Caroline Brandt versucht ihre Beziehung zu Weber zu lösen

[493] Es ist ein glückliches Ungefähr, daß Weber während der letzten Zeit seines Aufenthalts in München nicht dazu gelangte, mehr als geschehen ist, an seiner Cantate, welche die ganze Spannkraft seiner Seele verlangte, zu componiren, denn seine Beziehungen zu der von ihm so unendlich geliebten Caroline entwickelten sich in immer tiefer deprimirender und sein ganzes Wesen mit Schmerz erfüllender Weise, so daß auch der Aufenthalt in München nicht die künstlerischen Früchte trug, die er von ihm erwartet hatte. Caroline hatte, mit anscheinend durch die Trennung geschärftem Blick, und bei Prüfung des geläuterten Empfindens geglaubt, zu der Ueberzeugung kommen zu müssen, daß die äußern Verhältnisse und ihr eignes Fühlen eine gänzliche Lösung ihres Verhältnisses zu Weber räthlich machte. Wohl wissend, welchen Schmerz diese Erkenntniß und der Entschluß zu einer Trennung dem ihr immerhin sehr werthen Manne machen würden, hatte sie ihn schon wochenlang auf einen solchen vorzubereiten gesucht, ohne bis zu der Zeit, die ihn wieder nach Prag zurückführen sollte, Kraft zur Mittheilung desselben zu finden. Jetzt, wo kein Zaudern mehr gestattet war, legte sie ihm klar die Verhältnisse und ihre Entschließung vor.

Nichts kann den Schmerz und die Liebe des sonst so starken Mannes erschütternder schildern, als die nachstehenden Auszüge aus Briefen, die er ihr im Juli, auf jene Andeutungen hin, schrieb, und der Abschiedsbrief vom 31. Aug. endlich, der wohl kaum ohne tiefe Rührung[493] und ernstes Mitgefühl mit dem leidenden, edeln und so stark liebende Geiste, zu lesen ist:


»Den 2. Juli 1815. Nachts.


– – Mein geliebtes Leben, nie will ich Dir mehr wehe thun, glaube mir, ich habe mir dieß so fest gegen alle Menschen vorgenommen! Ich will mich ganz in mich selbst einspinnen, nur durch meine Arbeiten sollen mich die Menschen fühlen, ich selbst will ihnen entfliehen, um ihnen nicht durch meine Persönlichkeit wehe zu thun, ich will mich in dem Gedanken wiegen, ihnen, wie ein unsichtbares Wesen, nur Freude zu verschaffen, ich will sie mit meinem Herzblut erquicken, so lange bis alle Fäden reißen und nichts mehr die leere Puppe aufrecht hält. – –«


»Den 11. Juli.


– – An was sollte ich sonst in der Welt Freude finden, als daran, Dir mein Schicksal mitzutheilen. Es ist zu innig mit Dir verwebt als daß ich den Gedanken fassen könnte es nicht zu thun. Beruhige Dich, geliebtes Herz, über meine Stimmung. Du weißt ja von jeher daß ich ernst und finster bin, und wenn ich jetzt so bin, so ist mir das doch wohl nicht zu verargen. Ja, ja, der Kunst hast Du mich freilich wiedergegeben, so ganz, daß auch sonst für nichts mehr ein Funke Hoffnung oder Freude in mir glimmt, ganz abgeschlossen bin ich in mir für sie, denn etwas muß ich doch noch auf dieser Welt bedeuten, wenn ich nicht ganz mich selbst als ein des Lebens unwürdiges Wesen betrachten soll. Der Fleiß wird wohl ersetzen was der frohe heitre Muth geleistet hätte, und welche Farbe meine Werke tragen, das ist ja einerlei, zwing ich doch Niemand sie zu hören oder zu spielen. Drum geliebte Lina, quäle Dich nicht mit trüben Zweifeln, ich werde mir Mühe geben, die Pflichten zu erfüllen, die der Himmel mir auferlegt, als er mir ein bedeutenderes Talent schenkte, und so oft dann mein Name mit einigem Rufe geschmückt zu Dir schallt, so denke dabei: das ist der Mann, der mich unendlich liebt, nur in mir lebt, und dem außer mir die Welt nichts mehr ist. – –«[494]


»Den 27. Juli 1815.


– – Ich habe mich wieder etwas gesammelt, ich wäre vielleicht sonst hart geworden und habe Dich ja so oft durch meine Härte betrübt. Ich will gern alles tragen, – schütte immer über mich Deinen Schmerz, Deine Klagen, alle Bitterkeit aus. Mit Liebe will uh es empfangen, und denken: es kommt von meiner Lina, der ich ein schönes Jahr ihres Lebens gestohlen habe, das ich nicht wieder ersetzen kann, also will ich doch wenigstens mit ihr tragen. Einen giebt es doch der mich kennt, und so lange es geht, in Gottes Namen. Es kommt doch eine Zeit wo Du sagen wirst: das war ein treues Herz, das Schicksal wollte, daß die Liebe ihn zermalmen mußte. – –«


»Den 31. August 1815. Nachts 2 Uhr.


Meine theure, geliebte, unvergeßliche Lina!


Müde und ermattet von der Last der Arbeit, die mich zwingt, die Nächte zu Hülfe zu nehmen, und niedergedrückt von tiefer schmerzlicher Empfindung ergreife ich die Feder, um Dir zum Letztenmale meine Gute Nacht! aus weiter Ferne zuzurufen, das Du vielleicht wenige Stunden vor meiner Ankunft in Prag erst erhältst. Es ist nicht jener tobende, gewaltsam zerfleischende Schmerz wie den 7. Juni Abends, aber desto tiefer, inniger und sicherer verzehrend – nagt dies Gefühl an mir. Aber Nein! Heute soll keine trübe Erinnerung, keine bittere Ahndung der Zukunft Dich kränken. Dieser Abschied soll freundlich wie ein guter Engel, der zu Gott um Dein Wohl fleht, Dich umschweben. Mit Wonnegefühlen zaubere ich mir die seligen Stunden zurück, die ich durch Deine Liebe genoß, wo kein feindseliger Dämon sich zwischen uns drängte, Du alle Deine unendliche Lieblichkeit, jenes entzückende kindlichfrohe Wesen entfaltetest, und mein Ernst dem Vollgefühl einer glühend erwiederten Liebe wich, und ich ahndete, daß nur solche Augenblicke das Höchste im Leben sind, daß sie festzuhalten nur Wenigen vergönnt ist und daß ein solches Uebermaaß des Glückes – könnte es dauernd sein – tödten muß. Unvergeßlich und ewig theuer wird mir Deine Sorgfalt für mich sein, stets sehe ich Dich mir entgegen schweben, wenn ich der Last des Tages entronnen war. Mit[495] thränend frohen Augen kann ich mich unserer, wahrhaft oft Kinder ähnlichen Possen und Scherze erinnern. Ja, geliebte Lina, nichts soll mir diese schönste seligste Zeit der Vergangenheit verbittern, und sollten mich einst selbst die Folgen davon ganz zusammen drücken, so sollen sie mir doch als lichte Sterne noch leuchten, und gerne will ich mich des entschwundenen schönen Lichts dankbar erinnern und erfreuen. – –«


»– – Höre die Stimme des Sterbenden. Sei gut! Sei brav! sei offen! Sollte jemals ein Wesen wieder Deine Achtung oder gar Liebe gewinnen können, – zeige Dich ihm offen, wahr und unverholen. Du kannst nur dadurch gewinnen, und reines Vertrauen knüpft unauflösliche Bande, da das Gegentheil ein ewig schleichender Teufel ist, der alle Fäden nach und nach zu zerknittern und wenigstens ungleich und rauh zu machen sucht. Sei nichts halb und die Achtung der Welt wird Dir immer bleiben. Zürne nicht geliebte theure Lina, wenn ich noch einmal diese oft wiederholten Dinge Dir sage. Glaube, sie kommen aus dem reinsten Herzen, das keinen anderen Wunsch als Dein Wohl kennt. Wenn einst recht lange die Zeiten der Leidenschaft ganz vorüber sein werden, wenn Du recht ruhig und unpartheisch auf unser Verhältniß zurückblickst, und meine Liebe und mein Thun und Lassen offen vor Deinen Blicken liegen, dann wirst auch Du aus voller Ueberzeugung sagen: Das war doch ein treues Herz. Hier wohnte wahre reine Liebe für mich – und achtend wenigstens wirst Du meiner gedenken. – –«


»– – O mein ewig theures unvergeßliches liebes Leben, habe Dank für so manche schöne Rose, die Du in mein Leben geflochten, für Deine innige Liebe, für Deinen Schmerz. Verzeihe dem Uebermaaß meiner Liebe, wenn sie oft zu heftig Dich ergriff, oft bitter und hart die Wunden noch mehr zerriß, die sie hätte sanft und duldend heilen sollen. Vergieb allen Kummer, den ich über Dich gebracht habe, und der mich so unendlich schwer drückt, obwohl ich bei Gott das Bewußtsein habe, nicht ein Stäubchen davon mit Willen, oder irgend eine[496] zweideutige Handlungsweise, erregt zu haben. Grolle mir nicht um das schöne Dir gestohlene Jahr Deines Lebens, ich wollte Dir gern zehn der meinigen dafür geben, könnte ich Dir es zurückerkaufen, Laß mich Dich noch einmal in Gedanken, die ich aussprechen noch darf, aufs Innigste und Heißeste an diese Brust drücken, an dieses treue Herz; das nur Dich denkt, nur Dich dachte und ewig denken wird. Sei heiter, sei froh und bist Du dieß einst, so gedenke in glücklichen Stunden Deines armen Carls, der unveränderlich bis zum letzten Hauche Dich liebte und in dem Du unvergeßlich leben wirst, bis einst die Zeit und sein Gefühl ihn reif gemacht haben hinüber zu gehen. Nb wohl! – – –«

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 493-497.
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