Rothkehlanoli (Anolis principalis)

[220] Als Vertreter der Unterfamilie mag uns die Rothkehlanoli (Anolis principalis, Lacerta principalis, Anolis carolinensis und bullaris, Iguana strumosa und bullaris, Dactyloa bullaris und biporcata), das Urbild der Saumfinger (Anolis) dienen. Die Merkmale der von ihr vertretenen Gruppe entsprechen den bereits angegebenen. Die Kennzeichen des Thieres selbst sind folgende: Der Kopf ist verlängert, dreieckig und platt, bei jungen Stücken fast eben, bei alten doppelt gekielt und mit großen vielseitigen Schildern gedeckt, das Trommelfell sichtbar, der Hals kurz, unten mit einer kleinen Wamme geziert, der Leib ebenso hoch als breit, oben gekielt, unten platt, oberseits mit kleinen, sechseckigen oder runden, nicht übereinander liegenden, leicht gekielten Schuppen, auf der Bauchseite mit eiförmig sechseckigen, übereinander liegenden und leicht gekielten Schuppen bekleidet, der Schwanz beinahe rund an der Wurzel zusammengedrückt, und an der Spitze mit kleinen, gekielten, in Wirteln stehenden Schuppen bekleidet. Bei den lebenden Thieren ist die Oberseite glänzend grün, die Unterseite rein weiß, die Kehle roth, die Schläfengegend schwarz gefärbt und die Schwanzgegend durch schwarze Punkte gezeichnet. Die grüne Farbe kann sich jedoch auch mehr oder minder in Bräunlich oder Braun verwandeln, überhaupt auf das verschiedenartigste ändern. Nach Schomburgk durchläuft sie bei Erregung des Thieres von Grünlichgrau durch Dunkelgrau und Braun alle denkbaren Schattirungen bis zu Glänzendgrün, und ebenso wechselt die Zeichnung kaum weniger. Die Länge beträgt ungefähr fünfundzwanzig Centimeter, wovon zwei Drittheile auf den Schwanz kommen.

Die Rothkehlanoli zählt in Carolina zu den gemeinsten der dort vorkommenden Echsen und bewohnt alle geeigneten Oertlichkeiten: Bäume, Gartenzäune, die Außenseite der Wohnhäuser und nicht selten auch das Innere der letzteren. Sie ist, laut Holbrook, ein ebenso bewegliches und lustiges wie dreistes und streitsüchtiges Thier, welches sich um die Anwesenheit des Menschen nicht im geringsten zu kümmern scheint, auf Tischen und sonstigen Geräthen umherläuft und in Gemeinschaft mit anderen ihresgleichen nach Fliegen und Mücken jagt. In ihrem Wesen unterscheidet sie sich wenig oder nicht von anderen Sippschaftsverwandten. Ihr Lauf auf dem Boden ist außerordentlich schnell und sieht, da sie den Kopf hoch zu tragen pflegt, äußerst zierlich aus: man glaubt, daß sie fliege, nicht aber ginge. Auf den Bäumen bewegt sie sich mit bewundernswürdiger Schnelligkeit und Gewandtheit, springt in Sätzen, welche ihre Leibeslänge um das zwölffache übertreffen, von einem Zweige oder einem Baume zum andern und weiß sich festzuhalten, wenn sie auch nur ein einziges Blatt berührt; denn wie die Gekos, welche wir später kennen lernen werden, klebt sie, Dank ihrer breiten Finger, im Nu an den Gegenständen, selbst an den glättesten, polirtes Holz [220] oder Glas nicht ausgenommen; ja sie ist im Stande, an der Decke der Zimmer hinzulaufen. Ihre Nahrung entnimmt sie dem Thierreiche; doch kann es gelegentlich vorkommen, daß sie eine Beere mit verschluckt. Laut Schomburgk fängt sie auch Wespen und andere stechende Kerfe, soll sogar Skorpione nicht fürchten, und so geschickt am Kopfe packen, daß jene, wenn sie sich wehren wollen, wohl sich selbst, aber nicht die Anoli mit dem Stachel verletzen.

Während der Paarungszeit erhöht sich ihre Regsamkeit in jeder Beziehung, und sie bekämpft jetzt mit ebensoviel Muth wie Ingrimm jedes andere Männchen. Beide Kämpen erheben den Kamm zu ungewöhnlicher Höhe, blasen den Kehlsack auf, so weit sie können, packen sich endlich gegenseitig an den Kinnladen und verbeißen sich so fest, daß sie geraume Zeit aneinander hängen.


Rothkehlanoli (Anolis principalis). Natürliche Größe.
Rothkehlanoli (Anolis principalis). Natürliche Größe.

Bei dieser Gelegenheit geht ihr Farbenwechsel am schnellsten und auffallendsten vor sich. Gegen den Herbst hin hat sie allen Zwiespalt vergessen und lebt jetzt mit anderen ihresgleichen im tiefsten Frieden zusammen, zuweilen in größeren Gesellschaften, welche sich zufällig vereinigt haben. Schomburgk fand selten mehr als zwei Eier im Eileiter vor und beobachtete, daß in der Regel eines mehr als das andere entwickelt war. Das Weibchen läßt die Eier ohne alle Vorkehrungen fallen, so daß man dieselben ebenso wohl auf dem Sande wie auf Felsen, ja selbst in Zimmern findet.

Nach Angabe des letztgenannten Reisenden benutzen die Knaben die ausgesprochene Vorliebe der Anolis für Musik, nähern sich pfeifend den behenden Thieren und streifen ihnen zuletzt eine Schlinge über den Kopf, um sich ihrer zu bemächtigen. Die Gefangenen werden in kürzester Zeit zahm; man sieht daher Anolis oft im Besitze von Leuten, welche Kriechthiere sonst nicht lieben. Auch nach Europa gelangen sie nicht selten lebend.

Sie benehmen sich im wesentlichen nach Art unserer gewandteren Eidechsen, übertreffen die meisten von ihnen jedoch an Behendigkeit und entsprechend ihrer Ausrüstung in der Fertigkeit zu klettern. Bell hat sie recht gut geschildert. »Einst«, so erzählt er, »hielt ich zwei lebende Anolis aus Westindien, welche mit Fliegen und anderen Kerbthieren ernährt wurden. Ihre Lebhaftigkeit beim Verfolgen ihrer Beute zog mich auf das höchste an. Sie lauerten mit aller Vorsicht der auf [221] Beute ausgehenden Katze und stürzten sich auf ihr Opfer mit der Schnelligkeit des Blitzes. Eines Tages warf ich ihnen nebst Fliegen auch eine große Kreuzspinne in ihren Behälter. Eine von ihnen warf sich auf diese, packte sie aber nur am Fuße. Die Spinne drehte sich im Augenblicke herum, wob einen dicken Faden um beide Vorderfüße ihres Gegners und biß diesen dann in die Lippe, genau so, wie sie sonst zu thun pflegt, wenn sie selbst Beute macht. Die Anoli schien sehr erschrocken zu sein. Ich nahm deshalb dïe Spinne weg und löste die Füße aus ihrer Schlinge; aber wenige Tage darauf war meine Gefangene todt, augenscheinlich infolge der erlittenen Verwundung und bezüglich Vergiftung, da ihre Genossin, welche ebenso munter war, sie noch lange Zeit überlebte.«

Unter Basilisk dachten sich die alten Griechen und Römer ein schlangenähnliches, mit übernatürlichen Kräften begabtes Scheusal der abschreckendsten Art, erzeugt auf unnatürlichem Wege, erbrütet durch zum Brüten unfähige Lurche, unheilvoll für alles Lebende, den Halbgott Mensch nicht ausgeschlossen. Haushahn, Schlange und Kröte wurden als die Erzeuger angesehen: der Hahn legte mißgestaltete Eier, und Schlangen und Kröten bemächtigten sich derselben, um sie zu zeitigen. Der Basilisk hatte einen geflügelten Leib, einen gekrönten Kopf, vier Hahnenfüße, einen Schlangenschwanz, funkelnde Augen und einen so giftigen Blick, daß derselbe noch schlimmer als das »böse Auge« der heutigen Südeuropäer und Morgenländer wirkte. Das von ihm ausgehende Gift erfüllte, so wähnte man, die Luft und tödtete alles Sterbliche, welches mit solcher Luft in Berührung kam: die Früchte fielen von den Bäumen und verdarben, Gras und Kraut verbrannten, die Vögel stürzten todt aus der Luft herab, Roß und Reiter erlagen. Nur ein Thier gab es, welches den Basilisken zu bannen und unschädlich zu machen vermochte: seinen Miterzeuger, den Haushahn. Wie vor dessen Krähen die späteren Erzeugnisse des Wahnes, Teufel, Gespenster und andere Spukgestalten, weichen müssen, so war auch der Basilisk genöthigt, bis in die Tiefe der Erde zu flüchten, wenn er das Krähen des Haushahnes vernahm. Der alberne Märchenkram wurde bis in die neuere Zeit geglaubt – nicht bloß von naturunkundigen Laien, sondern auch von sogenannten gelehrten Männern, welche über Naturgegenstände schrieben, beispielsweise von dem englischen Naturkundigen Topsel, der eine köstliche Schilderung des Basilisken entwirft. Kein Wunder, daß Luther den Namen dieses Thieres gebrauchte, um mehrere dunkle Stellen des alten Testaments zu übersetzen. »Denn siehe, ich will Schlangen und Basilisken unter euch senden, die nicht beschworen sind, die sollen euch stechen, spricht der Herr!« droht Jeremias im Namen seines grimmigen Gottes. »Sie brüten Basiliskeneier«, läßt sich Jesaias vernehmen, »und wirken Spinnenwebe; isset man von ihren Eiern, so muß man sterben; zertritt man sie, so fähret eine Otter heraus.« Welche fürchterlichen Thiere die beiden Seher im Sinne gehabt, oder ob sie überhaupt an Thiere gedacht haben, läßt sich unmöglich entscheiden; wer die Geschwätzigkeit der Morgenländer und den verschwenderischen Gebrauch von nichtssagenden Worten aus eigener Erfahrung kennen gelernt hat, gibt sich auch keine Mühe, darüber nachzugrübeln. Gewiß ist nur das eine, daß die neuere Thierkunde einen so bedeutsamen Namen sich nicht entgehen ließ und ihn ebenso wie die alter Götter und Göttinnen, Helden, Nymphen, Nixen, Dämonen, Teufel und ähnlicher Phantasiegebilde verwendete.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 220-222.
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