1. Sippe: Echte Blattläuse

[586] Die Blattläuse (Aphidina) bilden eine weitere Familie der von Pflanzensäften sich ernährenden Läuse, jedoch leben sie nicht nur, wie der Name andeutet, an Blättern, die sie durch ihren Stich oft verunstalten, sondern ebenso häufig an den Spitzen junger Triebe, an Knospen, an der Rinde, selbst unterirdisch an den Wurzeln oder endlich in den Innenräumen gallenartiger Gebilde, die gleich den Blattkräuselungen durch ihren Stich entstanden sind. Die Familienglieder gehören zu den zartesten und kleinen Kerfen, welche höchstens und nur selten eine Länge von 6,5 Millimeter erreichen. Am vorgestreckten, mehr breiten als langen Kopfe stehen nach vorn fünf- bis siebengliederige Fühler verschiedener Länge, am unteren und hinteren Rande ein dreigliederiger Schnabel, der bisweilen sehr kurz, aber auch länger als der ganze Körper sein kann, in der Ruhe der Kehle angedrückt ist, dagegen unter einem nahezu rechten Winkel vom Körper absteht, sobald seine Thätigkeit beginnt und beim Saugen die drei Borsten in seinem Inneren in beständigem Auf- und Niedergange begriffen sind. Seitlich am Kopfe quellen die Netzaugen stark hervor und lassen in den meisten Fällen am Hinterrande ein Höckerchen als Anlage eines zweiten Auges erkennen, überdies haben die geflügelten Blattläuse noch drei Nebenaugen auf dem Scheitel. Bei diesen erreicht der Halsring nicht die Breite des Kopfes, während er bei den ungeflügelten breiter ist, sich kaum gegen die beiden folgenden Ringe und den Hinterleib absetzt, und zwar um so weniger, je feister die Blattlaus geworden. Bei jungen, noch schmächtigen Thieren lassen sich am Hinterleibe mehr oder weniger deutlich neun Glieder unterscheiden, deren mittlere oder mehr hinter die Mitte gerückte in Breite und Höhe den größten Umfang einnehmen. Für die artenreichste Gattung Aphis sind auf dem Rücken des sechsten Gliedes seitliche, nach oben gerichtete Anhängsel, die sogenannten Saftröhren (Honigtrompeten), charakteristisch, darum so genannt, weil sie eine süße Flüssigkeit absondern können und dies z.B. thun, wenn sie von Ameisen beleckt werden, welche nach jenem süßen Ausflusse lüstern sind. Außer den Saftröhren ragt in den meisten Fällen noch ein sogenanntes Schwänzchen als Anhängsel des letzten Leibesgliedes über dessen Ende hinaus, welches aber erst nach der letzten Häutung vollkommen frei erscheint und darum ein gutes Unterscheidungsmerkmal zwischen Larve und vollkommen entwickelter Blattlaus abgibt. Die Beine sind verhältnismäßig lang und dünn und tragen an den nur zweigliederigen Füßen je zwei Krallen. Vier ungemein zarte, daher in den Regenbogenfarben schillernde Flügel kommen meist den geschlechtlichen Blattläusen zu, fehlen aber auch, und zwar den Weibchen häufiger als den Männchen, während die geschlechtslosen einer und derselben Art theils geflügelt, theils ungeflügelt sind. Von den vier Flügeln sind die vorderen bedeutend länger als die hinteren, so daß sie, in der Ruhelage dachartig den Leib überschleiernd, weit über dessen Spitze hinausragen. Die Flügel werden von einer einzigen kräftigen Längsrippe durchzogen, welche dem Vorderrande gleich und nahe verläuft und im Vorderflügel in ein Hornplättchen, das »Flügelmal«, endet. Diese Längsrippe entsendet einige einfache oder gegabelte Schrägäste in die Fläche, von denen im Vorderflügel der äußerste als Randader (Radius), der nächste hinter ihm als Unterrandader (Cubitus) unterschieden werden. Der [586] Verlauf dieser wenigen Adern ist bei den Blattläusen minder beständig als bei den meisten anderen Kerfen, so daß selbst der linke Flügel von dem rechten abweichen kann. Die Blattläuse sind der Mehrzahl nach grün gefärbt, häufig aber durch einen abwischbaren Reif verändert, und es können sich derartige Ausschwitzungen sogar zu einem förmlichen Wollpelze steigern (Wolläuse).

Trotz der großen Häufigkeit der Blattläuse, trotz des sehr auffallenden nachtheiligen Einflusses, den sie auf die Pflanzenwelt ausüben, und trotz der umfassendsten Aufmerksamkeit, welche seit Ende des siebzehnten Jahrhunderts Forscher, wie Leeuwenhoek, Réaumur, Bonnet, Degeer, Balbiani, Leuckart und wie die neueren sonst noch heißen mögen, diesen überaus interessanten Wesen haben zu theil werden lassen, bleibt doch noch heutigen Tages Degeers Ausspruch über dieselben in Geltung, wenn er sagt: »dieselben sind vollkommen dazu angethan, das ganze vermeinte Generationssystem zu verrücken und diejenigen zu verwirren, welche sich bemühen, dies Geheimnis der Natur zu erforschen«.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 586-587.
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