Entstehung des: »Einst träumte meiner seligen Base«

[278] Brühl gab nun die Rolle des Aennchen der Eunicke, Rebenstein den Ottokar, die Reinwald übernahm die erste Brautjungfer. Kaum hatte die zierliche, vom Berliner Publikum etwas verzogene Eunicke ihre Rolle mit der der Agathe verglichen und gegen dieselbe in der Ausdehnung wesentlich zurückstehend gefunden, als sie in Brühl drang, Weber zu veranlassen, ihr noch irgendwo und irgendwas, wo möglich Munteres, einzulegen. Brühl, wohl wissend, daß der Wunsch, als von einer kleinen, wenn auch guten Sängerin ausgehend, bei Weber schwerlich Gehör finden werde, machte die Sache zu seiner eigenen und schlug in einem Briefe vom 21. März Weber vor, mit Kind gemeinschaftlich in den 3. Auftritt des dritten Akts eine Scene für Aennchen einzulegen, »in der diese sich heiter bemühen müsse, die traurige Stimmung Agathens zu zerstreuen.«

Weber antwortete zwar hierauf am 25. März, daß ihm das Einschalten der Scene nicht angenehm wäre, da sie »unnothwendig und die Steigerung störend« sei, er sich aber doch dazu verstehen wolle, Brühl's Wunsche zu willfahren, da ihm Kind, der den Vorschlag passend finde, gleich einen hübschen Text zu der Scene geschrieben habe. Componiren wolle er sie aber erst in Berlin, um sie »der Dame Eunicke recht kehlgerecht zu machen.«

So entstand die Romanze: »Einst träumte meiner seligen Base«, deren Humor, mit einem Beischmack von Gezwungenheit, nicht vollständig auf der Höhe der andern Nummern der Oper steht, während das der Romanze sich unmittelbar anschließende Rondo: »Trübe Augen, Liebchen, taugen« zu den holdseligsten Schöpfungen Weber's gehört.

Ende des März stellte sich die Eröffnung des Berliner Schauspielhauses auf die letzten Tage des Mai fest und Weber erhielt um so leichter Urlaub, sich zu Anfang dieses Monats dahin zu begeben,[278] als ein längstbeschlossener, größerer Umbau des Dresdener Hoftheaters in der Stadt dessen Schließung auf eine Reihe von Monaten bedingte und alle theatralischen Darstellungen in Dresden für diese Zeit auf das kleine Theater am Linke'schen Bade verwies.

Caroline sollte ihn begleiten. Meyerbeer's Aeltern und Lichtenstein drangen in das Ehepaar, seinen Aufenthalt bei ihnen zu nehmen. Er beschloß der Einladung der ersteren zu folgen und schreibt am 20. März an Lichtenstein nachstehenden interessanten Brief, in dem er sich selbst dazu beglückwünscht, daß die »Preciosa« dem »Freischützen« als Pfadfinder gedient habe:


»26. März 1821.


etc. Beer's haben nehmlich unterdessen ihre Einladung so dringend und herzlich wiederholt, alles schon bis in's Detail besorgt und mir geschrieben, daß ich – der ich ohnedieß die gute Koch nur auf den Fall, daß es damit nichts wäre, vorläufig sich nach einem Quartier umzusehen bat – wirklich feindlich aussehen würde, wenn ich es nicht angenommen hätte, ich habe ohnedieß diesen guten Leuten einmal recht wehe thun müssen, durch das Zurücksenden eines schönen Geschenkes, so daß ich jetzt weiter gar keine Einwendung machen durfte. Mein Trost dabei ist, daß wir nicht im Thier-Garten, sondern in der Bährenstraße wohnen werden, und also als ehrliche Nachbarsleute fleißig zusammen kommen können. Also 100000 Dank, dir und deiner lieben guten Victorine von uns beiden, daß ihr uns habt beherbergen wollen, und zwar ganz in der Weise, wie es uns Allen die Flügel frei gelassen, und wir nur die Annehmlichkeit des Zusammenseins hätten genießen können.

Was meine Unzufriedenheit betrifft, so komme ich nach und nach dahinter, daß so lange ich es noch warm und ehrlich mit der Sache meine, – sie sich wohl nicht heben wird. Da ich nun von mir hoffe, nicht auch ein Schlingel zu werden, so wird sie mich wohl ins Grab begleiten. – –

Ich glaube es gern, daß ihr aus Manchem im Freischütz nicht klug werden könnt. Es sind Dinge darin, die in dieser Weise noch[279] nie auf der Bühne waren, die ich daher ohne das mindeste Anhalten an schon Vorhandenes gänzlich aus meiner Phantasie schaffen mußte. Gott gebe nun daß ich das Rechte getroffen.

Es freut mich sehr auch von dir zu hören, daß die Preciosa durchaus gefiel. Es ist ein guter Vorläufer für den Freischütz, denn es war doch manches Gewagte drinn, nach gewöhnlicher Handwerks-Ansicht.

Nach Graf Brühl's letztem Brief wird das Theater d. 20. May eröffnet, ich komme daher wahrscheinlich schon Ende April nach Berlin. etc.«


Die Anschauung, die er von den durch sein Wirken in Dresden erzielten Resultaten und seinen Verhältnissen daselbst im Allgemeinen zu Anfange des Jahres 1821 hatte, schildert ein Brief an Dusch, den wir hier folgen lassen:


»Lieber Bruder!


Welche Freude war es mir die alten wohlbekannten Schriftzüge wieder zu sehen, die so manche herrliche Erinnerung mitbrachten. Hatte mich auch früher schon deine ›Cantemire‹ selbst erfreut als interessant an sich und doppelt mir, in dem Beweise daß du noch für die Kunst lebst und wirkst – so zürnte ich doch auch ein wenig mit dir, daß du so gar nicht es der Mühe werth hieltst, deinem alten treuen Bruder davon zu sprechen. Es hat sich mir so manches Theure langsam und schmerzlich losgelöst, ich stehe immer vereinzelter in der Welt mit der warmen Gluth für das Wohl der Sache eben so wie jemals erfüllt, so oft verkannt, verletzt, vergessen und noch öfter mit Undank belohnt, daß es mir gar wohl thut, nähert sich mir eine alte liebe Gestalt. Ich hätte längst auch selbst an Fesca geschrieben, hätte ich nicht die Scheu, zudringlich zu erscheinen oder gar einer lächerlichen Protectionsmiene beschuldigt werden zu können befürchtet. Nun ist dies Alles gehoben. Fesca hat mir freundliche Zeilen geschrieben, ich habe ihn mit heutiger Post um seine Oper bitten können und somit möge der Himmel weiter sorgen, daß man mir auch die Kräfte gibt[280] und läßt sie würdig aufführen zu können. Die Cantemire selbst ist eine sehr schwierige Aufgabe. Ich will nun sehen in wie fern sie es auch in musikalischer Hinsicht ist. Was ich für das Werk thun kann soll gewiß geschehen und jede weitere Versicherung wäre hoffentlich bei dir überflüssig.

Deine Zeilen erhielt ich in Kopenhagen. Im Strudel der Reise fand ich keine Muße zu antworten. Hier fand ich bei meiner Zurückkunft Vieles verändert. Eine neue Direction, neue Ansichten. Ich müßte Bücher schreiben, wollte ich dich unseren Kunstzustand kennen lernen. Seit vier Jahren kämpfe ich mit aller Kraft, mit Aufopferung physischer und künstlerischer Gesundheit für das Wohl der Kunst überhaupt und der deutschen insbesondere. Ich kann sagen daß Vieles mir gelungen ist, daß mein Streben nicht ganz wirkungslos war. Was nun werden soll bei der ganz dem wälschen Ohrenkitzel sich mit Vorliebe hinneigenden Direction, weiß der Himmel. Vielleicht ist in wenig Monaten Alles mühselig Erbaute zerstört – – ich habe das Meinige gethan. – Wie Gott will. etc.«


Weber wollte die Reise nach Berlin nicht antreten, ohne in gewohnter liebevoller Ehrfurcht der Königsfamilie noch einmal im Dienste nahe gewesen zu sein. Als daher, im Anfange April, bei Gelegenheit der Deklaration von der nunmehr wirklich vollzogenen Vermählung der Prinzessin Maria mit dem Großherzoge Ferdinand von Toscana, Gallacouren und Hofconcerte stattfanden, kam Weber mit Morlacchi, dem die Direktion der letztern dienstgemäß zufiel, überein, ihm dieselbe zu überlassen. Herr von Könneritz zeigte sich damit einverstanden und Weber ordnete Programme und Veranstaltungen.

Am Tage des Concerts, 5. April, gelangte der bestimmte Befehl des Kabinetsministers an den Intendanten, daß »kein anderer« als Morlacchi das Hofconcert dirigiren solle. – –

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 278-281.
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