Weber's erste Wohnung in Dresden

[42] Er vermittelte auch das Finden einer freundlichen Wohnung, die Weber, ein warmer Freund geordneter Häuslichkeit, schon in den nächsten Tagen nach seiner Ankunft beziehen konnte. Im italienischen Dörfchen, allen älteren Dresdnern noch erinnerlich, dicht an den Wall geschmiegt, der sich damals noch bis auf die Stelle erstreckte, welche jetzt der westliche Flügel des Museums einnimmt, lag ein kleines, gelb angestrichenes Häuschen. Den Hof desselben schloß ein schwarzes Gitter ab. Tiefer Frieden umgab den Ort, an dem selten ein Wagen vorüberrollte. Die dunkle Kastanienallee, die sich vom Zwinger bis fast zum Theater hinzog und in welche die Eingangsrampe des Häuschens mündete, belebte sich nur Abends nach dem Schluß des Theaters,[42] das dann seine Zuschauer, in hungrige Gäste verwandelt, in die kleinen lauschigen Restaurationen des »italienischen Dörfchens« sandte.

»Italienisches Dörfchen« aber hieß eine Anzahl kleiner Häuser mit kleinen, traulichen Gärten daran, die zwischen Zwinger und Theater gelegen, aus den Hütten der italienischen Bauleute entstanden waren, welche Chiaveri zum Bau der katholischen Kirche nach Dresden berufen hatte.. Auch das Häuschen, das Weber bewohnte, gehörte zu diesem »italienischen Dörfchen« und war Eigenthum der Schwester des 1814 verstorbenen Foligneser Castraten Ceccarelli, einer alten, pedantisch saubern, feinen Dame. Die kleinen, stillen, sonnigen Räume behagten Weber. Bald stand sein Flügel mitten im größten der Zimmer, das 20 Fuß im Quadrat groß, 8 Fuß hoch war. Einfache Möbel standen an den Wänden, welche Porträts berühmter Männer und eine kleine Handbibliothek bedeckten. Am Nordfenster des Arbeitszimmers stand ein mit weißer Oelfarbe angestrichener Schreibtisch, der fast nur Musikalien enthielt. Weber liebte Teppiche und bedeckte alle Fußböden damit, weil er, wie alle feinbesaiteten Organismen, das Geräusch des Fußtrittes haßte. So war er auf die Zeit hin junggesellenmäßig, aber sorgsam heimisch gemacht, während deren er sich das Nest baute, in dem er stattlich und behaglich mit seinem theuern Weibe, als »Haupt eines Hausstandes«, hausen wollte. Ein Diener wurde angenommen und der Styl des Lebens nach dem Maßstabe bemessen, den ihm seine neue Stellung gab. Weber schildert seine Häuslichkeit in einem Briefe an Caroline:


»Den 20. Januar 1817.


etc. Dieses1 bin ich nun schon so gewohnt, daß ich ganze Tage in Schuh und Strümpfen herum laufe, und mich ohne Aerger darin sehe, ja ich glaube gar ich kriege am Ende noch Waden, das wäre ein starkes Stück, gelt Mucks? übrigens thäte ich dir doch wohl manchmal gefallen, denn ich sehe wenigstens gehörig ordentlich aus mit meinem 3ekkigen Hut, mit der sächsischen Kokarde unter dem Arme. Mein Bedienter scheint ein recht guter stiller Kerl zu sein, den ich freilich[43] erst abrichten muß, aber reinlich und ordentlich hält er alles. Nun laße dir mein Quartier beschreiben, ich wohne im sogenannten italienischen Dörfchen Nr. 30. Man kömmt durch ein kleines Thor in ein kleines Gärtchen, dann ins Haus, links eine hübsche Stube und Kabinet, par terre, wo alle hinein geführt werden, die mich sprechen wollen. Daneben die Bedientenstube, Holzlager etc. eine kleine Treppe hinauf ebenfalls links, mein Schlafstübchen ganz klein mit einem Miniatur Oefelchen, ein kleines Vorzimmerchen und eine Wohnstube, worin mein grauer Teppich an meinem Schreibtische, und mein liebes Gesticktes von dir vor dem Sopha liegt alles sehr klein, aber ungemein nett und gut möblirt auch mit Teppig, freilich kein Hotho'scher, aber doch gut. Aus der kleinen Kaffeemaschine die ich von dir eingetauscht habe, trinke ich alle Morgen, und so umgiebt mich überall die Erinnerung an dich, meine vielgeliebte Lina, als meine schönste und einzige Freude. Von Besuchern bin ich natürlich bestürmt, da alles sich bei dem neuen kgl. Direktor ein Bildchen einlegen will. Meine Proben gehen recht schön vorwärts und Donnerstag d. 30. magst du nur von 6 bis 8 Uhr deinem Mucks den Daumen halten, denn es ist die erste Vorstellung vom Joseph, das wird mir wohl auch so bald keiner nachmachen, mit 11 Proben im Ganzen diese Oper aus Nichts zu erschaffen, und du solltest sehen wie brav die Choristen schon spielen. Nun ich hoffe Ehre damit einzulegen die 2. Oper soll das Waisenhaus und die vornehmen Wirthe sein. In meinem nächsten Brief sollst du brühwarm den Erfolg des Joseph wissen. etc.«


Fast der erste Mensch, der Weber's neu geschaffene Häuslichkeit betrat, war Francesco Morlacchi, der kaum von Weber's Ankunft gehört hatte, als er, gewandt und sein, eilte, ihm den ersten Besuch zu machen. Das mit dem Maestro, der damals fast gar kein Deutsch und nur unbeholfen Französisch sprach, geradebrechte Gespräch, ließ in Weber nicht den Eindruck des Erstaunens zurück, daß sein College, nach sechsjährigem Aufenthalte in Deutschland, die Landessprache fast gar nicht kenne, sondern veranlaßte ihn, sofort einen Lehrer anzunehmen und dem Italienischen, das er schon verstand, so eifrig obzuliegen, daß[44] er in wenig Monaten sich auch geläufig in dieser Dresdener Hofsprache ausdrückte.

Schnell knüpften sich durch Weber's praktische Gewohnheit, gleich in den ersten Tagen seines Aufenthalts in einer Stadt eine große Anzahl Besuche zu machen, Briefe abzugeben und Bekanntschaften zu erneuern, die zum Theil schon früher angebahnten Verbindungen mit bedeutenden Persönlichkeiten der Stadt, dem berühmten Archäologen Böttcher, Friedrich Kind, dem in der Blüthe seines Ruhms stehenden, eben so liebenswürdigen als geschickten Maler Gerhardt von Kügelgen, dem Sänger Miksch und Anderen.

Es war ihm bei seiner Meldung bei seinem Chef, Grafen Vitzthum, dem er sich mit der ganzen Wärme der Dankbarkeit, die er diesem trefflichen Manne schuldete, und allem Eifer für sein neues Amt näherte, eine gewisse, unerklärliche Verlegenheit des Grafen nicht entgangen, die derselbe durch fast übergroße Freundlichkeit zu verdecken strebte.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 42-45.
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