Speckkäfer (Dermestes lardarius)

[68] Der Speckkäfer (Dermestes lardarius, Fig. 6, 7) wird unter seinen siebenundvierzig Gattungsgenossen, die alle durchschnittlich 7,6 Millimeter lang sind, leicht erkannt an der hellbraunen, quer über die Wurzel der Flügeldecken gehenden, mit einigen schwarzen Punkten gezeichneten Binde bei übrigens durchaus bräunlich schwarzer Färbung; als Dermesten kommen ihm folgende Merkmale zu: ein Kinn, welches länger als breit, vorn gerundet oder schwach ausgerandet ist, eine häutige, vorn stark bewimperte Zunge; von den lederartigen, gleichfalls stark bewimperten Laden des Unterkiefers endigt die innere in einem kräftigen Zahn, die bedeutend größere äußere stutzt sich vorn etwas schräg ab. Die Kiefertaster enden in ein walziges, vorn gerade abgeschnittenes, die Lippentaster in ein stumpf eiförmiges Glied. Das gewölbte Halsschild verengt sich nach vorn, buchtet sich am Hinterrande zweimal seicht aus und führt an den Seiten unten je eine Grube zur Aufnahme des großen Fühlerknopfes. In gleicher Breite ziehen die Flügeldecken nach hinten, runden sich ab, verbergen die Leibesspitze vollständig und stellen die fast walzige Gestalt des ganzen Körpers her, den vorzugsweise dicht an der Unterseite anliegende Haare bedecken. Hier lassen sich die Geschlechter leicht unterscheiden, indem sich das Männchen am dritten und vierten Bauchringe oder an letzterem allein durch eine glänzende, runde Grube auszeichnet.

Die gestreckte, nach hinten verjüngte Larve wird beinahe noch einmal so lang wie der Käfer, ist am Bauche weiß und auf dem braunen Rücken mit ziemlich langen, braunen, nach hinten gerichteten Haaren besetzt, von denen die längsten am Hinterende einen Haarpinsel darstellen; am Grunde dieses richten sich auf dem Rücken des letzten Gliedes zwei nach hinten gebogene Hornhaken empor. Die sechs Beine und der ausstülpbare After ermöglichen ein gewandtes und rasches Fortkriechen, welches jedoch mehr einem ruckweise vor sich gehenden Hinrutschen gleicht. Man trifft die Larve vom Mai bis in den September, während welcher Zeit sie sich viermal häutet und ihre Anwesenheit durch die umherliegenden Bälge an solchen Stellen verräth, wo dieselben durch den Luftzug nicht weggeweht werden können, wie beispielsweise in Insektensammlungen. Schließlich wird die Larve träger, kürzer und haarloser, alles Anzeichen, daß sie ihrer Verwandlung nahe ist. Zu diesem Zwecke verbirgt sie sich an ihrem Aufenthaltsorte so gut es gehen will, dann spaltet sich ihre Haut, wie bei den früheren Häutungen, in einem Längsrisse auf dem Rücken und die Puppe wird sichtbar, bleibt jedoch mit dem größten Theile ihres Körpers in dieser Umhüllung stecken. Sie ist vorn weiß, hinten braunstreifig und sehr beweglich, wenn man sie beunruhigt. Meist im September ist der Käfer entwickelt, sprengt die Haut und bleibt, wie früher die Puppe, lange Zeit in der nun doppelten Umhüllung sitzen. In wärmeren Räumen kommt er früher, in kälteren später zum Vorscheine; im nächsten Frühjahre erfolgt die Paarung und das Eierlegen.

Der Speckkäfer und seine Larve findet sich nicht bloß in Speisekammern, sondern überall, wo es thierische Ueberreste gibt, in den Häusern, auf Taubenschlägen, draußen im Freien unter Aas, [68] an Pelzwaaren und in Naturaliensammlungen. Mit wahrem Entsetzen gedenke ich eines Falles, welcher bei den geheimen Umtrieben dieser Gesellen daran mahnt, wie man auf seiner Hut sein müsse, um ihrem Zerstörungswerke so wenig wie möglich Vorschub zu leisten. Ein Kistchen, bis obenan mit aufeinander geschichteten Käfern aus Brasilien angefüllt und zugenagelt, hatte jahrelang unbeachtet gestanden, weil der Inhalt für werthlos erklärt worden war. Als es an ein gründliches Aufräumen ging, kam auch besagtes kubisches Kistchen an die Reihe. Sein Inhalt ließ einen Blick werfen auf gewisse Blattkäfer, Holzböcke, Rüßler und andere, welche in jenen gesegneten Ländern in unzähligen Mengen beisammen leben und ausnehmend gemein sein müssen; denn manche Arten zählten nach hunderten, welche einst als Geschenk eines dort lebenden Händlers eingegangen waren. Nachdem mit einer gewissen Vorsicht, um die wenigen unzerbrochenen Stücke, für welche sich allenfalls noch eine Verwerthung hätte finden lassen, herauszusuchen, die oberen Schichten abgeräumt und die untersten mehr und mehr bloß gelegt worden waren, schien mit einem Male Leben in die Jahre alten Leichen gekommen zu sein; denn Bewegung und zwar sehr lebhafte Bewegung ließ sich sehen und hören. Welch ein Anblick!


1, 2 Kabinetkäfer (Anthrenus museorum, S. 71). 3-5 Dieb (Ptinus fur, S. 114). 6, 7 Speckkäfer (Dermestes lardarius, S. 68). 8, 9 Pelzkäfer (Attagenus pellio, S. 70). Jede Art mit ihrer Larve; alle Figuren vergrößert.
1, 2 Kabinetkäfer (Anthrenus museorum, S. 71). 3-5 Dieb (Ptinus fur, S. 114). 6, 7 Speckkäfer (Dermestes lardarius, S. 68). 8, 9 Pelzkäfer (Attagenus pellio, S. 70). Jede Art mit ihrer Larve; alle Figuren vergrößert.

Eingebettet in braunen Staub und immer kleiner werdende Stücke der zerfallenen und zerfressenen Käfer krabbelten hunderte von Speckkäferlarven geschäftig durcheinander und schienen ihren Unmuth darüber erkennen geben zu wollen, daß man sie in ihrer sicheren, das Verjährungsrecht beanspruchenden Brutstätte gestört hatte. Glücklicherweise loderte helles Feuer im Ofen, dem die ganze Gesellschaft so schnell wie möglich übergeben wurde, damit nicht Einer entkäme und an einer Stelle die scharfen Zähne hätte prüfen können, wo die Wirkungen entschieden viel empfindlicher hätten werden können.

Die übrigen Dermesten, mäusegrau oder schwarz auf der Rückenseite, mehr oder weniger vollkommen kreideweiß durch dicht anliegende Behaarung auf der Unterseite gezeichnet, finden sich vorzugsweise im Freien unter Aas, wenn nicht – zwischen Naturalien, welche längere Seereisen zurückgelegt haben und unzureichend verpackt worden waren.

Eine eigenthümliche Erscheinung, welche ihren Grund im Körperbaue der Speckkäfer hat, fällt dem Sammler auf, der gewohnt ist, die von ihm getödteten Käfer, bevor sie vollkommen trocken sind, an der rechten Flügeldecke mit einer Nadel behufs der Aufstellung in seiner Sammlung zu [69] durchstechen. Diese Zubereitung hat je nach der Härte der Deckschilde ihre größeren oder geringeren Schwierigkeiten und mißlingt bei den Dermesten dem weniger Geübten fast regelmäßig, nicht wegen zu großer Härte der Flügeldecken, sondern wegen ihrer größeren Widerstandsfähigkeit im Verhältnis zu den weichen und sehr nachgiebigen Verbindungshäuten aller festeren Theile. In der Regel gehen alle diese aus ihren Fugen, wenn man mit der Nadelspitze einen Druck auf die Flügeldecke ausübt. Diese ausnahmsweise Dehnbarkeit der Verbindungshaut zeigt sich auch beim Tödten eines Dermesten in Weingeist; hier saugt sich der Körper so voll, daß Kopf, Vorderbrustring und der von den Flügeldecken zusammengehaltene Nest weit auseinander treten und zwischen allen dreien eine weiße Haut gleich einem kurzen Darme heraustritt. Es sind einige wenige Käfer (Silphen, Mistkäfer der Gattung Aphodius), bei denen eine ähnliche Erscheinung beobachtet werden kann. Nur erst, wenn der Käfer gut ausgetrocknet ist, bekommen seine Chitinschilder einen festeren Zusammenhang und Stütze unter einander, welche durch den Druck der Nadelspitze auf die Flügeldecke nicht aufgehoben werden, sondern die Durchbohrung jener ermöglichen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 68-70.
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