Reisepläne

[700] Mit freudigem Herzen hörte er Fürstenau's Plan, daß dieser sein Concert, für das sich kein passender Abend mehr fand, aufgeben wolle und ihm vorschlage, nicht nach Paris, sondern direkt über Brüssel und Cöln nach der Heimath zu eilen. »Das ist ein Wort!« rief er fröhlich aus und schlug in Fürstenau's Hand, dann schrieb er eilends an Caroline:


»Es lebt eine Ungeduld in mir! Du wirst nicht viele Briefe mehr von mir sehen, denn vernimm meinen grausamen Befehl: Antworte mir nicht mehr auf diesen Brief nach London, sondern gleich nach Frankfurt post restante, Du staunst? ja ja, ich gehe nicht nach Paris. Was soll ich da? Ich kann nicht gehen, nicht sprechen. Geschäfte will ich jahrelang verbannt wissen, also besser den geraden Weg zur Heimath von Calais über Brüssel, Cöln, Coblenz, den Rhein hinunter bis Frankfurt, welch herrliche Fahrt! – Obwohl ich unn werde etwas langsam reisen müssen und zuweilen einen halben Tag ruhen – so gewinnen wir doch wenigstens 14 Tage und die letzten Tage des Juni hoffe ich in deinen Armen zu liegen.«[700]


Weber ließ es sich, da er sich einigermaßen leichter fühlte, nicht nehmen, wie erwähnt, in Miß Paton's Benefiz, am 30. Mai, die Freischütz-Ouverture zu dirigiren, kam aber so erschöpft, fiebernd und vor Athemlosigkeit ganz außer sich nach Haus, daß er noch dieselbe Nacht Fürstenau und den Freunden versprach, sein Benefiz aufzugeben und nichts mehr zu dirigiren. Der Entschluß stimmte ihn wieder ganz heiter, da er ihn der Abreise näher förderte. Sein ganzes Wesen ging aber, mit Abstreifung aller irdischen Interessen, in Sehnsucht und Liebe auf.

Von diesem Augenblicke an füllte nur ein Gedanke noch seine Seele: Heim zu den Meinen, sie nur noch einmal, ein einzigmal sehen!

Dieß mächtige Gefühl steigert sich im Ausdruck seiner Briefe bis zum letzten, der schwer ohne Thränen zu lesen ist, oft durchblitzt von einem tiefen, rührenden Hoffnungsleuchten. So schreibt er am 26. Mai:


»etc. Wie ihr mich empfangen sollt? Ach um Gotteswillen ganz allein. Laßt Niemanden meine reine Freude stören, mein Weib, meine Kinder, und meine besten Freunde, die ersten Augenblicke zu genießen. Ach die Sehnsucht, die ich nach diesem Augenblicke und meiner Ruhe empfinde ist für Euch unbegreiflich und räthselhaft! etc.«


Und später:


»Nun Gott lob geht es ja mit Gewalt aufs Ende los, so daß ich dir baldigst geliebte Verbote werde zurufen können. O Gott wie glücklich will ich sein, wenn ich erst in meinem Wagerl sitze! –«


Am 1. Juni hatten sich seine Athembeschwerden so gesteigert, daß jeder Athemzug mit einem Hochaufwogen der Brust begleitet war, jede Bewegung brachte ihn außer sich. Dr. Kind erklärte seinen Zustand gegen die Freunde für bedenklich. Fürstenau erbot sich, bei ihm zu wachen, was er mit den Worten ablehnte: »Ich bin nicht so krank, als ihr mich macht!« Er verbot sich auch das Schlafen von Smart's Diener im Nebenzimmer. Dr. Kind legte ihm ein handgroßes Blasenpflaster auf die Brust, um ihm Linderung zu verschaffen, und in der[701] That war die Nacht, wie er in seinem Tagebuch sagt: »sehr süß«. Tags darauf setzte er seine Abreise auf den 6. fest, besprach seine Geldangelegenheiten sehr ausführlich mit Göschen, bat ihn, verschiedene Einkäufe an Geschenken für die Seinen, die Freunde in Dresden etc. zu machen. Auf das Andringen der Freunde, Besserung abzuwarten ehe er reife, entgegnete er eifrig und wurde immer heitrer, wenn er ihre Gründe besiegt zu haben glaubte. »Ich muß fort,« sagte er, »zu den Meinigen! Sie noch einmal sehen und dann geschehe Gottes Wille! –.« Den ihn am 3. Juni besuchenden Moscheles fragte er wiederholt um Aufträge nach Deutschland und dankte ihm in rührender Weise für die ihm erzeigte Freundschaft in London.

Den kranken Mann reisen zu lassen, schien den Freunden unmöglich. Er konnte nicht mehr stehen ohne heftigen Krampf zu fühlen und sprach doch nur von der Reise, obgleich er selbst eine von Smart vorgeschlagene Spazierfahrt, wegen heftiger Diarrhöe, gegen die kein Mittel mehr anschlug, ablehnen mußte.

Nur schwer willigte er in eine Consultation von Aerzten über seinen Zustand und schloß mit den Worten: »Ich reise aber, falle sie aus wie sie wolle!«, und fuhr fort, mit Fürstenau sich über die Reise zu besprechen. Nichts, nichts lebte mehr in seiner Seele, als der Gedanke: »Fort! heim!«

In diesem Zustande schreibt er am 2. Juni seinen letzten Brief an Caroline. Die zitternden, ungleichen Schriftzüge sagen:

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 700-702.
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