Kabeljau (Gadus morrhua)

[175] Drei Rücken- und zwei Afterflossen, die bestimmt von der letzten Rücken- und zweiten Afterflosse geschiedene Schwanzflosse und ein Bartfaden an der Spitze der Unterkinnlade kennzeichnen die Sippe der Schellfische (Gadus) und somit auch den Kabeljau oder Dorsch, Dösch, Pomuchel und Pamuchol (Gadus morrhua, callarias, ruber und Ogat, Morrhua vulgaris und callarias, Asellus major und varius), einen Fisch von einem bis anderthalb Meter Länge und bis vierzig Kilogramm Schwere, auf grauem Grunde mit kleinen gelblichen Flecken getüpfelt, längs der Seitenlinie weiß gestreift, auf dem lichten Bauche ungefleckt, mit zehn bis funfzehn Strahlen in der ersten, sechzehn bis zweiundzwanzig in der zweiten, achtzehn bis einundzwanzig in der dritten Rückenflosse, zwanzig in der Brustflosse, sechs in der Bauchflosse, zwanzig bis dreiundzwanzig in der ersten, sechzehn bis neunzehn in der zweiten Afterflosse und sechsundzwanzig in der Schwanzflosse.

Der Kabeljau, von den Spaniern ursprünglich Bacalao, von den Holländern, Schweden, Norwegern und Dänen Babelau, von letzteren auch Torsk, von den Franzosen Cabillaud, den Italienern Baccalare und den Engländern Cod genannt, bewohnt das Atlantische Meer vom vierzigsten Grade nördlicher Breite an und ebenso das Eismeer bis zum siebzigsten Grade hinauf, das eine wie das andere in allen seinen Theilen, wie es scheint, auch annähernd in gleicher Menge. In der Ostsee wird er durch eine Spielart ersetzt; wenigstens nehmen die skandinavischen Forscher, denen man wohl die genaueste Kenntnis des Fisches zutrauen darf, übereinstimmend an, daß der Dorsch (Morrhua callarias) nichts anderes ist. Im Mittelländischen Meere fehlt er gänzlich; ausnahmsweise nur verirrt er sich bis in die Breite Südspaniens.

Als die eigentlichen Aufenthaltsorte des Kabeljaues müssen die tiefsten Gründe der genannten Meere gelten; denn seine Einwanderungen in den seichteren Buchten oder sein Ansammeln über verhältnismäßig flachliegenden Bänken, wie die von Neufundland und Rockall es sind, geschieht einzig und allein der Fortpflanzung halber. Aber auch dann noch meidet er seichte Stellen des Meeres, wählt sich vielmehr am liebsten eine Tiefe von fünfundzwanzig bis vierzig oder funfzig Faden zum Ablegen seiner Eier aus. An Fruchtbarkeit wird er schwerlich von irgend einem anderen [175] Fische übertroffen: Leeuwenhoeck behauptet, in einem Roggener gegen neun Millionen Eier gefunden zu haben; Braydley schätzt die Anzahl derselben wenigstens auf vier Millionen. Die Laichzeit fällt auf der östlichen Seite des Atlantischen und des Eismeeres in die frühe Jahreszeit, in den Februar nämlich, und schon vom Anfange des Januar annähern sich die Kabeljaus hier den Küsten; auf der Westseite derselben Meere hingegen tritt sie erst später, im Mai und Juni, ein, unzweifelhaft deshalb, weil hier der Golfstrom seine belebende und zeitigende Wärme nicht äußert.


Schellfisch (Gadus aeglesinus), Wittling (Gadus merlangus), Dorsch und Kabeljau (Gadus morrhua). 1/6 natürl. Größe.
Schellfisch (Gadus aeglesinus), Wittling (Gadus merlangus), Dorsch und Kabeljau (Gadus morrhua). 1/6 natürl. Größe.

Ein halbes Jahr später haben die Jungen etwa zwanzig Centimeter an Länge erreicht; im dritten Jahre sind sie fortpflanzungsfähig geworden. Die laichenden Fische erscheinen in unschätzbarer Menge, wie die Norweger bezeichnend sagen, in Bergen, d.h. in dicht gedrängten Heeren, welche mehrere Meter hoch über einander schwimmen und einen Raum von einer Seemeile und mehr einnehmen, ziehen der Küste oder der Sandbank zu, treiben sich auf derselben mehrere Tage umher, werden beständig durch neue ersetzt und verlieren sich dann allmählich wieder. An der nordamerikanischen Küste beeinflussen zwei Thiere, der Kapelan und eine Tintenschnecke, die Heerzüge. Ersterer besucht dieselben Oertlichkeiten, um zu laichen, und dient dann den überaus gefräßigen [176] Kabeljaus fast zur ausschließlichen Nahrung; letztere drängt sich heran, wenn jener sich entfernt, als ob sie bestimmt wäre, seine Stelle zu vertreten und sich nun von den Kabeljaus fressen zu lassen.

Während der Laichzeit findet der Fang statt: die Gefräßigkeit des Kabeljau macht ihn in so hohem Grade ergiebig. Der Fisch, dessen Nahrung in Fischen, Krebsen und Muscheln besteht, frißt alles, was er bewältigen zu können meint, schnappt wenigstens danach, ja selbst nach vollkommen ungenießbaren Dingen, falls sie nur glitzern oder sonstwie seine Aufmerksamkeit erregen. In der Ostsee erscheint der Dorsch stets da, wo der Häring auftritt, füllt seinen ewig verlangenden Magen nöthigenfalls aber auch bis zum Bersten mit Stichlingen an, sammelt Schal-, Weich- und Krebsthiere, verschlingt selbst Tang und Seegras und verschont selbstverständlich auch seine eigenen Jungen nicht.

Zu seinem Fange wendet man an der norwegischen Küste Netze an; an allen übrigen Stellen dagegen gebraucht man nur die Grundschnur und die Handangel, welche beide auch auf den Lofodden eine sehr bedeutende Rolle spielen. Die Grundschnur ist eine starke Leine von etwa zweitausend Meter Länge, an welcher sich gegen zwölfhundert Angelschnuren und an ihnen Angeln befinden. Sie wird ausgeworfen und von je sechs zu sechs Stunden emporgeholt, der Fang ausgelöst, die bezügliche Anzahl Angeln wiederum geködert und die Schnur von neuem gelegt. Währenddem beschäftigen sich die Fischer mit Handangeln, von denen sie je eine in die Hand nehmen, rasch emporziehen, wenn sie merken, daß etwas sich gefangen, und sofort wieder in die Tiefe versenken. Bei der unschätzbaren Anzahl der Fische ist es nichts seltenes, daß jeder einzelne Mann der Besatzung eines Bootes täglich zwischen drei- bis vierhundert Stück erbeutet. Nebenbei wird der Fang der Kapelans und Tintenschnecken oder an anderen Orten der Häringe eifrig betrieben, weil man deren Fleisch als Köder benutzt. In Ermangelung solcher kleinen Fische dienen auch die Eingeweide der gefangenen Kabeljaus zu gleichem Zwecke.

Sofort nach dem Fange beginnt die Zubereitung der Beute. Man schneidet zunächst die Köpfe ab und wirft sie beiseits in besondere Tonnen oder Bottiche, weidet hierauf die Fische aus und theilt sie mit einem einzigen rasch und geschickt geführten Schnitte bis zur Schwanzflosse in zwei Hälften, sehr große auch wohl in vier Theile. Die Leber kommt in ein besonderes Faß, der Roggen in ein anderes; die übrigen Eingeweide werden sofort zerschnitten und entweder sogleich oder doch bald als Köder verwendet. Während des Winterfanges bereitet man, auf den Lofodden wenigstens, zuerst nur Stockfische zu. Jedes größere Schiff führt eine beträchtliche Anzahl von Gabeln und Stangen mit sich und vermehrt mit deren Hülfe die am Lande feststehenden Gerüste. An ihnen nun hängt man die im Meerwasser ausgewaschenen, bis auf die Schwanzflosse getheilten Kabeljaus zum Trocknen aus, auf den meisten Inseln unter freiem Himmel, hier und da auch wohl in überdachten Schuppen, welche dem Luftzuge kein Hindernis bieten. An diesen Gerüsten trocknet der Fisch ganz allmählich ein; bei einigermaßen ungünstiger Witterung sieht man sie noch im Juli beladen. Erst nachdem der Stockfisch klapperdürr geworden, bringt man ihn in die Speicher, bündelweise wie Reisig, und schichtet ihn hier bis zur Abnahme haushoch über einander. In besonders glücklichen Jahren, wenn alle Gerüste rasch sich bedecken, bereitet man aus den zuletzt gefangenen Kabeljaus Klippfische. Zu diesem Ende werden jene längs des Rückgrates getheilt und entweder erst einige Tage in großen Bottichen gesülzt und sodann auf den Klippen zum Trocknen ausgebreitet, oder hierselbst mit Salz bestreut. Hat man Fässer genug, so richtet man einen guten Theil der Beute zu Laberdan zu, d.h. schichtet die zertheilten Fische reihenweise in Fässern auf, bringt zwischen jede Lage eine Schicht Salz und schließt die Tonnen, sobald sie gefüllt sind. Im nördlichen Norwegen oder in Finnland erscheinen während des Fanges regelmäßig russische Schiffer aus Archangel, welche nach guter russischer Art alle Tonnen verschmähen und die von ihnen erkauften Kabeljaus nebst anderen Fischen ohne weiteres im Raume ihres Fahrzeuges aufschichten, einsalzen und mit den Juchtenstiefeln feststampfen.

Die Köpfe werden in Norwegen fast ausschließlich als Viehfutter benutzt; die Lebern schüttet man nach Beendigung des Fanges in große Bottiche, welche zum Leidwesen der feinsinnigen Südländer [177] oft inmitten der Städte aufgestellt werden und beim Faulen ihres Inhaltes unerträglichen Gestank verbreiten. Das aus ihnen sich sondernde ölige Fett, der Leberthran, wird von Zeit zu Zeit abgeschöpft, durch Seihen gereinigt und, seiner Güte entsprechend, in verschiedene Fässer gefüllt. Am besten ist, wie leicht erklärlich, derjenige, welcher wenige Tage nach Beginn der Fäulnis gewonnen wird, am schlechtesten der Rest, welchen man durch Kochen erlangt.

Nach der eigentlichen Fangzeit erbeutet man auf den Lofodden noch fortwährend Kabeljaus oder, wie man dort sagt, Dorsche und bereitet sie, je nach der Witterung, auf diese oder jene Weise. Ueber den Fang auf der Neufundlandsbank braucht nach dem vorstehenden nichts weiter gesagt zu werden, da er oder die Bereitung der Kabeljaus im wesentlichen auf denselben Grundsätzen beruht.

Im Jahre 1861 wurden auf den Lofodden von mehr als zwanzigtausend Menschen, welche gegen fünftausend Fahrzeuge bemannten, über neun Millionen Kabeljaus getrocknet, ebenso viele zu Klippfischen und Laberdan bereitet und gegen eine Million frisch gegessen; im Jahre 1877 betrug die Ausbeute über fünfundzwanzig Millionen. Der Fang auf der Neufundlandsbank lieferte, nach Cornak, schon im Anfange dieses Jahrhunderts über dreihundert Millionen Stück, ungerechnet die hundert Millionen, welche man im Lorenzgolfe erbeutete. Gegenüber diesen Erträgen erscheinen die des Fanges in den deutschen Meeren höchst unerheblich. An der friesischen Nordseeküste erbeutet man jährlich kaum mehr als sechstausend Stück Kabeljaus; in der Ostsee beginnt man erst neuerdings dem oft in namhafter Menge auftretenden Dorsche die Aufmerksamkeit zuzuwenden; doch ist seine Fischerei auch hier noch keineswegs von Bedeutung. Der Preis des Kilogramms seines Fleisches schwankt an unseren Küsten zwischen sechs und dreißig Pfennigen.

Ueber die Zukunft des Fanges läßt sich mit Bestimmtheit schwerlich ein Urtheil abgeben; doch darf man vielleicht glauben, daß in ebendemselben Grade, wie die Bildung zunimmt, weniger Kabeljaus zu Stock- und Klippfischen werden bereitet werden. Der Stockfisch verdankt, wie oben bemerkt, seine hauptsächlichste Bedeutung den Fastenvorschriften der katholischen Kirche. Nun gibt es allerdings einzelne Liebhaber eines Gerichtes Stockfische; sie aber sind selten, selbst in den streng katholischen Ländern, und der größte Theil aller derer, welche sich jetzt herbeilassen, an den vorgeschriebenen Tagen Stockfisch zu genießen, würden ihren Küchenzettel sofort ändern, wenn sie es thun dürften. So lange in Spanien die Inquisition in Blüte stand, wagte es niemand, an einem Fasttage Fleisch von Säugethieren oder Vögeln zu genießen; als man jedoch im Jahre 1825 die Erlaubnis ertheilte, Sonnabends Fleisch essen zu dürfen, verminderte sich die Einfuhr der Stockfische von achtmalhundert- auf dreimalhunderttausend Centner. In anderer Hinsicht wird sich der Fang des Kabeljau und seiner Verwandten aber auch wiederum heben und verallgemeinern. Man wird beispielsweise auch an unseren deutschen Küsten mit denselben Booten, welche die Engländer und Holländer schon seit Jahren benutzen, zum Fischfange in See gehen, die erbeuteten Kabeljaus oder Dorsche in dem durchlöcherten, mit Wasser gefüllten Mittelraume des Schiffes aufbewahren, lebend bis in den Hafen führen und von hier aus rasch in das Innere des Landes versenden, um den Binnenbewohnern jederzeit ein treffliches und billiges Nahrungsmittel zu bieten. Denn ebenso schlecht wie getrocknetes oder eingesalzenes, so schmackhaft ist das frische Fleisch des Kabeljau und daher auf allen Fischmärkten der Seestädte so geschätzt und beliebt.

Yarrell erzählt, daß man in verschiedenen Theilen Schottlands gefangene Kabeljaus längere Zeit in Salzwasserteichen gehalten und gute Erfolge erzielt habe. Während der Fischerei brachte man nach und nach diejenigen gefangenen, welche nicht zu sehr verletzt waren, in die betreffenden Becken, fütterte sie hier mit allerlei Muscheln und Schalthieren und gewöhnte sie bald so an den engen Raum, daß sie anscheinend sehr wohl sich befanden, Zeit und Stunde der Fütterung kennen lernten und ihre hungerigen Mäuler aus dem Wasser streckten, wenn der Wärter sich nahete. Ein Kabeljau soll zwölf Jahre in gedachtem Teiche ausgehalten haben. Nach Erfahrungen an Dorschen, welche ich selbst pflegte, halte ich vorstehende Angaben durchaus für glaubwürdig. Kein Seefisch gewöhnt sich leichter an die Gefangenschaft im engeren Raume, keiner geht mit weniger [178] Umständen an das Futter, keiner frißt mehr, keiner wächst rascher als der Kabeljau. Hält man das Wasser seines Beckens kühl genug, reicht man ihm hinlängliche Nahrung, so gedeiht er nicht nur vortrefflich, sondern dauert auch mehrere Jahre selbst in einem für ihn offenbar zu engen Gewahrsame aus.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 175-179.
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