Synapta glabra

[426] Einzelne Synaptenarten der südlichen Meere werden so groß, daß sie von den Inselbewohnern »Seeschlangen« genannt werden. So sah Semper bei der Insel Bohol Exemplare der Synapta Besselii von über 2 Meter Länge. »Ihre Bewegungen sind äußerst langsam. In mehrfachen Windungen liegen sie zwischen den Steinen und im Sande der Riffe und bewegen sich theils durch die bekannten wellenförmig von vorn nach hinten fortschreitenden Kontraktionen ihres Leibes, wie ganz besonders mit Hülfe ihrer Mundtentakeln fort.


a Vorderende der Klettenholothurie (Synapta inhaerens). 2/3 natürl. Größe. b, c, d und e Anker und Ankerplatte von Synapta Besselii. Vergrößert.
a Vorderende der Klettenholothurie (Synapta inhaerens). 2/3 natürl. Größe. b, c, d und e Anker und Ankerplatte von Synapta Besselii. Vergrößert.

Ihre Anker sind ihnen entschieden keine Bewegungsorgane. Haben sie dieselben einmal irgendwo eingehakt, so können sie sich nur durch den [426] Verlust derselben wieder befreien. Allerdings sind die Anker beweglich und hebeln auf dem Bügel der Ankerplatte, aber sie entbehren aller und jeder Muskeln, die ihre Bewegungen unter den Willen des Thieres stellen könnten. Auch kletten die Synapten nur dann, wenn man sie unsanft berührt; im Gehen schieben sie sich an Steinen und Pflanzen vorbei, ohne hängen zu bleiben, und bei einer 3 Fuß langen neuen Art, meiner Synapta glabra, liegen diese Organe im Gehen so tief in die Haut eingebettet, daß ich sie wegen ihr ganz glatten, schlüpfrigen Haut für ganz ankerlos hielt, so lange ich die Haut nicht mikroskopisch untersucht hatte.«

Ueber die Entwickelungs- und Verwandlungsgeschichte der Holothurien sind wir jetzt ziemlich genau unterrichtet. Schon Baur hat die gefingerte Klettenholothurie von Triest auf das genaueste untersucht, wenn auch erst in neuester Zeit die Deutung der ersten Entwickelungsvorgänge geglückt ist. Man fängt die mikroskopisch kleinen Larven der Holothurien und der meisten anderen Echinodermen vorzüglich mit einem feinen Gazenetze bei ruhigem Wetter an der Oberfläche des Meeres. Die späteren Stufen der Synapte verschaffte sich Baur, indem er ein ebenfalls sehr engmaschiges Schleppnetz über den Wohngrund der Thiere hinzog und den reichlich gewonnenen Schlamm ausspülte. Die zarten Wesen blieben dann im Netze zurück.


Larve der Klettenholothurie. Natürliche Größe 0,8 Millimeter.
Larve der Klettenholothurie. Natürliche Größe 0,8 Millimeter.

Die nicht ganz einen Millimeter lange Larve hat ein von dem ausgewachsenen Echinoderm völlig abweichendes Aussehen, ist nicht strahlenförmig, sondern symmetrisch gebaut und hat ungefähr die Gestalt eines ganz flachen Bootes mit deckartig übergebogenem Vorder- und Hinterende und welligen Rändern. Dieser ununterbrochene Rand ist mit einer Wimperschnur besetzt, durch deren Thätigkeit das kleine Wesen mit dem pyramidalen Vorderende voran spiralig sich drehend schwimmt. Das wichtigste innere Organ der Larve ist der Darmkanal (a Mundöffnung, b Magen, c Afteröffnung). Außerdem erblicken wir in der Larve ein paar wurstförmige Körper (d), welche allmählich den Darm umwachsen und sich zur Leibes wand der Synapte ausbilden. Aus einem anderen Theile (e) entwickelt sich das Gefäßsystem. Im Hinterende sind ein Paar Kalkrädchen sichtbar, welche im ausgewachsenen Thiere zwar verschwunden sind, aber sich ausgezeichnet zur Kontrollirung der zusammengehörigen Entwickelungsstadien bewährt haben. Unsere Larve geht nun in einen Puppenzustand über, welcher ungefähr das Aussehen einer Tonne hat. Statt des früheren zusammenhängenden Saumes finden wir nun Wimperreifen. In diesem Tönnchen wächst aus den schon oben sichtbaren Keimen der eigentliche Körper der Synapta heran; wir sehen die Fühler (i), den blasenförmigen Anhang des Gefäßringes (k) und die Längsmuskeln (l). Später noch öffnet sich das Vorderende der Tonne und es wachsen die Fühler hervor, die Wimperreifen der Tonne verschwinden, aber die Tonnenwand legt sich als äußerste Hautschichte um den Körper der Synapta. Noch längere Zeit, nachdem die Thierchen schon die Wimperreifen verloren haben und nur im Schlamme herumzukriechen vermögen, verrathen sie ihre Herkunft durch die Kalkrädchen. Sie sind dann auch nicht langer als einen Millimeter, wachsen aber ziemlich rasch. Das Stadium, auf welchem wahrscheinlich die Parasitenschnecke einwandert, ist schon Seite 326 gegeben.

[427] Viele, vielleicht alle jungen Holothurien machen eine Periode durch, während welcher ihr Ambulacral system (die Saugfüßchen) lediglich auf die Kiemententakeln allein oder auf diese nebst einigen noch im Umkreise des Mundes stehenden eigentlichen Saugfüßchen beschränkt ist. In diesem Zustande kriechen sie, den Mund nach unten gekehrt, dieselbe Lage einnehmend, welche die Seeigel, Seesterne und Schlangensterne zeitlebens beibehalten. Dann, wenn sie sich strecken und die Ambulacra hervorkommen, legen sie sich auf die Seite. Unter diesem, dem richtigen, durch die Entwickelungsgeschichte gegebenen Gesichtspunkte, ist die Klettenholothurie nicht eine extreme Bildung, sondern, wie wir oben bemerkten, eine auf einem embryonalen Stadium verharrende Form.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 426-428.
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