Grüner Langfühler (Adela viridella)

[435] Zu den mannigfachen Genüssen, welche dem Naturfreunde ein Frühjahrsgang durch einen Laubwald bietet, gehört auch das muntere Spiel einer an Kopf und Beinen zottig schwarz behaarten, an den Vorderflügeln metallisch dunkelgrün erglänzenden Motte, welche man den grünen Langfühler (Adela viridella) nennen könnte. An einem und dem anderen von der Nachmittagssonne beschienenen, das Grün des jungen Laubes in wunderbarem Zauber zurückwerfenden Eichenbusche habe ich hunderte dieser Mottchen auf- und abtanzen sehen, wobei sie ihre langen Fühler senkrecht in die Höhe halten, die beim Weibchen die Flügellänge merklich, beim Männchen mehr als um das Doppelte überragen und gleich Silberfädchen, getragen von den herrlich glänzenden Flügeln, fortwährend auf- und niedergehen. Es ist entschieden der Hochzeitsreigen, welchen diese Thierchen in lautloser Stille nur nach dem Takte der Farbentöne aufführen; denn ab und zubegibt sich ein Weibchen mit weit ausgebreiteten Flügelchen auf eines der Blätter und winkt mit den Fühlern nach rechts und links. Es bleibt aber unbeachtet und fliegt nach kurzer Zeit der Ruhe wieder auf, um sich von neuem unter die muntere Schar zu mischen, welche so dicht gedrängt, als es die langen Fühler gestatten, ihr Auf- und Abwogen unterhält. Kurze Zeit ruht dann auch ein Männchen und in dieser Weise geht das lustige Spiel weiter, bis schließlich nach dem Scheiden der Sonne unter dem westlichen Himmel der Knäuel sich löst und die einzelnen Pärchen zwischen dem würzigen Laube verschwinden. In manchen Jahren trifft man diese Motten sehr häufig und dann an den sonnigen Nachmittagsstunden in der eben geschilderten Weise, sonst träge an dem Laube sitzend und die Fühler in gemessenem Takte wiegend, oder in Gesellschaft anderer Brüder und Schwestern und der verschiedensten Kerfe an blühenden Weidenkätzchen, der um diese Jahreszeit am reichlichsten fließenden Honigquelle ihr kurzes Dasein fristend. Ihre früheren Lebensverhältnisse sind mir unbekannt.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 435.
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