Weber's Motivirung seiner Maßnahmen

[142] »Den 21. Jan. 1818.


Eure Hochgeboren


haben mir unter dem 21. Januar den gemessenen Befehl Sr. Königl. Majestät zukommen lassen,

daß das Orchester künftig nur in der Art gestellt werden soll, wie solches seither gewöhnlich gewesen.

Ich kann Ew. Excellenz nicht bergen, daß der Empfang dieses Befehls einen der bittersten Augenblicke meines Lebens herbeigeführt hat.

Ew. Hochgeboren werden sich während meiner Dienstzeit überzeugt haben, daß ich nicht zu denen gehöre, die blos aus Sucht etwas anders als ihre Vorgänger zu machen, neue Einrichtungen treffen, sondern daß nur feste, auf langjährige Erfahrung und Beobachtung gestützte Ueberzeugung des Besseren und Zweckmäßigeren meine Anordnungen trifft, die auch, wie es sich gebührt, auf vorhergehendem Einverständniß meines verehrten Chefs beruhen. Der Erfolg hatte bisher meine Anordnungen gekrönt, und ich war so glücklich, hoffen zu dürfen, daß Se. Majestät sowohl mit den bisherigen Aufführungen der deutschen Opern, als der Oper Titus und der von mir componirten Cantate nicht unzufrieden gewesen wären.

Wie unendlich schmerzhaft muß es mir, der zu diesem Behufe alle seine Kräfte und Zeit dem königl. Dienste widmete, daher seyn einen Befehl zu erhalten, der einen Theil meines Strebens mißbilligt und die Aussicht meines Wirkungskreises beschränkt. Einen Befehl, der um so doppelt kränkend ist, da vorher kein Kapellmeister in Anordnungen dieser Art gehindert gewesen, wie ich mich auf die von den Kapellmeistern Paër und Morlacchi in Theater und Kirche gemachten Veränderungen beziehen kann. Der mich um so tiefer verwunden muß, da Se. Majestät Höchstselbst die Aufführung gehört und überhaupt keine so totale Umwälzung des Ganzen vorhanden war. Meine tief verletzte Autorität bei den Mitgliedern der königl. Kapelle ungerechnet, auf die ein so laut gegebener Beweis der Allerhöchsten Unzufriedenheit, welche zu vermeiden unser schönstes Streben seyn muß, den nachtheiligsten Einfluß haben wird, kann ich gleich hoffen, die dem Menschen und Künstler gebührende Achtung mir selbst verwahren zu[143] können. Die höchst verderbliche Ueberzeugung der wenigen Unzufriedenen nicht zu erwähnen, daß es nun ferner wohl ein Leichtes sey, alles durch mich Veranlaßte rückgängig zu machen. Es liegt außer meiner Denkungs- und Handlungsweise den Ankläger zu machen. Ew. Hochgeboren werden ja wohl die kennen, die nur sich und nicht die Kunst lieben.

Ich nehme mir die Freiheit Ew. Hochgeboren hier nochmals in Kürze die Gründe vorzutragen die mich bestimmten dem Orchester in der deutschen Oper eine etwas veränderte Stellung zu geben, welche Gründe sich natürlich auf alle Musikleitungen erstrecken.

Der Director ist der Mittelpunkt und die wirkende Seele des Ganzen, von dem alle Effekte ausgehen und geleitet werden. Daher gehört ihm die Mitte zwischen Orchester und Sänger, um von allen Theilen gleich gut gesehen zu werden, alle eben so übersehen zu können. Hier ist er im Stande mit der kleinsten Hülfeleistung, dem unmerklichsten Winke die Sänger zu unterstützen. Denn der auswendig Singende, jedem scenischen Zufall Bloßgegebene bedarf dessen hauptsächlich und allein, das Orchester hat zu folgen, und nicht allein etwas seyn zu wollen.

Dem Director zur Rechten zunächst sitzt der Violinist, der seine Winke auffaßt und fortführt.

Hinter ihm die Bässe die aus ihrer eigenen Stimme mit Sicherheit und übereinstimmender Streich- und Vortrags-Art spielen können gleich der Violine.

Die Gewohnheit aus der Partitur zu spielen ging mit der älteren leichten Schreibart der Bässe Hand in Hand. Die jetzigen figurirten Bässe machen dieses mit Präzision fast unmöglich, wie jeder Baßspieler bezeugen muß und klar in der Natur der Sache liegt.

Das öftere Umwenden und die bloße Aufmerksamkeit des Directors darauf unerwähnt.

Doch möchte das Alles noch angehen bei Opern mit einem gewöhnlich besetzten Orchester, wo der Raum im königl. Theater ausreichend ist. Sind aber wie in der Vestalin, Cortez, Elisabetha u.s.w. vier Hörner, drei Posaunen, zwei Trompeten und türkische Musik[144] nothwendig, dann mußten unter die herrschaftliche Loge zur Linken, in einen kaum mannshohen Winkel, die Pauken, Trompeten und türkische Musik, dicht hinter einander gedrängt werden, wo sie von dem übrigen Orchester ganz abgesondert, weder dasselbe hören noch den Director sehen konnten. Daher das stete Verwirrungbringen derselben im Cortez und der Vestalin, wie ich oft gehört und die Herren Polledro, Morlacchi, Schubert u.s.w. mir oft geklagt haben.

Da das Orchester Breite genug hat, so setzte ich fünf Blasinstrumente in eine Reihe statt der sonstigen vier, hierdurch gewann ich Raum die Trompeten an ihrem gewöhnlichen Platze zu lassen, und die türkische Musik neben die Pauken zu bringen. Den Erfolg hat die Präzision bewiesen für die, auf andere Weise, ich in der Oper Elisabetha auf keinen Fall einstehen kann. Die Posaunen blieben auf demselben Flügel wie ehedem, nur, da die Violinen beisammen sitzen müssen, mit dem Rücken aus Parterre gelehnt, statt sonst an das Theater. Ich muß um Verzeihung bitten, wenn die Reichhaltigkeit und Wichtigkeit meines Gegenstandes mich ins Weitläufige führte. Aber es ist meiner Pflicht gemäß, das, was ich aus reiner Ueberzeugung für das Wahre und Beste halte zu vertheidigen und mit Gründen zu belegen. Es versteht sich von selbst, daß es meine Schuldigkeit ist, dem Allerhöchsten Befehle zu Willen die Oper Elisabetha zu dirigiren, ich ersuche aber Ew. Hochgeboren dringendst und gehorsamst diese meine unterthänige Vorstellung Sr. Majestät zu Füßen zu legen, indem ich mich zugleich verwahre wenn bei den mit türkischer Musik, Trompeten u.s.w. begleiteten Stellen nicht die Präzision seyn sollte, die ein so erhabener Kenner als unser allergnädigster Monarch ist, zu fordern und zu erwarten hat.

Zugleich bitte ich Sr. Königl. Majestät die ehrfurchtsvollste Bitte vorzulegen mir zur Wiederherstellung meines durch diese gewiß unverschuldet erlittene Kränkung erschütterten Directorialansehens vor den Augen des ganzen Publikums – allergnädigst zu erlauben, wenigstens in Opern mit so ganz großem Orchester dasselbe auf meine Weise ordnen zu dürfen. Se. Majestät sind zu gnädig und gerecht als daß Allerhöchst Sie auch nur zufrieden mit einem Manne seyn könnten,[145] der gegen seine Ueberzeugung handeln wollte, und dadurch die nothwendige Freiheit und Eifer zur Leitung des Ganzen in sich gestört fühlen müßte, ansonst ich lieber, so schmerzlich es mir auch fallen würde, unterthänigst darum ersuchen müßte, mich gänzlich von der Leitung italienischer Opern zu dispensiren. etc. etc.«


Diesen Brief legte Vitzthum einer, noch vom selben Tage (21. Jan.) datirten, höchst eindringlichen, an den König selbst gerichteten Vorstellung zum Grunde. In derselben führt er, nach Angabe der Motive, die Weber und ihn zu der Maßnahme der Umgestaltung des Orchesters geleitet hätten, an, daß durchaus keine bestimmte Vorschrift für die Anordnung des Orchesters vorhanden und der Vorfall nicht ohne Vorgang sei. Paër habe den Flügel in ein tafelförmiges Piano verwandelt und die Violen anders gesetzt, Morlacchi sogar, ohne Vorwissen des Königs, die Orchester-An ordnung mehr als Weber geändert, indem er die Violinen, die sonst theils nach dem Theater, theils nach dem Publikum gesessen, quer aufgestellt, die Contrabässe und Celli, von den Enden des Orchesters, in dessen Mitte verpflanzt und sogar in der Kirche die Placirung der Instrumente geändert habe.

Schließlich bittet er den König, die Anordnung zurückzunehmen, damit er und Weber nicht blosgestellt würden (Morlacchi könne das Orchester ja in den von ihm geleiteten Opern stellen wie er wolle), und um direkt an ihn zu erlassenden, Allerhöchsten Bescheid.

Diese Vorstellung überreichte er dem Grafen Einsiedel, durch dessen Hände nun einmal der einzige Weg zum König ging, mit einem Briefe, der ein Musterbild männlich freimüthiger, geistvoller Rede ist. Vitzthum bittet darin den Grafen Einsiedel, um der ihm anvertrauten Kunstanstalt willen, sein Ansehen zu stützen und sein Gesuch beim König zu bevorworten, indem er schließt:


»etc. Denn wahrlich nur das Bewußtsein einer selbstständigen Wirksamkeit und ungekränkten Ehrgefühles kann es einem gesetzten an Beschäftigung mit ernsten Dingen gewöhnten Manne, einem Manne von Herz und Sinn, einem durch Geburt und übrige Verhältnisse zu Ansprüchen auf innere und äußere Würdigung berechtigten Manne allenfalls erträglich machen, ein Werk zu leiten, welches in seinen[146] Zwecken meist so frivol, in seinen Mitteln oft so läppisch ist, welches ein tägliches, kleinliches, leeres und doch rastloses Umtreiben mit einem Haufen Menschen erfordert, die entweder auf ihre vermeinten oder wahren Talente und Leistungen zwar durchgehends sehr eitel, in der Mehrzahl aber höchst ungebildet, leidenschaftlich, egoistisch und charakterlos, die übrigen aber wirklich nur ganz gemeine Handwerker und Tagelöhner sind. etc.«


Der gerade Styl dieser Zuschrift hat Einsiedel, der in jeder freien Meinungsäußerung, deren Redeton nicht genau in den genehmigten Diapason der »Unmaßgeblichkeit« und »Unzielsetzlichkeit« stimmte, Auflehnung und Respektsverletzung sah, und dem es nie gelang, sich zu der Idee zu erheben, daß ein gebildeter Mann mit einem andern, der zufällig sein Vorgesetzter ist, ohne Rückhalt sprechen könne, wahrscheinlich vollends gegen die Sache verstimmt, ja Vitzthum ist immer der Ansicht gewesen, daß seine Eingabe nie in die Hände des Königs gekommen sei.

Wohl dem Manne, der einer guten Sache dient, wenn ein Vorgesetzter so biederer Gesinnung, so redlich auf die Zwecke gerichteten Willens seinem Rufe nach Recht und Beistand starke Stimme nach eben leiht! Mit einem solchen zusammen leiden und verkannt sein, ist ein schöneres Loos, als das blinde Vertrauen der Beschränkten, oder der am »Schielen nach Oben« oder am »Aktenstaub-Blödsinn« Leidenden zu besitzen! – –

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 142-147.
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