München, durch seinen Seelenzustand stand abgehalten, wenig und mit Anstrengung, aber mit besonderer Vorliebe die große Schlußfuge gearbeitet hatte, zu der er, wie aus dem Briefe an Gottfr. Weber vom 16. Sept. hervorgeht, sogar noch besondere Vorstudien machte, drängte ihn mehr und mehr zur Vollendung dieses Werkes, das ihm so am Herzen lag, daß er, vielleicht etwas mehr als er sonst gewohnt und als gut war, auf die Mahnung des Genius zur Arbeit lauschte.

Sein, für den 23. December festgesetztes Benefiz-Concert, bezeichnete sich von selbst als passender Schlußtermin für diese Arbeit und als Gelegenheit, sie vor dem Verrauchen der Siegesbegeisterung vorführen zu können. Mit eiserner Beharrlichkeit und der ihm eigenen Arbeits- und Leistungskraft begann er nun, da sich ihm ein Motiv gab, dem Hippogryphen die Sporen fühlen zu lassen, die Niederschrift der, meistens wahrscheinlich im Geiste schon völlig fertig gemachten Nummern des Werkes, das nun sehr rasch fortschritt.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 501-503.
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