Gamma, Ypsiloneule (Plusia gamma)

[415] Das Gamma, die Ypsilon-Eule (Plusia gamma), gehört zu den Arten, deren Vorderflügel ein dicker Silberbuchstabe in Form des griechischen γ (gamma) auszeichnet und dürfte gleichzeitig die gemeinste und verbreitetste von allen sein; denn sie fliegt auch in Nordamerika. – Das Gamma begegnet uns in Feld und Wald, auf Wiesen und in Gärten, im Sonnenscheine nicht minder, wie am frühen und späten Abende in scheuem und hastigem Fluge und saugt geschäftig an allen möglichen Blumen Honig. Wird es in seiner Ruhe gestört – denn es sitzt bei Tage auch still unter einem Blatte –, so fährt es auf, setzt sich aber bald wieder nieder, und noch unschlüssig, ob es weiter fliegen soll, zittern die Flügel krampfhaft und die Fühler bleiben vorgestreckt; erst wenn es sich sicher fühlt, legt es letztere an den höckerigen Brustkasten, jene dachartig über den braungrauen Hinterleib. Wie wir das Gamma zu jeder Tageszeit antreffen können, so auch fast zu jeder Jahreszeit, natürlich innerhalb der Grenzen des bemerkbaren Insektenlebens. Aus diesem Grunde und weil in den warmen Monaten die Entwickelung sehr rasch von statten geht, kommen während derselben alle Stände gleichzeitig vor, daher es schwierig ist, mit Sicherheit die Zahl der Bruten anzugeben. Für gewöhnlich nimmt man an, daß die Raupe überwintere, ich fing aber am 7. Mai 1865 einen Schmetterling, welcher seinem Ansehen nach kein Kind des Frühlings war, während ein anderer, am 1. Oktober 1874 gefangener, vor kurzem erst der Puppe entschlüpft sein mußte und entschieden nur nach der Ueberwinterung seinen Lebenszweck erfüllen konnte. Wir sehen den Falter vorn mitten auf unserem Gruppenbilde »deutsche Tagfalter« in der Stellung, welche er saugend anzunehmen pflegt. Die Vorderflügel sind grau, heller und dunkler braun marmorirt und rostbraun gemischt, außer dem γ oder y sind die feinen, lichten Zeichnungen silbern. Die an der Wurzel hellbraunen Hinterflügel werden nach dem Saume hin bindenartig dunkler sammt der Wurzel der weißen Fransen. Die gelbgrüne, der Länge nach weiß gestreifte Raupe schnürt sich in den Gelenken ein und frißt an den verschiedensten Kräutern, manchmal in verheerender Weise. So hat sie 1828 in Ostpreußen die Leinfelder vernichtet, anderwärts Hanf, Raps, Hülsenfrüchte usw. stark beschädigt; vor einigen Jahren trat sie wiederholt auf den Zuckerrübenfeldern in den Herzogthümern Sachsen und Anhalt verheerend auf, und als ich vor wenigen Jahren aus Raupen, welche an Weidengebüsch häufig saßen und meiner Meinung nach einer anderen Goldeule angehörten, die in ihren Raupen zum Theile einander ungemein nahe stehen, unseren Proletarier erzog, mußte auch eine Holzpflanze unter den Küchenzettel seiner Raupe aufgenommen werden, was bisher neu war.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 415.
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