Erste Täuschungen im neuen Amte

[45] Das Räthsel sollte ihm bald in peinlichster Weise gelöst werden, die dem ehrlichen Manne zugleich die ganze Schlüpfrigkeit des Bodens, auf den er hier trat, das häßlich Irisirende der Charaktere höchst einflußreicher Persönlichkeiten, und die Natur der Mittel, die man anzuwenden entschlossen schien, um sein Wirken möglichst »unschädlich« zu machen, in fast erschreckender Weise enthüllte.

Sein alter; ihm von Prag her lieber Freund, Luigi Bassi, jetzt Regisseur der Oper in Dresden, brach gleich, nachdem er ihn auf's Herzlichste begrüßt, in Schmähungen darüber aus, »daß sein lieber ›Capellmeister‹ dem Einflusse dieses.... Morlacchi preisgegeben worden sei« und fügte hinzu, »daß er nicht begreife, wie Weber sich zur Annahme einer solchen Stellung habe herbeilassen können«. Weber hörte diese Exclamationen erstaunt und sagte dem Erzürnten, daß davon keine Rede sein könne, denn die ganze Verhandlung zwischen ihm und Vitzthum sei wegen einer k. sächs. Capellmeisterstelle gepflogen worden, nur eine solche habe er angenommen und so sei er Capellmeister wie jener und ihm vollkommen coordinirt. »Sie irren«, rief ihm Bassi zu, »nicht darauf kommt es an, um was der[45] Graf mit Ihnen verhandelte, den man höhern Orts in dieser Sache wahrscheinlich desavouiren wird, sondern was in Ihrem Anstellungs-Rescripte steht, und das ist, daß Sie Nichts mehr und Nichts weniger sind als ›Musikdirektor‹ der deutschen Oper.«

Weber war empört, ungläubig und erstaunt in gleichem Maße, hörte sogleich mit dem Auspacken seiner Effekten auf, entschlossen, sofort wieder abzureisen, wenn es sich bestätige, daß man ihm, dem Wortlaute und Geiste aller Verhandlungen hohnsprechend, Rang und Stellung heimlicher Weise habe eskamotiren wollen, und eilte zum Grafen Vitzthum in's Theater, um diese Erklärung ohne Weiteres abzugeben. Dieser bestätigte ihm betrübt die Thatsache, daß das Cabinetsrescript anders laute, als nach den Verhandlungen zu erwarten gewesen wäre, beschwor ihn aber, unter allen Umständen, um seiner (des Grafen Vitzthum) und der Kunst willen, zu bleiben, da es ihm wohl gelingen werde, Alles bald in's rechte Gleis zu führen. Ohne einen bestimmten Entschluß fassen zu können, verließ Weber den Grafen. Schon am andern Morgen suchte ihn dieser mit Schmiedel und Bassi wieder auf. Neues Bestürmen, neue Erklärung, dem Italiener subordinirt nicht dienen zu können und zu dürfen! Da denselben Vormittag Weber's Präsentation vor dem Personale angeordnet war, so gab Weber endlich, um den Grafen einigermaßen zu beruhigen, nach, daß er sich, um der Sache der deutschen Oper willen, unter allen Verhältnissen dazu verstehen wolle, die Maßnahmen zu deren Schöpfung so lange zu leiten, bis sich ein anderer »Musikdirektor« gefunden habe. Sei es bis dahin, und spätestens in einem Jahre, nicht gelungen, seine Stellung der Morlacchi's völlig zu coordiniren, so erkläre er im Voraus, dieselbe ohne Weiteres niederlegen zu wollen.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 45-46.
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