Waran (Varanus niloticus)

[152] Der Waran (Varanus niloticus, Lacerta nilotica, ceilonica, capensis und major, Stellio saurus, Scincus niloticus, Tupinambis niloticus, elegans, stellatus und ornatus, Varanus elegans und ornatus, Monitor niloticus, Polydaedalus niloticus) vertritt die Untersippe der Zierechsen (Polydaedalus) und unterscheidet sich von anderen Familienverwandten durch den etwas zusammengedrückten, auf der Oberseite einen erhabenen Kiel bildenden Schwanz, die vorn kegelförmigen, hinten stumpfkronigen Zähne und die Stellung der Nasenlöcher. Ein ausgewachsener Waran erreicht eine Länge von zwei Meter, wovon der Schwanz fast die Hälfte wegnimmt. Die Grundfärbung ist ein düsteres Gelbgrün; die Zeichnung wird bewirkt durch schwarze Flecken, denen sich zwischen Schulter und Handwurzel hufeisenförmig gestaltete gelbe Tupfen und in Reihen geordnete grünlichgelbe Punkte zugesellen; vor jeder Schulter sieht man ein schwärzliches, halbkreisförmiges Band; das erste Drittheil des Schwanzes trägt schwarze, der Rest gelbliche Ringe.

Der Waran scheint in den meisten Flüssen Afrikas vorzukommen, da man ihn nicht bloß in Egypten und Nubien, sondern auch in Guinea und Senegambien und ebenso in Südafrika gefunden hat. In Egypten tritt er, soviel ich beobachtet habe, weit häufiger auf als in Nubien, wohl nur deshalb, weil dort sein Wohngebiet, der Strom, reicher an Nahrung ist als hier; im Ost-Sudân findet er sich stellenweise in erheblicher Anzahl, wenn auch immer nur einzeln, nicht in Gesellschaften. In der Regel bemerkt man ihn, wenn er sich in Bewegung setzt und dem Flusse zurennt; im Wasser selbst hält er sich meist verborgen, und auf dem Lande liegt er gewöhnlich regungslos in der Sonne. Abweichend von dem Krokodile wählt er sich zum Ausruhen und Schlafen nur im Nothfalle flache Sandbänke, überall hingegen, wo er es haben kann, einen wagerechten Vorsprung des steil abfallenden Ufers und besonders gern ein Felsgesims in ähnlicher Lage; mitunter trifft man ihn auch im Ufergebüsche an, selten in bedeutender Entfernung von seinem Wohngewässer. Doch begegnete ihm Heuglin auch auf weiten Ausflügen, welche er zuweilen unternahm, sogar noch in der Wüste. Im Ufergebüsch bildet das Gewurzel unterwaschener Bäume beliebte Schlupfwinkel für ihn, insbesondere an solchen Strömen, welche zeitweilig gänzlich vertrocknen. Einen Sommerschlaf hält er wahrscheinlich nicht; obgleich entschiedener Freund des Wassers, ist er doch von diesem viel weniger abhängig als das Krokodil.

Die Egypter und Afrikaner überhaupt kennen ihn wohl und verwechseln ihn niemals mit dem Krokodile: Geoffroy's Angabe, daß man ihm den Waran als ein junges Krokodil bezeichnet habe, muß also wohl auf einem Irrthume beruhen.

[152] Es ist möglich, daß die alten Egypter unseren Waran als Vertilger ihrer Gottheit Krokodil kennen gelernt und ihm deshalb auf ihren Denkmälern einen hervorragenden Platz gegeben haben; gegenwärtig aber behilft sich das Thier auch ohne junge Krokodile recht gut. Er stellt, wie angegeben, kleinen Säugethieren und Vögeln, anderen Eidechsen, welche in Egypten überall und somit auch in unmittelbarer Nähe des Stromes massenhaft sich finden, Fröschen, vielleicht auch jungen Schildkröten, hauptsächlich aber wohl Fischen nach, plündert die Nester der Strandvögel, besucht selbst Taubenhäuser und Hühnerställe, um hier Eier und Geflügel zu rauben und betreibt nebenbei Kerbthierjagd.


Waran (Varanus niloticus). 1/8 natürl. Größe.
Waran (Varanus niloticus). 1/8 natürl. Größe.

Gefangene Warane, welche Geoffroy beobachtete, zeigten sich äußerst raubgierig und fielen alle kleineren Thiere an, welche man in ihren Käfig brachte, bekundeten sich überhaupt als mordsüchtige Geschöpfe.

Ich habe mehrere Warane erlegt, immer aber nur zufällig, wenn ich sie einmal beim Beschleichen von Vögeln in der Sonne liegen sah und mich ihnen gedeckt nähern konnte. Gefangene sieht man zuweilen im Besitze der Fischer, in deren Netzen sie sich verwickelt hatten; eine regelmäßige Verfolgung aber hat das Thier in Egypten nicht zu erdulden. Anders ist es in Mittel- und Südafrika. Unter dem »Leguan«, dessen Fleisch Livingstone als schmackhaft rühmt, versteht er [153] wahrscheinlich unseren Waran. Schweinfurth erzählte mir, daß man in Galabat allen größeren Schuppenechsen, insbesondere aber den Waranen, eifrig nachstellt, die erlegten abzieht, auf Kohlen bratet und dann als köstliches Gericht betrachtet – gewiß nicht mit Unrecht. In Sansibar werden sie, nach Kersten, oft gefangen, fest auf einen Stock gebunden und in dieser hülflosen Lage zur Stadt gebracht, schwerlich aber für die Küche, da weder die mahammedanische Bevölkerung jener Gegend, noch die Eingeborenen der Küste des Festlandes derartige Thiere genießen. Die Eier des oben erwähnten trächtigen Weibchens, welches ein Begleiter von der Deckens erlegt hatte, wurden gekocht und von den Europäern als ein köstliches Gericht befunden; vergeblich aber bot Kersten von dieser Speise den eingeborenen Begleitern der Reisenden an. Sogar die sonst in keiner Hinsicht wählerischen Wanikas, welche von den Mahammedanern der Ostküste als »Schweine« bezeichnet werden, weil sie das verschiedenartigste Gethier essen, den Inhalt der Därme geschlachteter Rinder noch genießbar finden und in einem erlegten Raubvogel, sei er auch einer der stinkendsten Geier, ein ihnen zusagendes Gericht sehen, sogar sie weigerten sich, von dem reinlichen Eiergerichte etwas über ihre Lippen zu bringen, obgleich Kersten, um ihr Vorurtheil zu bekämpfen, vor ihren Augen von letzterem aß.

Die Dauerhaftigkeit und Lebenszähigkeit, welche der Waran mit den meisten Eidechsen theilt, macht ihn für die Gefangenschaft sehr geeignet und sein Wechselleben zu Lande und Wasser zu einem anziehenden oder doch auffallenden Bewohner eines entsprechend hergerichteten Käfigs. Wie groß die Lebenszähigkeit ist, erfuhr Sparrmann zu seiner nicht geringen Verwunderung. Um einen gefangenen dieser Art zu tödten, gab er ihm mit einer groben Nadel mehrere Stiche ins Herz und ins Gehirn, wühlte in letzterem mehrmals umher und glaubte nun, das Thier sicher getödtet zu haben; trotzdem besaß es noch Kräfte genug, wegzulaufen. Nunmehr wurde ihm die Brust zerquetscht und es, als auch das noch nicht half, mit zusammengebundenen Füßen achtundvierzig Stunden lang am Halse aufgehängt. Nach Verlauf dieser Zeit hatte es sich losgemacht und zu befreien gesucht; es war jedoch sehr schwach und wurde wieder eingefangen. Jetzt endlich setzte man es in Weingeist, und nach einer Viertelstunde hatte es ausgezappelt.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 152-154.
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