Ueber: »Cendrillon«,

[28] Oper von Isouard.


(München 15. Mai 1811.)


Am 7. Mai gab man zum ersten Male Aschenbrödel (Cendrillon). Oper und drei Akten von Nicolo Isouard de Malthe.

Der ausgezeichnete Erfolg, mit welchem diese Oper in Paris gegeben wurde, bestimmte schnell das nach Fremdem haschende deutsche Publikum, sich auch dieses Produkt anzueignen, und unter die darin wetteifernden Bühnen gehörte auch die unsrige, die es den 15. Dez. auf's Theater brachte.

Wenn man weiß, daß diese ganze Oper blos wegenMlle. St. Aubin geschrieben wurde, und daher so ganz auf ihre Individualität berechnet ist, daß man keine Nüance, sie in ihrem vortheilhaftesten Lichte zu zeigen, vergaß, daß alle ihre Umgebungen karrikirt wurden, um dadurch den Abstand zwischen jenem anspruchlosen Wesen, für das man sich schon wegen des Druckes, unter dem es lebt, und der nicht stark genug hervorgehoben werden kann, interessirt – desto größer und ergreifender zu machen, – wenn man weiß, daß nebst dem Theater-Pomp, mit dem die Oper gegeben wurde, auch alle lokale Hülfsmittel ergriffen wurden, das reizbare Pariser Parterre zu entflammen, so kann man sich wahrlich denken, warum dieses Werk eine so enthusiastische Aufnahme erhielt.

Der Componist besonders hat auch seiner Seits nicht ermangelt, Alles zu benutzen, wovon er sich ein Applaudiren versprechen konnte.[28] Der größte Beweis davon ist die Ouverture, die blos auf den bekannten Harfenspieler Casimir und den Hornisten Duvernoys berechnet ist, denn wären wohl sonst die im Ouverturen-Style ganz unwürdigen Cadenzen und kleinlichen Nüancen (die aber gewiß durch beide Spieler noch verziert und erhoben werden) zu verzeihen?

Ueberhaupt hat der Componist am wenigsten gethan, um die Oper zu erheben; beinahe alle Musikstücke bestehen aus abgedroschenen Sätzen, die durch eine unbehülfliche Instrumentirung noch mehr in's Licht gesetzt werden.

Der Haupt-Moment im zweiten Akte, wo jede Schwester die andere zu übertreffen sucht, hätte durch allen Zauber der Melodie und Instrumentirung bei Aschenbrödels Romanze so herausgehoben werden müssen, daß er wie ein glänzender freundlicher Stern über den Talenten der Andern schwebte. In seiner gegenwärtigen Gestalt aber ist es eine unbedeutende Melodie, von der man gar nicht die hinreißende Wirkung begreifen kann, die sie hervorbringen soll, und ohnstreitig ist der Bolero, den die Schwester singt, gehaltvoller und ergreifender.

Am gelungensten ist ohnstreitig das Duett zwischen dem König und Aschenbrödel im dritten Akte, welches als eine leidenschaftliche Situation dem Componisten freilich auch den meisten Stoff lieh, und das er besonders glücklich – durch die darin verwebte Melodie des vorerwähnten Liedchens im zweiten Akte, durch das sie des Prinzen Liebe gewann, und welches Bild sie ihm gleichsam hier wieder zurückruft – zeichnete. Nächstdem ist das erste Duett zwischen den beiden Schwestern das Charakteristischste. Beide im wonnigen Uebermuthe, und trunken von dem Glücke, das ihrer harret, bewegen sich in durchkreuzenden Läufern und Passagen, und indem jede, sich selbst bewundernd, ihre Talente auskramt, ruft sie nur manchmal ihre Schwester auf, ihr den schuldigen Tribut des Beifalls zu zollen. Die Romanzen der Cendrillon im ersten Akte und des Königs sind – französische Romanzen – und die übrigen Musikstücke sind so unbedeutend, gehaltlos – und ohne Wirkung, daß der musikalische Theil der Oper gewiß nirgends ihr Glück gründen wird.[29]

Im Ganzen gelang die Vorstellung ziemlich gut. Aschenbrödel bot Alles auf diese Rolle mit all dem ihr eignen Interesse zu geben. Sie spielte das bei inniger Herzensgüte und reiner unverdorbener Seele, gleichwohl unbeholfene, bildungslose Mädchen mit vieler Wahrheit und Naivität. – Md. Harlas als Clorinde, und F. v. Fischer als Thisbe, bezeichneten, besonders Erstere, das Alberne eines hochtrabenden Ahnendünkels in vielen Stellen sehr treffend; doch würde Thisbe im Duett des ersten Aktes ihr Spiel weit mehr und richtiger charakterisirt haben, hätte sie es im Contraste zu der Singprobe ihrer Schwester, durch geeigneten Tanz – wozu sie sich selbst die Melodie trillert – mehr markirt – und emporgehoben. Herr Muck als Montefiascone war diesmal ganz in seiner Sphäre; weit weniger Herr Mittermayer als Ritter Dandini. Sein Fleiß verdient gerechtes Lob, doch fehlt seinem Vortrage in dergleichen Rollen noch die erforderliche Gewandtheit. Romiro, Herr Weichselbaumer, sang vorzüglich das Duett mit Aschenbrödel im dritten Akte mit Ausdruck und Bewegung.

Das Ballet zu Anfang des zweiten Aktes glich mehr einem vorbereiteten Hoffeste, als einer Feenscene. Bei einer leichten wolkichten Decoration würden die Tänze weit ätherischer geschienen, und den Charakter von sanft umgaukelnden Träumen gewonnen haben.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 3, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 28-30.
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