Antrag auf Errichtung einer Musikdirektorstelle und Berufung Gänsbacher's

[472] Nachdem die andauernden Krankheiten Morlacchi's und des Kirchencompositeur Schubert Weber die Last des Musikdienstes in Theater, Kammer und Kirche zehn Monate lang auf die Schultern gewälzt und er dabei die größten Anspannungen seiner Körper- und Seelenkräfte beim Einstudiren und Aufführen großer Musikwerke geleistet hatte, die Nothwendigkeit rüstiger Arbeit an seiner großen Oper aber immer dringender wurde, und zugleich das Uebermaß der Anstrengung mahnend an seine kranke Brust klopfte, entschloß er sich, einen Antrag auf Anstellung eines Musikdirektors einzubringen.

Vielleicht kam ihm die. für den Augenblick lästige Gestaltung der Verhältnisse, nicht ganz ungelegen, da sie ihm die Erfüllung eines längst gehegten Wunsches in Hoffnung stellte. Weber stand in Dresden, wie erwähnt, in künstlerischer Beziehung fast ganz vereinsamt unter einer Menge von Fachgenossen, die entweder nicht seine Freunde waren, oder an Talent und Bildung zu tief unter ihm standen, um Funken aus ihm schlagen zu können. Er fühlte, daß er eines Stahls zu seinem Feuersteine bedürfe, und wenn er erwog, von wem unter allen Lebenden er sich am liebsten und sichersten angeregt finden würde, so blieb sein Blick immer auf dem Bilde seines theuersten Jugendfreundes, Gänsbacher, haften. Diesen als Collegen einmal in seiner Nähe haben zu können, war einer seiner wiegendsten Träume. Was Wunder, daß er jetzt unter der Last, die ihn fast erdrückte, hervor in der Verwirklichung dieser Träume die holdeste Hilfe für sich und die beste Stütze für die Kunstanstalt erblickte. Er beschloß daher, von Herz und Kopf getrieben, Gänsbacher in erster Stelle für den neu zu creirenden Musikdirektorposten vorzuschlagen.

Die kraftvolle und klare Form, in der er das für nothwendig Erkannte der Oberstelle vorzutragen pflegte, charakterisirt sich sehr prägnant in dem Schreiben, das er an den Geheimen Rath v. Könneritz richtete, in dem er um Errichtung der neuen Stelle bat. Wir lassen dasselbe, nebst den Zeilen folgen, die er zur Empfehlung seines Freundes dem Schreiben beifügte:[472]


»Dresden, den 29. Januar 1823.


Kaum würde ich es wagen Ew. Hochwohlgeboren mit nachfolgenden Vorstellungen zu belästigen, wenn nicht seit geraumer Zeit sich mir täglich mehr die Gewißheit aufdränge, daß es Pflicht für die Erhaltung des Allerhöchsten Dienstes wird, das auszusprechen, wozu mich meine persönliche Lage schon lange dringend auffordert.

Vom April 1822, bis jetzt, habe ich fast durchaus allen Kgl. Dienst allein zu versehen, die Ehre gehabt. Selbst, wenn meine schuldige Bereitwilligkeit noch größer sein könnte, als sie gewiß ist, fühlte ich doch die Unmöglichkeit des ferneren Fortganges in dieser Weise. Die Gesundheit meines geschätzten Collegen, Herrn Kapellmeister Morlacchi, ist leider für diesen Winter so beschaffen, daß er dem Ausspruche des Arztes zu Folge, keinen Tag mit Sicherheit auf sich zählen kann; und im Sommer der Wiederherstellungszeit bedarf. Daß sich Herr Schubert in fast gleichem Falle befindet, ist bekannt.

Wenn nun die wirklich meine Kräfte übersteigende, mit Mißbilligung meines Arztes, leistende Anstrengung in dieser Jahreszeit, mir auch meine ohnedieß sehr schwankende Gesundheit zerstört, so sehe ich gar nicht ab, wie der Allerhöchste Dienst bestehen, und Fortgang haben kann.

Ich erlaube mir daher, unvorgreiflichst

die Ernennung eines Musikdirektors mit einer der des Herrn Schubert gleichen Dienstobliegenheit, unterthänigst vorzuschlagen,

als das mir einzig und nothwendigst scheinende Mittel, allen widrigen Dienststörungen vorzubeugen.

Ueberzeugt von der väterlichen Huld meines allergnädigsten Königs, der das Wohl der Seinigen in jeder Beziehung will, unterstehe ich mich noch hinzuzufügen, daß ich mich auch geistig ganz zerstört fühlen muß, durch den täglich ununterbrochen anhaltenden Dienst. Die Verpflichtung, die ich mit Allerhöchster Erlaubniß gegen Wien übernommen habe, mußte ich schon, statt sie im Herbst 1822 erfüllen zu können, damals zum Januar 1823 verschieben, und jetzt abermals zum August, obwohl ich selbst bis dahin noch die Möglichkeit nicht[473] absehe, ihr unter diesen Umständen Genüge zu leisten. Je mehr es mein Stolz ist, mich Sr. Majestät angehörig nennen zu dürfen, je verzeihlicher ist es wohl, wenn meine Ehre vor der Welt mir auch am Herzen liegt, und ich hier ausspreche, was in jedem andern Dienstverhältniß als unstatthaft angesehen werden müßte.

Um nicht ermüdend zu werden, enthalte ich mich der weiteren Anführungen noch so vieler bedeutender Gründe, die Ew. Hochwohlgeboren gewiß viel schärfer einzusehen und zu würdigen vermögen, als ich sie darzulegen im Stande wäre, und füge nur die Bitte hinzu, daß Hochdieselben meine ehrfurchtsvollste Vorstellung und Bitte Sr. Majestät dem Könige vorlegen, und mit der Ihnen eigenen Wärme für das Wohl des Allerhöchsten Dienstes, und jedes Einzelnen, geneigtest unterstützen mögen.

Der ich die Ehre habe etc.«


»Johann Gänsbacher, Tyroler von Geburt. Katholisch. Studirte die Musik unter Albrechtsberger, Salieri und Vogler. Zeichnete sich von jeher durch melodiöse Composition, und vollkommene Correctheit aus. Sein Geschmack zog ihn zunächst zur Kirchenmusik, in welcher Gattung er wahrhaft Treffliches geleistet. Er ist selbst ein vorzüglicher Sänger, wozu ihm die Kenntniß des Italienischen bedeutend nützt. Er lebte lange in Prag im Hause des nun verstorbenen Grafen Firmian, und ist besonders auch von der Gräflich Clam'schen Familie sehr geehrt, die ihm gewiß das beste Zeugniß nicht versagen werden. Er lebte ganz der Kunst, und ernährte mit großer Aufopferung seine armen Eltern in Tyrol. Der Aufruf Oesterreichs entzündete auch seinen Patriotismus. Er ging nach Tyrol, und zeichnete sich hier auch so in jeder Hinsicht aus, daß er jetzt als Oberleutnant bei dem k.k. Jäger-Regiment Kaiser steht, und mit der großen Civil-Verdienst-Medaille geziert ist. Er hat den Innsbrucker Musik-Verein gegründet, die Musik seines Regimentes organisirt und verließ nur deßhalb den Militairdienst vor der Hand nicht wieder, weil er ihm etwas sicherte, für den Unterhalt seiner armen Verwandten. Dieser schönen Rücksicht opferte er manche Aussicht, die, indem man etwas[474] für sie wagen sollte, die sichere Subsistenz auch nur für Augenblicke gefährdet hätte, welches sein trefflicher Character nicht zuließ. Auch die Kaiserin Marie Luise und Kaiser Alexander zeichneten seine Talente durch kostbare Ringe aus, und für Erstere hat er mehrere Sachen eigends componiren müssen.«

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 472-475.
Lizenz:
Kategorien: