Riesenholzwespe (Sirex gigas)

[328] Die Riesen- oder Fichten-Holzwespe (Sirex gigas) hat einen gelben Hinterleib mit schwarzer Spitze beim Männchen, oder mit bald hinter der Wurzel beginnendem schwarzen Gürtel beim Weibchen, Kopf und Brustkasten sind matt schwarz, an jenem die dick vorquellenden Backen [328] und die Fühler gelb, ebenso sämmtliche Beine. Sie findet sich in Gegenden, wo Fichten (Pinus Picea) wachsen, weil sie als Larve vorzugsweise diesen Nadelbaum bewohnt.

Beide Arten erscheinen einmal früher, einmal später im Jahre, jedoch nicht leicht vor Ende Juni, und leben kurze Zeit. Außer in Jahren, in denen sie besonders häufig sind, kommen sie uns kaum zu Gesichte; denn sie halten sich an den betreffenden Stämmen oder deren Kronen ziemlich verborgen. Beim Fliegen verursachen sie ein lautes Brummen, dem einer Hornisse nicht unähnlich; höchst wahrscheinlich stehen die erwähnten Spaltöffnungen des Hinterrückens hiermit im innigsten Zusammenhange. In welcher Weise je ein Ei bis achtzehn Millimeter tief dem gesunden Holzstamme einverleibt wird, sahen wir bereits. Die bald ausgeschlüpfte Larve bohrt sich tiefer ein und nagt, je größer sie wird, immer mehr an Breite zunehmende, geschlängelte Gänge, welche zuletzt über 4,5 Millimeter im Durchmesser haben können. Dieselben sind mit Spänen und den Auswürfen gefüllt. Wie lange Zeit die Larve gebraucht, ehe sie erwachsen ist, weiß man mit Sicherheit nicht anzugeben; ein Jahr mindestens, es können aber auch mehrere vergehen, wie wir aus einigen, gleich näher zu erwähnenden Wahrnehmungen zu schließen berechtigt sind. Die erwachsene Larve nagt als Puppenlager das Ende ihres Ganges etwas weiter aus und arbeitet nachher, wie Ratzeburg meint, von da aus einen Kanal bis unter die Oberfläche des Stammes, um der Wespe den Ausgang zu erleichtern.


1 Weibchen und 2 Männchen der Riesen-Holzwespe (Sirex gigas), natürliche Größe.
1 Weibchen und 2 Männchen der Riesen-Holzwespe (Sirex gigas), natürliche Größe.

Daß bohrende Schmetterlingsraupen diese Vorsicht gebrauchen, ist hinreichend bekannt; der Schmetterling wäre ja auch unfähig, sich zu befreien. Nicht in dieser unbeholfenen Lage befindet sich die Holzwespe; daß sie nagen kann und es sehr gut versteht, haben zahlreiche Fälle bewiesen. Ich lasse also auch dahingestellt sein, »ob ihr die Larve die Befreiung aus dem Kerker so leicht macht«. Der Umstand, daß die im Nutzholze lebende Larve oft mit in unsere Behausungen verschleppt wurde, die der Fichtenholzwespe mehr als die andere, führte die Bekanntschaft mit dem vollkommenen Kerfe bei Leuten herbei, welche es draußen im Freien in ihrem ganzen Leben nicht zu sehen bekommen und sich darob sehr verwunderten, urplötzlich von einer so sonderbaren Nachbarschaft Kenntnis zu erhalten. Wie Bechstein erzählt, erschien im Juli 1798 in der Buchdruckerei zu Schnepfenthal zehn Tage hinter einander jeden Morgen eine große Menge der gelben Art aus dem neugelegten Fußboden und schwärmte an den Fenstern umher. Im Hause eines Kaufmannes zu Schleusingen erschienen in demselben Monate (1843) dieselben Wespen massenhaft, aber aus den das Jahr vorher eingebrachten Unterlagen der Dielen; sie hatten sich also auch durch diese hindurch arbeiten müssen. In Bautzen endlich, um noch einen solchen Fall anzuführen, welcher zugleich mehr Aufschluß über die Entwickelungs dauer der Holzwespen [329] gibt, kamen im August 1856 aus derselben Stelle, wie in Schleusingen, sechzig bis achtzig Stück der gemeinen Holzwespe zum Vorscheine; das Haus war seit 21/2 Jahren fertig, und die Balken hatten vorher eine Zeitlang frei gelegen. Während dieser mögen die Eier abgesetzt worden und von da an etwa drei Jahre verstrichen sein, bis die Wespen die Dielen durchbohrten. Auch in Bergwerke sind die Larven schon verschleppt worden und haben dann die ausgeschlüpften Fliegen als Berggeister die Grubenlichter verlöscht. Man weiß sogar, daß sie selbst Bleiplatten außer dem Holze durchbohrten, um ihrem Drange nach Freiheit gerecht zu werden. Kollar berichtet nämlich, daß zu Wien im neuen Münzgebäude wiederum die gelbe Art nicht nur sehr dicke hölzerne Pfosten, sondern auch die 12/3 Zoll starken Bleiplatten eines Kastens durchbohrt hätte, welcher zur Aufbewahrung von Metalllösungen bestimmt gewesen sei. Mehrfache Durchbohrungen der Bleikammern in Schwefelsäurefabriken waren früher schon in Nußdorf beobachtet worden und jüngst in Freiberg, wo es die stahlblaue Holzwespe gethan hatte. Man sieht aus den angeführten Beispielen, wie unangenehm unter Umständen diese Thiere werden können, welche durch ihren Fraß dem Baume als solchem durchaus keinen Schaden weiter zufügen. – Außer einigen anderen, aber selteneren Arten, welche in Europa leben, ernährt das nördliche Amerika noch weitere, theilweise sehr ähnliche. – Eine zweite Holzwespengattung, Xiphydria, kommt in nur wenigen und seltenen Arten aus Laubhölzern (Birken, Eichen, Pappeln und anderen). Der kugelige, außerordentlich bewegliche Kopf sitzt an einer halsartigen Verlängerung der Vorderbrust, trägt bedeutend kürzere Fühler und am Munde drei- oder viergliederige Lippentaster, wie bei den vorigen, aber auch Kiefertaster, und zwar fünfgliederige; in der Bildung des Brustkastens stimmt sie mit der vorigen überein.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 328-330.
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