[627] Einige interessante Tausendfüßler unterscheiden sich von allen anderen durch das kegelförmige Kopfschild, welches in Verbindung mit den verwachsenen Mundtheilen eine Saugröhre bildet, und wurden deshalb unter dem Namen der »Saugasseln« als besondere Familie abgeschieden. Die einzige europäische, bisher in Deutschland, Frankreich, Polen und im Kaukasus beobachtete deutsche Saugassel (Polyzonium germanicum) erreicht nur 13 Millimeter Länge, ist etwas platt gedrückt, ungefähr funfziggliederig und sehr weich, oberhalb glatt und hell rostfarben, unterhalb weißlich. Die Körperringe, welche mit Ausnahme der drei ersten einpaarfüßigen und der drei letzten fußlosen je zwei Paare von Beinen tragen, stellen im Querschnitte keinen Kreis, sondern eine Ellipse dar, indem sich der Rückentheil seitwärts in eine Rundung nach unten umbiegt, ehe er an der Einlenkungsstelle der zarten, von oben nicht sichtbaren Beinchen aufhört. Die Augen liegen in zwei Gruppen zu dreien an der Stirn, und die Saugröhre ist hier kürzer als bei den übrigen ausländischen Familiengliedern, mit denen die genannte Art das Vermögen gemein hat, zwischen den Leibesringen eine milchige Flüssigkeit hervortreten zu lassen.
Bei der Schwierigkeit, die Thierchen in der Gefangenschaft lebend zu erhalten, hat es hier so wenig wie anderwärts gelingen wollen, die Entwickelung vom Eie an vollständig zu beobachten. Waga, welcher sich darum bemühte, fand eines Tages in dem mehrere Stücke verschiedener Größe bergenden Glase ein Weibchen, welches spiralförmig um ein Häuflein sehr kleiner, lichter Eierchen gewickelt da lag. Dieselben hingen nur lose zusammen, theilten sich bei der Berührung in mehrere Partien und nur die an der Kehle des Thieres liegenden, von seinem Körper bedeckten verblieben in dessen Bereiche. Acht Tage später (7. Juni) traf Waga das Mutterthier noch in derselben Stellung an, aber die Eier waren fast alle zerstreut und beliefen sich ungefähr auf funfzig Stück. Unter dem Mikroskope ließen sich an einzelnen nur dunklere Schatten unterscheiden; aber schon nach drei Tagen wurde mit unbewaffnetem Auge erkannt, wie sich einige der Eier in zwei Theile auflösten. Zwischen den Schalen eines solchen ward ein weißer, flacher, fast zu einem Kreise zusammengerollter Körper sichtbar, welcher den Eindruck machte, als wäre er an einer Stelle seines Umkreises ausgeschnitten, etwa wie ein keimendes Samenkörnchen einer hülsenfrüchtigen Pflanze. Er erwies sich alsbald als ein schuppenartiges, fast so breites wie langes, gebogenes Wesen mit sechs Beinen und mit Fühlhörnern; auch ließen sich die Anfänge der Augen und einige kurze Härchen als Bedeckung des halb durchsichtigen, fünfgliederigen Körpers erkennen. Auf dieser Altersstufe bewegte das Thierchen unaufhörlich seine Fühler, konnte aber seine Beinchen, deren hinterste unbeweglich waren, noch nicht ordentlich gebrauchen und sich, wenn es auf dem Rücken lag, nicht umdrehen. Am 25. Juni fanden sich noch geschlossene und eben gelegte Eier, sechs- und achtfüßige Saugasseln in dem Glase vor; da dieses aber zufällig in die Sonne gerieth und derselben auf längere Zeit ausgesetzt blieb, so starben sämmtliche Thiere ab und machten weiteren Beobachtungen ein Ende.