Pinna squamosa

[368] Die Pinnen leben in den heißen und gemäßigten Meeren und erreichen zum Theile eine Länge von zwei Fuß, wie Pinna squamosa des Mittelmeeres. Sie lieben die stillen Meerbusen mit Schlammgrund, in dem sie in der Tiefe von einigen Fuß meist in großen Mengen bei einander sitzen. Sie werden theils wegen ihres minder guten Fleisches, theils wegen des Byssus gesucht, aus welchem in Unteritalien allerhand Geflechte und Webereien angefertigt werden, jedoch mehr der Kuriosität wegen, als daß ein eigentlicher Handelsartikel daraus würde.

Schon die Alten haben beobachtet, daß sehr häufig (sie glauben, immer) die Pinne in ihrer Mantelhöhle einen rundlichen Krebs beherbergt, den sie Pinnotheres oder Pinnophylax, den Pinnenwächter, nannten. »Das Amt dieser Hüter«, sagt noch Rumph, dem Plinius folgend, »besteht darinnen, daß sie die Steckmuschel kneipen müssen, wenn etwa einige Speise in der Schale vorhanden oder irgend eine Gefahr zu befürchten ist, damit die Muschel gleich ihre Schalen zusammenziehe.« Plinius fügt noch hinzu, daß der Wächter für seinen Dienst einen Theil der [368] Beute erhalte. Wir haben diese Fabeln schon oben, Seite 10, angedeutet. Es bedarf kaum der Erwähnung, daß die dem Krebs zugedachte Rolle zum Besten der Muschel eben nichts als ein artiges Märchen ist.

Wir lassen nun einige der Familien oder wenigstens Sippen als Familien-Repräsentanten folgen, deren Mantel hinten in zwei mehr oder minder lange Röhren oder Siphonen ausgeht und deren Schale die Mantelbucht zeigt. Man sehe die Abbildung S. 343.

Eine der umfangreichsten Muschelfamilien ist diejenige der Tellinaceen (Tellinacea). Das Thier hat den Mantel in seiner ganzen Länge getheilt. Der Fuß ist zusammengedrückt und erzeugt nie einen Bart. Die Kiemen sind blattartig. Die Schale ist ziemlich gleichschalig. Die hierher gehörigen Arten, über alle Zonen der Erde verbreitet, leben frei im Sande. Sie sind theils Meer-, theils Süßwasserbewohner. Unter jenen finden sich viele eßbare Muscheln, namentlich aus der Sippe Venus, welche zugleich viele durch Schönheit der Farben und mancherlei stachelige Auswüchse ausgezeichnete, von den Muschelsammlern sehr gesuchte und ehemals hoch bezahlte Arten enthält. Seit einigen Jahren hat man angefangen, auch manche dieser im Sande und Schlamme sich vergrabenden Muscheln in den Aquarien zu halten, nachdem man die Scheu überwunden, den Boden mit einigen Zoll hoch Schlamm zu bedecken. Der feinst vertheilte Schlamm setzt sich bald und aus ihm strecken alsdann die Muscheln ihre After- und Athemröhre in das klare Wasser heraus.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 368-369.
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