Brief an den Akademischen Musikverein zu Breslau

[585] »Empfangen Sie vor Allem, meine hochgeehrten Herren, meinen herzlichsten Dank für das in jeder Hinsicht mich höchst erfreulich Ehrende Ihrer geachteten Zuschrift vom 15. Dec. Es bewegt mich wahrhaft recht schmerzlich, daß ich diesem strebensfrohen vertrauensvollen Aufruf nicht eben so freudig Gewährung entgegen rufen kann.

Euryanthe ist ein rein dramatischer Versuch, seine Wirkung nur von dem vereinigten Zusammenwirken aller Schwesterkünste hoffend, sicher wirkungslos, ihrer Hülfe beraubt. Diese Ueberzeugung hatte ich, ehe vielfältige Wünsche, wie die Ihrigen, an mich gelangten, die ich z. Th. befriedigte, oder willkürliche Lust, Einzelnheiten oder das Ganze ohne Anfrage dem Publikum vorführte. Die Erfahrung bestätigte meine Ueberzeugung. Das Werk ließ nicht nur kalt, ja es erregte Mißfallen, denn nicht geringe Erwartungen brachte das mir gewogene Publikum mit. Vergleichungsweise erlauben Sie mir nur als Beispiel anzuführen, ob Sie Sich irgend welche Wirkung auch von der gelungensten Aufführung einer ›Iphigenia‹ von Gluck im Concertsaale versprächen? Und dieß ist ein anerkanntes Meisterwerk und allgemein gekannt, wodurch die Phantasie des Hörers ergänzend und hinzufügend wirken kann. Sie meine Herren in Ihrem reinen Eifer für die Kunst würden es sich selbst nicht vergeben können, wenn Sie meine Worte bestätigt fänden und sich den Vorwurf machen müßten, durch diese Concertaufführung den Glauben an deutsche Kunst bedeutend erschüttert zu haben.[585]

Sicher bieten sich Ihnen bedeutendere Werke zur Auswahl dar. Sollten Sie aber vorzugsweise eine meiner Arbeiten wünschen, so würde ich mir erlauben, Ihnen dazu meine ›Jubelcantate‹ od. ›Kampf und Sieg‹ vorzuschlagen. Erstere mit einem allgemeinen Texte noch versehen, ist vielleicht zeitgemäßer als letztere. Doch füllt keine den ganzen Abend aus. etc.«

Wenn auch gegen das Ende des Jahres 1824 böse Nachrichten von der scham- und takt- und talentlosen Bearbeitung und Ausnutzung seines »Freischütz« durch Castil Blaze, die nicht allein seinen in Frankreich keimenden Ruhm zu untergraben, sondern auch die Verwerthung des Werkes daselbst unmöglich zu machen drohten, mit tausend Verdrießlichkeiten auf den Leidenden eindrangen, und Caroline, in Folge ihres Zustandes körperlich verstimmt, auch geistig in tiefe Schwermuth versank, seiner innern Harmonie daher die »unfehlbare Stimmgabel« fehlte, so gewann er doch der bedrängten Psyche so manches Lächeln jenes Humors ab, durch den er sonst so oft lachend gezüchtigt und in Thränen bezaubert hatte. Auf einer Maskerade bei Graf Kalkreuth erschien er, dem eben eine Anzahl rügender Auslassungen seiner vorgesetzten Behörde zugegangen waren, von unten bis oben mit Nasen benäht. Wer ihn erstaunt um die Bedeutung der drolligen Maske frug, dem flüsterte er geheimnißvoll in's Ohr: »Ich habe die Nasenkrankheit! Ein schrecklich Leiden! Alle Nasen, die ich bekomme, wachsen mir am Leibe heraus. Geh'n Sie von mir, sie steckt an!« –

Fußnoten

1 Durch den preuß. Gesandten in Wien, Fürsten Hatzfeld, eingezogen.

D. Verf.


2 Genau Spontini's Orthographie.

D. Verf.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866.
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