Johannes Miksch

[88] Als geeigneteste Persönlichkeit zur Schöpfung eines, wahrhaft Gediegenes leistenden Theaterchors, bezeichnete Weber damals schon, da hierzu die Kräfte des alten Chordirektor Metzner nicht ausreichten, den trefflichen Singmeister Johannes Miksch, der die Funk schon gebildet hatte, die Hähnel und Schröder-Devrient auf die Höhe ihrer künstlerischen Gesangsbildung heben sollte, und 1817 als Kammer- und Ceremoniensänger und Mitglied der italienischen Oper in Dresden fungirte. Es ist damit nicht gesagt, daß Weber mit Miksch immer, oder auch nur gewöhnlich und im Prinzipe, derselben Meinung in Bezug auf Stimmbildung und Vortrag gewesen sei. Miksch war ein in Deutschland gezogener, aber guter Sprößling der italienischen Gesangschule des Barnachi zu Bologna, ein Schüler Caselli's und ein gut beobachtender und erfahrener Sänger. Er beschuldigte Weber, daß er nicht singen könne, die Singstimme wie ein Blasinstrument behandle und die Fähigkeiten der Menschenstimme nicht studirt habe; Weber hingegen sagte ihm, daß er zu viel singe und singen lasse, Flötenuhren aus den Menschen zöge und die Stimmen in unnatürliche Lagen forcire. In der That hatte es Miksch, durch eisernen Fleiß, dahin gebracht, seiner ursprünglich sehr schönen Bariton-Stimme eine Tenorlage zu geben und hielt es für möglich, dieß gewagte Experiment bei fast allen Stimmen zu wiederholen.[88]

Gingen dabei Stimmen zu Grunde, so behauptete er, der Organismus derselben habe a priori Nichts getaugt.

Miksch war kein Meister für die Kunst der psychologischen Durchdringung der Musikwerke, das Temperament des Gesanges ging ihm ab, das Gemüth, den Ausdruck der Leidenschaft kultivirte er nicht bei seinem Unterrichte, aber er war groß im systematischen Gesangunterrichte, im Gehorsammachen der Kehle, im Geschmacke des Vortrags und in der Bildung des Ohrs. Weber pflegte daher zu sagen, daß Miksch unter Aufsicht der größte Chorlehrmeister der Welt, ohne Aufsicht der Ruin aller Stimmen sei. Sie standen sich daher oft schroff gegenüber immer aber erkannten die beiden redlichen und tüchtigen Männer gegenseitig ihren Werth an und Weber that manchen Schritt, der ihm sonst schwer geworden wäre, um den alten Miksch »wieder gut zu machen!« So bat er ihn einst (1819) nach einer heftigen Scene, wo er Miksch über das »drehorgelhafte« Einstudiren einer Mozart'schen Parthie zur Rede gesetzt hatte, seiner Gattin Gesangsunterricht zu geben. Miksch war derb, oft grob, Weber schroff, beide waren sich ihres Werthes bewußt, das gab denn oft genug Feuer. In spätern Lebensjahren galt Miksch mit Recht für eine große Autorität in der Kunst des Gesangsunterrichtes.

1817 weilte seine beste Schülerin, die hübsche Meißner Postmeisterstochter, Friederike Funk, zu ihrer weitern Ausbildung in Italien, und Miksch, der Zögling der alten italienischen Schule, der wenig Vertrauen in die dermalige Gesangskunst in Hesperien hatte, sah ihrer Rückkunft mit Sorge entgegen. Dieselbe rechtfertigte sich, Friederike war in Italien »brillant verbildet« worden, hatte die Feinheit des Gehörs, die »Sicherheit des Tonansatzes« verloren und kam, wie Miksch selbst sagte, als Sängerin zweiten Ranges zurück.

Das Gewinnen guter Sänger und Sängerinnen für die deutsche Oder sollte sich, trotz Weber's und Miksch's Bemühungen, doch noch geraume Zeit verzögern.

Fußnoten

1 In Gala angekleidet sein.

D. Verf.


2 Diese Bezeichnung wurde aber nicht mit in dem über die Handlung aufgenommenen Protokoll gebraucht.

D. Verf.


3 Die Ernennung erfolgte auf einen ungemein warm, offen und männlich geschriebenen Bericht Vitzthum's an den König vom 29. Januar durch Königl. Rescript vom 8. Februar 1817.

D. Verf.


4 Graf Luxburg und Graf Oelsen. Mit ersterem hatte Weber im Wiedeking'schen Hause zu München viel verkehrt, Graf Oelsen beim Kanzler Hardenberg in Berlin kennen gelernt.

D. Verf.


5 Durch seinen Bruder, den Kämmerer.

D. Verf.


6 Die Oper hieß in dem Augenblick noch die »Jägerbraut«.

D. Verf.


7 Die Madame Sessi in der »Renate« zu singen hatte.

D. Verf.


8 Als Papagena. Anspielungen auf den Abgang Carolinen's von der Bühne vor der Verheirathung.

D. Verf.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866.
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