Einleitung.

Das kunstliebende, in erster Linie das musikalische Wien beging in diesen Tagen eine schöne, selbst unter der Tragik des Augenblickes noch herzerfreuende und bedeutsame Feier: die Enthüllung des langersehnten Denkmales Wolfgang Amadeus Mozart's.

Dankbare Enkel hatten endlich die Ehrenschuld eingelöst, die, von den Grossvätern und Vätern auf sie gekommen, lange genug auf ihnen gelastet; und eine glänzende Versammlung, den Kaiser und die Prinzen seines erlauchten Hauses an der Spitze, hatte sich am 21. April 1. J. zusammengefunden, das aus der Hülle emportauchende Marmorbild des Meisters der Töne zu begrüssen, allein der Gruss klang gedämpft, und wenngleich würdig, so doch wehmuthsvoll und ernst, und der laute, begeisterte und begeisternde Jubel, der sonst dem vollendeten Werke den ersten Willkomm geboten hätte, verstummte vor dem kaum geschlossenen Grabe des Schöpfers des Mozart-Denkmales, der in vollster Lebensfrische, plötzlich und Allen unerwartet, dem Leben und der Kunst entrissen worden war.1 Ganz Wien stand unter dem Banne des Verlustes und dieser Bann verlieh der Enthüllungsfeier jenes einzige Gepräge doppelter Weihe. Galt es doch einen todten Unsterblichen und einen unsterblichen Todten zu ehren.

[1] Festgedichte, Festschriften sind anlässlich der Enthüllung des Mozart-Denkmales erschienen und suchten den Glanz des Weiheactes zu erhöhen. Auch die vorliegende Arbeit verfolgt einen ähnlichen Zweck. Aber weitaus entfernt, die unbestrittene Bedeutung Mozart's für das Kunstleben überhaupt und für die Musik und ihre Entwicklung im Besonderen zum so und so vielten Male erläutern oder das oft beschriebene und sonach genügsam bekannte Leben und Leiden des Meisters von sogenannten neuen Gesichtspunkten aus schildern zu wollen, beschränkt sie sich darauf, historische und statistische Daten zu bieten, die auf den ersten Anschein wohl kalt und nüchtern, dennoch unter den Augen des wahren Mozart-Freundes sich beleben können, um glänzende Bürgschaft dafür zu bieten, dass Wien, wenn es auch bislang kein entsprechend würdiges Denkmal2 des »Meisters aller Meister« besass, doch zu [2] allen Zeiten unentwegt in treuer Verehrung dessen Werke gehütet und gepflegt hat und dass vor Allem die Wiener Hoftheater – seit 1810 ausschliesslich das k.k. Hofoperntheater – nie vergassen, dem Genius Mozart's in seinen Werken zu huldigen. Mozart und die Wiener Hoftheater. Wir schreiben keine Geschichte ihrer Wechselbeziehungen, aber wir liefern die Quellen für eine solche, indem wir erschöpfende statistische Daten über die Aufführungen der Werke des grossen Salzburgers an den Wiener Hofbühnen mittheilen und an die bedeutendsten Kunstkräfte erinnern, die im Laufe der Jahre berufen waren, Mozart's Tondichtungen hier zu interpretiren.

Wie wir selbst von Mozart denken? Zwei der hervorragendsten Fachmänner haben das Wort, sie schrieben nach unserem Herzen:

»So lange in der Musik Originalität, Reichthum, Schwung, Feuer der Empfindung, Anmuth, Innigkeit, Kraft der Melodie, Wohllaut und Neuheit der Harmonie, vollendete dramatische Charakterzeichnung, tiefe Kenntniss der musikalischen Architektonik und überall herrschendes Maass dem Componisten Anspruch auf dauernden Ruhm gewähren, darf man um die Unvergänglichkeit des Namens Wolfgang Amadeus Mozart nicht besorgt sein« – sagt [3] der bekannte Musikschriftsteller Dr. Ludwig Ritter von Köchel in dem Vorworte zu dem von ihm herausgegebenen chronologisch-thematischen Verzeichnisse sämmtlicher Tonwerke Mozart's und gibt hiedurch der Anschauung aller Musikfreunde über den alle Zeiten durchdauernden Werth der Schöpfungen des grössten Sohnes Salzburgs beredten Ausdruck. Denn mag auch immerhin, um mit Dr. Eduard Hanslick zu sprechen, »der glänzende Irisbogen Mozart'scher Opern auf keiner einzigen Bühne mehr vollständig strahlen, mögen ›Idomeneus‹ und ›Titus‹ nahezu verschollen sein, die ›Entführung aus dem Serail‹ und ›Cosi fan tutte‹ nur in längeren Zwischenpausen erscheinen. ›Figaro's Hochzeit‹, ›Don Juan‹ und die ›Zauberflötte‹ bilden bis heute die Grundpfeiler jeder deutschen Opernbühne und die Zierden der ausländischen vom ersten Range. Vor ihnen fliesst die Bewunderung der Kenner mit dem Entzücken des Publikums vollständig zusammen und ihre Wirkung ist selbst bei schwächerer Darstellung gross, sicher, unausbleiblich«.

Fußnoten

1 Victor Tilgner starb am Morgen des 16. April 1896


2 Das erste Erinnerungszeichen liess am Grabe Mozart's am 30. Jänner 1844 die berühmte Sängerin Maria Anna von Hasselt-Barth errichten. Dasselbe bestand aus einem Granitwürfel, in welchem der Name des Meisters und die Worte: ›Jung gross, spät erkannt, nie erreicht‹ eingemeisselt waren. Anlässlich des hundertsten Geburtstages Mozart's beschloss der Wiener Gemeinderath dessen vergessenes Grab mit einem Denkmal zu schmücken und betraute mit der Ausführung desselben den Bildhauer Hans Gasser. 1859 wurde das einfache, aber künstlerisch fein componirte Denkmal am St. Marxer Friedhofe aufgestellt; seit einigen Jahren befindet es sich auf dem Centralfriedhofe auf dem den berühmten Todten eingeräumten Platze in nächster Nähe Beethoven's und Schubert's. Die eigentliche »Wiener Mozart-Denkmalfrage« wurde am 23. Februar 1883 durch den Dichter Ludwig August Frankl angeregt, der, als unmittelbar nach dem Ableben Richard Wagner's in Wien eine Agitation zur Schaffung eines Wagner-Denkmal's eingeleitet wurde, in einem »Merks Wien« überschriebenen, in der »Neuen Freien Presse« veröffentlichten Gedichte vorerst für Mozart die »Ehre eines Denkmales« forderte. Dieser Aufruf veranlasste die Bildung eines grossen Mozart-Denkmal-Comités, das nunmehr nach dreizehnjähriger Thätigkeit am Ziele seiner Bestrebungen steht. Fast zehn Jahre nach Frankl's poetischer Anregung, am 8. September 1892, schrieb der Verfasser dieser Zeilen im ›Fremdenblatt‹: ›Während Wien in Bälde die zehnte Wiederkehr jenes Tages feiern kann, an welchem die Errichtung eines Denkmales für den unsterblichen Schöpfer des »Don Juan« in der alten Kaiserstadt an der Donau zum erstenmale angeregt wurde, hätte Salzburg am 4. d. den Tag festlich begehen können, an welchen vor fünfzig Jahren Mozart's Standbild dortselbst enthüllt wurde. Am 4. September 1842 fiel von dem Denkmale Mozart's in Salzburg die Hülle. Aus der Meisterhand Ludwig Michael Schwanthaler's (geboren zu München 26. August 1802, gestorben dortselbst 15. November 1848) hervorgegangen, von dem Inspector Stiegelmayer in Erz gegossen, war das Mozart-Denkmal in Salzburg das erste Monument, welches die dankbare Nachwelt dem unvergänglichen Meister der Töne weihte. Seither sind zahlreiche Mozart-Denkmale entstanden und sie legen beredtes Zeugnis für die Verehrung ab, welche die musikalische Welt dem grossen Sohne Salzburgs entgegenbringt. Die Mozart-Denkmal-Enthüllungs feier in Salzburg am 4. September 1842 bot Anlass zur Veranstaltung verschiedener Festlichkeiten durch drei Tage. Am ersten Festtage weckten 25 Pöllerschüsse früh Morgens die Bewohner Salzburgs, um 9 Uhr fand im Dome ein Hochamt statt, wobei Mozart's Messe in C unter Direction Neukomm's und unter Mitwirkung Mad. v. Hasselt-Bart's, der Opernsänger Selz und Staudigl, der Violinisten Pott und Pixis zur Aufführung gelangte. Nach der kirchlichen Feier bewegte sich der Festzug nach dem Denkmalplatze. Ritter v. Neukomm hielt die Festrede, die mit den Worten schloss: »Nun falle die Hülle und Mozart's Bild strahle fort, ehrend und geehrt bis in die spätesten Zeiten.« Pöllerschüsse, Trompetengeschmetter und der Jubelruf der Menge begrüssten das enthüllte Standbild. Wolfgang Mozart, der Sohn des Meisters, dirigirte hierauf eine nach Motiven seines Vaters arrangirte Festkantate, nach deren Schluss der Kreishauptmann Graf Chorinsky dem Bürgermeister von Salzburg die Schenkungsurkunde des Denkmals übergab. Ein Dankspruch des Letzeren und die Aufführung eines Chores aus »Titus« beschlossen die eigentliche Enthüllungsfeier, an welcher ausser zahlreichen Vertretern der Kunst-und Musikwelt Ihre Majestäten die Kaiserin Karolina Augusta, König Ludwig und Königin Therese von Bayern, Cardinal – Fürsterzbischof Schwarzenberg, Erzbischof Ladislaus v. Pyrker, dann Mozart's Söhne Wolfgang und Karl theilnahmen.‹


Quelle:
Albert Josef Weltner: Mozart's Werke und die Wiener Hof-Theater. Wien 1896, S. 5.
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