Brenthus Anchorago

[161] Höchst sonderbar nehmen sich die Glieder der nächsten Familie, die Langkäfer (Brenthidae), aus. Infolge der Rüsselbildung lange mit den Rüsselkäfern vereinigt, hat man sie neuerdings [161] wegen anderer, durchgreifender Eigenheiten von denselben getrennt und zu einer eigenen Familie vereinigt. In keiner zweiten Käferfamilie herrscht das Streben aller Theile des Rumpfes, sich in die Länge auszudehnen, so allgemein vor, wie hier. Der wagerechte Kopf verdünnt sich nach vorn allmählich in einen Rüssel; bis zu der seitlichen Erweiterung, an welcher sich die Fühler anheften, gibt es meist keinen Absatz, keine Querfurche, keine andere Richtung, überhaupt keine Stelle, von der man sagen könnte, hier hört jener auf und fängt dieser an. Jenseit der Einlenkung der Fühler pflegt er vollkommen walzig zu sein, wenn nicht die Freßwerkzeuge bei den Männchen vieler Arten einen breit gedrückten Knopf, oder passender gesagt, die Flügel einer Kneipzange an seine Spitze setzten. Die Oberlippe fehlt, das Kinn ist überwiegend groß und verbirgt die Zunge und die Unterkiefern mit ihren Tastern. Die Länge des Rüssels ist bei den verschiedenen Arten und den beiden Geschlechtern derselben Art eine sehr verschiedene und zwar beim Männchen immer beträchtlicher als beim Weibchen. Die elf, in seltenen Fällen (Uloceriden) nur neun Glieder der ungebrochenen Fühler, nach vorn bisweilen allmählich verdickt, reihen sich wie Perlen auf einer Schnur aneinander; ihr erstes muß mit ganz besonderer Geschmeidigkeit im Rüssel sitzen, denn höchst überrascht sieht man sämmtliche Fühler sich bewegen, wenn auf irgend eine Weise die Reihen der in einer Sammlung aufgestellten trockenen Thiere erschüttert werden. Am vordersten Mittelleibsringe, der immer länger als breit und durchschnittlich nicht schmäler als die Flügeldecken ist, verschmelzen die Seiten vollständig mit dem Rücken. Nicht genug, daß die Flügeldecken lang und schmal, seitlich gleichläufig sind, gibt sich bei den Männchen mancher Arten ihr Drang nach Länge noch durch schwanzartige Anhängsel zu erkennen. Die Hinterbrust verlängert sich, mehr noch jedes der beiden ersten mitsammen verwachsenen Bauchglieder. Die Beine sind schlank, im Verhältnis zum linealen Körper nicht eben lang zu nennen, die Hüften der vordersten flach kugelig, fast eingesenkt in eine hinten geschlossene Pfanne. Bemerkenswerth dürfte noch die oft sehr ungleiche Einzelgröße bei ein und derselben Art sein. Die Langkäfer gehören in ihren durchschnittlich sechshundert Arten bis auf eine (Amorphocephalus coronatus) des südlichen Europa den übrigen Erdtheilen an, Amerika nicht vorherrschend, wie man früher meinte, als die vielen asiatischen Arten noch unbekannt waren.


a Männchen, b Weibchen von Brenthus Anchorago, natürl. Größe.
a Männchen, b Weibchen von Brenthus Anchorago, natürl. Größe.

Sie leben gesellig hinter Baumrinde, entfernen sich also wesentlich in dieser Beziehung von den Rüsselkäfern, schließen sich vielmehr den Holzfressern im weitesten Sinne des Wortes an. Die zwei bisher beschriebenen Larven weichen sehr von denen eines Rüsselkäfers ab, so daß man meint, es dürften sich Irrthümer eingeschlichen haben, und dieselben keinem Langkäfer angehören. Der in Brasilien gemeine Brenthus Anchorago möge eine Vorstellung von den eben besprochenen Käfern geben. Bei ihm erreicht der Rüssel des Männchens eine bedeutendere Länge als bei jedem anderen seiner Gattungsgenossen. Die Grundfarbe ist ein dunkles Rothbraun, welches auf den Flügeldecken durch zwei blutrothe (gelbliche) Längsstreifen verdeckt wird. Dergleichen Zeichnungen, welche auch fleckenartig auftreten, finden sich bei vielen Familiengliedern.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 161-162.
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