Verzögerung der Aufführung des »Freischützen«

[243] Inzwischen verzögerte sich die Vollendung des Berliner Schauspielhauses weit über Erwarten. Ueberdieß war durch eigene Bewegung des Königs, der dabei lediglich seinem Geschmacke folgte, der Ritter Gasparo Spontini, dem der Aufenthalt in Paris durch Zerwürfnisse mit dem Leiter der großen Oper Viotti und dem Publikum unerträglich geworden war, im October 1819, wahrscheinlich um die durch Nichtbesetzung von Gürlichs Stelle bezweckte Ersparniß durchzuführen, unter den glänzendsten Bedingungen und mit einem Gehalte angestellt worden, der den der übrigen Capellmeister um das Doppelte überstieg. Vorsitzender der General-Musikdirektion mit dem Titel eines General-Indentanten der Musik ausgerüstet, mithin auch fast dem Einflusse der Oberleitung des Königl. Theaters entrückt, hielt dieser gewaltige Musik-General alle Macht der Musikwelt Berlins in Händen. Der finstere, stolze Meister war im Mai 1820 in Berlin angekommen. Die kolossalen Vorbereitungen zu den Aufführungen seiner blendenden Opern hatten die Kräfte des Theaterpersonals und der Leitung so sehr in Anspruch genommen, die Aufmerksamkeit in maßgebenden Kreisen so absorbirt, daß von Aufführung des bescheidenen Singspiels des bescheidenen deutschen Meisters auch dann kaum die Rede hätte sein können, wenn selbst das Schauspielhaus fertig gewesen wäre. Es gehörte dieß wieder zum Glücke des »Freischützen«.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 243.
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