Kellerspinne (Segestria senoculata)

[667] Die wenigen hierher gehörigen Arten erkennt man leicht an den angeführten Merkmalen, besonders an den sechs Augen, welche bei der Gattung Segestria von fast gleicher Größe zu vier in einer kaum nach hinten gebogenen Reihe vorn stehen, während die beiden oberen die weiter nach außen gerückten Seitenaugen bilden, welche von ihren anderen Nachbarn nicht weiter wegrücken als diese von den Stirnaugen; bei Dysdera dagegen ordnen sie sich so, daß man zwei größere Stirnaugen, zwei etwas näher gerückte, bedeutend kleinere Scheitelaugen und jederseits mitten zwischen ihnen ein Seitenauge unterscheiden kann, welches natürlich weiter nach der Seite rückt und die Größe eines Stirnauges hat. Eine der verbreitetsten und gemeinsten Arten ist die Kellerspinne (Segestria senoculata), die unter Steinen, Baumrinde, Moos, in Mauerlöchern und Strohdächern lebt, und zwar in einer mäßig langen, weißen, beiderseits offenen Röhre, an deren Mündung sie mehrere Fäden nach allen Richtungen zieht, als Stein des Anstoßes für herannahende Insekten. Am Eingange dieser Röhre hält sie Wacht, die sechs vorderen Beine nach vorn gerichtet und dem Körper angedrückt. Das in den Fangfäden erscheinende Schlachtopfer wird sogleich erfaßt und nach hinten in die Röhre mitgenommen.


Kellerspinne (Segestria senoculata), Männchen und Weibchen; in der Mitte die Augenstellung von vorn. Alles vergrößert.
Kellerspinne (Segestria senoculata), Männchen und Weibchen; in der Mitte die Augenstellung von vorn. Alles vergrößert.

Die Spinne zeigt sich bei ihren Angriffen kühn und gewandt: denn sie wagt sich an Kerfe, die ihr an Größe und Kraft überlegen sind, und nimmt es selbst mit einer Wespe auf, die von den meisten anderen Spinnen gefürchtet wird. Mitte Sommers kriechen die Jungen aus dem ziemlich kugeligen Eiersäckchen aus und halten sich anfangs im Neste der Mutter auf. Die fast 10 bis 11 Millimeter messende Kellerspinne zeichnet sich durch einen gestreckten Körper aus. Der langeiförmige, pechbraun glänzende Vorderleib ist fast doppelt so lang wie breit, vorn und hinten abgestutzt, den walzigen, bräunlichgelben Hinterleib ziert ein Haarkleid und auf dem Rücken eine dunkelbraune Zeichnung, bestehend aus einer Längsreihe von sechs oder sieben nach hinten kleiner werdenden Flecken, welche ein Mittelstreifen mit einander verbindet. Die Seiten, der Bauch und die Brust erscheinen durch dunkelbraune Fleckchen gesprenkelt, die Schienen und Fersen mit zwei, die Spitzen der Schenkel mit einem schwarzen Ringe umgürtet. Diese Art fand Walkenaer sehr unempfindlich gegen die Kälte; denn er traf im Januar 1830 eine Spinne in bereits sehr lebhaften Bewegungen hinter Baumrinde an, obgleich der Wärmemesser seit acht Tagen vierzehn Grad unter Null zeigte. Derselbe behauptet übrigens auch, daß hier, wie bei der Wasserspinne, das Männchen größer sei als das Weibchen, was von anderen Seiten nicht bestätigt wird. – Zur nächsten Verwandtschaft gehört eine auf Cuba unter Steinen lebende, als Nops Guanabacoae beschriebene Spinne, welche durch das Vorhandensein von nur zwei Augen eine merkwürdige Abweichung vom Urbilde der Spinnen liefert.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 667.
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