Gastfreiheit in Hosterwitz

[482] Freundlich erhellten die arbeitsvolle Zeit seiner Villeggiatur die Besuche werther, fremder Freunde, unter denen P. A. Wolff aus Berlin, Hummel, der auf einem seiner »Triumph- und Raubzüge«, wie es Weber scherzend nannte, Dresden berührte, Eberwein und Pixis, die am wärmsten begrüßten waren. P. A. Wolff stand Weber doppelt nahe, seitdem er in ihm einen Leidensgefährten erblickte. Die beiden armen, schwindsüchtig Hustenden, beschrieben sich oft gegenseitig die Symptome ihrer Beschwerden so ausführlich, daß sie Caroline scheltend trennen mußte. Der kleine, kräftige Hummel bewegte sich stramm, wie aus Stahl gegossen, dazwischen. Aber nicht blos als Aufseherin klagender Kranken sollte Caroline ihr Talent bewähren. Der »Liederkreis« pflegte im Sommer zwar nicht, wie er seiner Natur nach gesollt hätte, mit Schäferstab und Laute, aber doch in wohlbespannten Landauern »sokratisch heiter« durch die Gegend zu schweifen und bei seinen, auf dem Lande lebenden Mitgliedern, behaglich im Grünen, einzusprechen. Zwar wurde von deren Gastfreundschaft nur »ganz ländlich Milch und süße Früchte« erhofft, er fühlte aber sein poetischgeistiges Wesen in keiner Weise verletzt, wenn er mit Eis, Moselwein oder Champagner und einem guten städtischen Mittagessen oder Abendbrote überrascht wurde. Vor Weber's bescheidenem Bauernhäuschen in Hosterwitz und des Hofrath Weigel Villa in Tolkewitz pflegten jene schlichten Wagen allsommerlich mit besonderer Vor liebe zu halten, und Weber war dann stolz darauf, daß aus der kleinen Küche des Dorfhäuschens, in der nur barfüßige helfende Geister aus- und einflogen, in der aber Caroline waltete, wie durch Zauberei allerhand treffliche Labe, nach Böttcher's Ausdruck, »in sächsischer und östreichischer Weise culinarisch gedichtet«, hervorquoll und sich auf Tisch und Rasen ergoß. Die jungen und alten Herren zechten da behaglich und wacker, aber nicht ohne sich, statt der sonst stets bereit gehaltenen, üblichen Lorbeeren, in ländlicher Heiterkeit, anakreontische Rosenkränze gegenseitig auf's Haupt zu setzen. Böttcher, Winkler, Hasse, der freundliche sächsische Petrarka[482] Förster und der stille Malsburg fehlten selten; letzterer besonders zeigte sich beflissen, seitdem Weber seine, vom Freiherrn von Livius componirte Oper: »Das ledige Ehepaar«, einstudirte. Die Dresdener sagten über dieses Werk in einem seltenen Anfalle von Witz: »Ein Freiherr hat sie geschrieben, ein Freiherr hat sie componirt, ein Freiherr aufgeführt, drum ist sie zwar freiherrlich, aber gar nicht herrlich!«

Nur einen Gast sah Weber eines Tags mit wahrem Zorn an seinem Tische erscheinen, der jedoch dem, sonst von ihm geschätzten Gaste selbst, nur zum kleinen Theile galt. Es war der junge Heinrich Marschner, der am 21. August bei ihm einsprach und ihm ganz on passant mittheilte, daß er zum Musikdirektor so gut wie bestimmt sei. Die ganzen Verhandlungen mit ihm waren also ohne Weber's Vorwissen, und trotz dessen Verwendung für Gänsbacher, gepflogen worden!

Grimmig schrieb er in sein Tagebuch: »Da sieht man was ich hier gelte! Die schöne Hoffnung für Gänsbacher ist zerstört, so wie alles Gute, was ich für den Dienst vorschlage, immer unberücksichtigt bleibt und mein Wirken hier reines Tagelöhnerwerk ist!« –

Von gewaltsamen Schritten, die er in seinem Zorn thun wollte und die ihn, vielleicht zu seinem Heile, weit geführt haben würden, hielten ihn die Vorbereitungen zur Reise nach Wien, wo seine »Euryanthe« nun gleich nach Abreise der Hauptmitglieder der italienischen Gesellschaft in Scene gehen sollte, und die Eindrücke ab, die er durch die Nachrichten von den Erfolgen Rossini's und der unvergleichlichen Truppe, die des liebenswürdigen Maestro Werke dort darstellte, empfing. Waren doch die Referate der Wiener Blätter über Rossini, Barbaja und die italienische Oper ein fortwährendes Jubel- und Triumphgeschrei!

Dieß und der Blick auf die von ihm in seinem neuen Werke eingeschlagene, so durchaus neue Richtung, und der Gedanke an die ihm in Wien zu Gebote stehenden, im Verhältniß zu denen der italienischen Truppe durchaus nur Edelsteine von zweitem Wasser zeigenden Kräfte, an Rossini's persönlichen Zauber. an die Vorliebe des großen Wiener[483] Publikums für italienische Theater-Musik, bedrückten ihn schwerer, als er es sich selbst eingestehen wollte, und öfter als je zuvor hörte man aus seinem Munde damals, mit einem Seufzer vermischt, seinen Wahlspruch: »Wie Gott will!!« –

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 482-484.
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