Pilchard (Alausa Pilchardus)

[316] Wichtiger als Maifisch und Finte ist eine andere Alse, der Pilchard oder die Sardine (Alausa Pilchardus, Clupea Pilchardus und Sardina, Clupanodon Pilchardus und Sardina), ein im Ansehen dem Häringe ähnelnder, aber kleinerer und dickerer Fisch von achtzehn bis zwanzig, höchstens fünfundzwanzig Centimeter Länge, auf der Oberseite bläulichgrün, auf der Seite und am Bauche silberweiß gefärbt, auf den Kiemendeckeln goldig schimmernd und dunkler gestreift, mit achtzehn Strahlen in der Rücken-, sechzehn in der Brust-, acht in der Bauch-, achtzehn in der After- und neunzehn in der Schwanzflosse.

Der Pilchard, welcher hauptsächlich dem Westen Europas angehört, findet sich häufig im Süden von England und längs der ganzen französischen und nordspanischen Küste bis gegen die Meerenge von Gibraltar hin. An der Küste von Cornwall hält er sich das ganze Jahr, jedoch bald in tieferem, bald in seichterem Wasser auf. Auch von ihm glaubte man früher, daß er nur ein Wanderfisch sei und aus den hochnordischen Meeren in die südlicheren ziehe, während man neuerdings durch sorgfältigere Beobachtungen seine Lebensweise besser feststellen konnte und sich nunmehr für berechtigt halten darf, von ihr aus auf die des Härings zu schließen. Nach Couch leben die Pilchards im Januar verhältnismäßig vereinzelt auf dem Grunde des Meeres, vereinigen sich aber gegen den März hin in Heere, welche sich bald auflösen, bald wieder sammeln und bis zum Juli in einer gewissen Verbindung bleiben. Die Fülle an Nahrung auf einer bestimmten Stelle des Meeres und die Fortpflanzung tragen zu diesen Vereinigungen und ebenso zu den wirklichen Bewegungen, welche das Heer ausführt, wesentlich bei. Der Pilchard gehört zu den gefräßigsten Fischen, verzehrt jedoch fast nur kleine Kruster, vorzugsweise eine zwerghafte Garnele, von welcher man oft viele tausende in dem bis zum Platzen gefüllten Magen findet. Ihr zu Gefallen hält er sich auf dem Boden des Meeres und durchsucht nach Art der Karpfen den Sand oder die Lücken zwischen Steinen in seichtem Wasser. Glaubwürdige Fischer erzählen, zuweilen Myriaden von Pilchards in solcher Weise beschäftigt gesehen zu haben. Daß unser Fisch auch anderes Gethier nicht verschmäht, läßt sich mit Bestimmtheit annehmen: er beißt an Angeln, welche mit Würmern geködert wurden, oder läßt sich durch Auswerfen von Stockfischroggen herbeilocken. Seine Laichzeit fällt in die Herbstmonate; doch findet man in einzelnen Jahren bereits im Mai viele laichfähige Pilchards, kann also von einer streng bestimmten Fortpflanzungszeit eigentlich nicht sprechen.

An den britischen Küsten betreibt man eine bedeutende Fischerei auf den Pilchard. Nach Couch wurden im Jahre 1827 allein in Cornwall gegen vierhundert Boote ausgerüstet und mehr als zehntausend Leute durch den Fang beschäftigt. Zuweilen nimmt man mit einem großen Zuge [316] unglaubliche Massen auf einmal aus dem Wasser. Ein Fischer erzählte unserem Gewährsmanne von einem Fischzuge, bei welchem er zugegen gewesen war, und welcher zweitausendundzweihundert Oxhoft oder Tonnen Pilchards ergeben hatte; ja, man kennt ein Beispiel, daß mit einem Zuge zehntausend Oxhoft oder annähernd fünfundzwanzig Millionen dieser Fische gefangen wurden. Die Fischerei selbst hat vieles eigenthümliche, weil man nur die wenigsten Pilchards während der Laichzeit fängt, die größere Masse hingegen vom Grunde heraufholt. Es handelt sich also darum, auf das genaueste die Gegend zu erforschen, in welcher sich gerade ein Heereszug aufhält, und ihm nun den Weg abzuschneiden, ohne ihn zu verscheuchen. In gewisser Beziehung erinnert der Fang mit den großen Grundnetzen, welche man mit bestem Erfolge anwendet, an die Tunfischerei; denn hier wie da hängt alles von der Geschicklichkeit und Einsicht des Fischers ab, und hier wie da muß dieser zu den verschiedensten Mitteln seine Zuflucht nehmen, um sich seiner reichen Beute zu versichern. Viele Pilchards werden eingesalzen, die große Mehrzahl aber, nachdem sie wenige oder geraume Zeit in der Sulze gelegen, noch in Oel gekocht, mit diesem in blecherne Büchsen gelegt und als Sardinen in den Handel gebracht. Frankreich allein führt jährlich über zehn Millionen solcher Büchsen oder etwa zweihundert Millionen derartig zubereiteter Fische aus.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 316-317.
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