Mörtelbiene (Chalicodoma muraria)

[231] Die Mörtelbiene, gemeine Maurerbiene (Chalicodoma muraria), dem Ansehen nach eine Hummel, braucht nicht ausführlich beschrieben zu werden, da sie in beiderlei Geschlecht hier vorliegt. Es sei nur bemerkt, daß das sitzende Weibchen durchaus schwarz aussieht, einschließlich der Flügel, welche nach der Spitze zu etwas lichter werden, daß das ausgebreitete Männchen sich fuchsroth kleidet und endlich, daß die Zunge sehr lang, die zugehörigen Taster zweigestaltig, die Kieferntaster zweigliederig und die vorn verbreiterten Kinnbacken vierzähnig und vierfurchig sind. Der Bauch ist gleich dem Rücken stark behaart, und zwar beim Weibchen mit mehr borstigen, nach hinten gerichteten Haaren, um den Blütenstaub zur Futterbereitung damit einzutragen; es ist mit einem Worte ein Bauchsammler.

Nachdem sich im Mai die Bienen durch ein rundes Loch aus ihren Nestern hervorgearbeitet und unter stark summendem Umherfliegen gepaart haben, beginnt das Weibchen mit dem Baue und legt dabei seine natürlichen Anlagen als Maurer an den Tag, denn die Wohnungen werden an Steine, allenfalls auch an der festen, nicht lehmigen Außenseite eines Hauses angeklebt, wie es die Hausschwalbe mit ihrem Neste thut. Der Baustoff besteht aus feinen Sandkörnchen, welche mittels Speichel sich so fest verbinden, daß Kraft und ein spitzes Werkzeug dazu gehören, um eine Zelle zu öffnen. In irgend einer schwachen Vertiefung, welche die Biene überall an solchen Stellen findet, ohne lange suchen zu müssen, fertigt sie in kürzester Zeit eine aufrecht stehende Zelle von der Form eines kleinen, sich nach oben verengenden Fingerhutes.


a Männchen, b Weibchen der Mörtelbiene (Chalicodoma muraria) nebst theilweise geöffnetem Neste an einer Steinmauer. Alles natürliche Größe.
a Männchen, b Weibchen der Mörtelbiene (Chalicodoma muraria) nebst theilweise geöffnetem Neste an einer Steinmauer. Alles natürliche Größe.

In einem Falle, wo ich ein Nest zerstört hatte, benutzte sie die stehen gebliebenen Reste als Unterlage zum Neubau. Die Zelle ist inwendig geglättet, auswendig rauh, so daß man die Sandkörnchen unterscheiden kann. Sobald die Zelle so weit fertig ist, daß sie sich oben wieder verengt, wird sie voll Honigbrei getragen, ein Ei darauf gelegt und so eilig wie möglich durch einen dem Boden genau entsprechenden Verschluß vollendet. Sie sieht dann aus wie das geschlossene Gehäuse mancher Schmetterlingspuppen. [231] Möglichst schnell muß die Verwahrung geschehen, weil allerlei Feinde umherlungern, welche Böses im Schilde führen. Neben dieser ersten entsteht in gleicher Weise eine zweite Zelle, die in dem Winkel, welchen die Mauer mit der Böschung der ersten bildet, ihre Hinterwand bekommt. So wird nach und nach eine Vereinigung von mehr oder weniger Zellen fertig, welche zum Theil neben, zum Theil über einander liegen, ohne bestimmte Ordnung theils parallel, theils schräg gegen einander gerichtet. Ihre Zahl hängt entschieden von der Witterung und von den sonstigen Störungen ab, denen das bauende Weibchen ausgesetzt ist. Eine eigentliche Heimat hat dasselbe nicht; denn der frei gelegene Ort, wo es die Zellen aneinander mauert, bietet ihm in keiner Weise ein Obdach. Ich entsinne mich, nie mehr, eher weniger als zehn Zellen beisammen gefunden zu haben. Dieselben werden auf ihrer welligen Oberfläche roh geglättet, so daß das Nest schließlich einem Kothklumpen zum Verwechseln ähnlich sieht, welchen ein Bube an die Wand warf, und der nun angetrocknet ist.

Nur ein Weibchen erbaut die eben näher beschriebene Zellengruppe, welche anfangs Juli mit dem Verschwinden der Baumeisterin fertig ist. An einer anderen Stelle in der Nähe arbeitet meist eine zweite, dritte; denn man findet jene »Anwürfe« in Mehrzahl. Dabei haben diese Bienen keinen Sinn für Geselligkeit; im Gegentheil, sie feinden sich nach Réaumurs Beobachtungen an. Während die eine arbeitet, erzählt er, kommt manchmal eine andere, welche die Zelle als ihr Eigenthum beansprucht und sich nicht selten eine halbe Stunde lang gegen die zurückkehrende Eigenthümerin wehrt. Sie fliegen mit den Köpfen gegen einander und werfen sich zu Boden, wo sie sich wie Fechter miteinander herumbalgen. Bisweilen fliegt die eine senkrecht in die Höhe und läßt sich plötzlich auf die andere herunterfallen, welche sodann auszuweichen sucht und rückwärts zu fliegen scheint. Endlich ermüdet eine und fliegt davon; ist es die Eigenthümerin, so kommt sie bald wieder zurück und der Kampf beginnt von neuem. Ob sie sich dabei zu stechen suchen, wurde nicht beobachtet. Geht einmal eine Biene während der Arbeit zu Grunde, so ergreift eine andere Besitz vom angefangenen Baue, auch geschieht dies, wenn ein altes Nest leer geworden ist, weil sich die Eigenthümerin nicht mehr darum kümmert. Es kommt sodann eine andere, schafft die Gespinste und den Unrath heraus, trägt Futter ein und schließt die Zelle. Dabei gibt es gewöhnlich Kämpfe. So weit Réaumurs Bericht. – Die Made, deren Aussehen keine weitere Eigenthümlichkeit bietet, ist bald erwachsen, spinnt eine glasige Haut um sich, wird zur Puppe und diese zur Biene, jedoch zu verschiedenen Zeiten. Im heißen Sommer 1859 fand ich schon am 15. August entwickelte Bienen, am 10. April des vorangegangenen Jahres noch Maden. Fest steht aber, daß jene auf natürlichem Wege nicht früher an das Tageslicht gelangen als diese, nämlich anfangs Juni. Die runden Löcher auf der oberen Seite des abgebildeten Nestes sind die von ihnen gearbeiteten Ausgangsstellen, die andere Hälfte wurde geöffnet dargestellt, um die einzelnen Zellen, ihre Lage, eine Larve und den Koth, welchen sie zurückläßt, zur Anschauung zu bringen.

Die Mörtelbiene hat manchen Feind aus den verschiedensten Insektenordnungen, nach von Frauenfeld die Meloë erythrocnemis, einen Käfer, und die Trauerfliege Argyromoeba subnotata; ich erzog aus einem Puppengespinste sechzehn Weibchen und zwei Männchen einer kleinen Zehrwespe, welche Förster Monodontomerus Chalicodomae genannt hat, eine reichlich fünf Millimeter lange Pteromaline von dunkelgrüner Erzfarbe mit rostrothem Fühlerschafte und von den Schienen an mit ebenso gefärbten Beinen, um den Randast der ungeaderten Flügelchen etwas getrübt. Der Bohrer des Weibchens ist von Hinterleibslänge. Er konnte meiner Ansicht nach nicht die Steinhülle bis zur Larve durchdrungen haben, sondern die Eier mußten vor dem Schlusse der Zelle gelegt worden und erst viel später als das der Biene ausgeschlüpft sein, damit die jungen Lärvchen in der mehr oder weniger erwachsenen Larve ihre Nahrung vorfanden.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 231-232.
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