2. Sippe: Schiffswürmer (Teredo)

[374] Die bisher genannten bohrenden Muscheln können kaum unter die schädlichen Thiere gezählt werden. An Pholas reiht sich aber ein Thier von äußerster Schädlichkeit an, der Schiffswurm, Teredo, über den wir vorerst einige geschichtliche Nachweise nach Johnstons Zusammenstellung bringen. »Die Zerstörungen, welche dieses wurmförmige Thier bewirkt, sind ansehnlich genug, um sowohl die Verhaßtheit, welche ihm zu theil geworden, als auch den strengen Ausdruck Linné's zu rechtfertigen, welcher ihn calamitas navium (das Elend, Verderben der Schiffe) nennt. Er ist mit dem Vermögen begabt, sich in Holz einzubohren, zerstört Schiffswracke, durchwühlt Bauwerke zur Einengung des Oceans, durchlöchert Schiffe, Brückenpfeiler und Bollwerke in allen Richtungen, so daß sie bald, unfähig, der Gewalt der Wogen länger zu widerstehen, ihnen erliegen müssen. Der Betrag des Schadens, welchen der Schiffswurm auf diese Weise jährlich verübt, ist schwer zu berechnen. Daß er aber sehr beträchtlich sei, geht aus den Klagen, welche über dieses Thier in fast allen Meeren erhoben werden, und aus den vielen kostspieligen Vorkehrungen zu Abwendung seiner Angriffe hervor.« »Da gibt es«, sagt ein ungenannter Reisender, »in den indischen Meeren eine kleine Wurmart, welche in das Bauholz der Schiffe eindringt und dasselbe so durchbohrt, daß sie überall Wasser ziehen; und wenn sie es auch nicht sogleich ganz durchbohrt, so greift sie dasselbe doch so an, daß es meistens unmöglich wird, es wieder herzustellen. Zwar wenden einige Theer, Haare und Kalk als Ueberzug der Schiffe an, welche indessen sämmtlich nicht nur nicht genügen, um den Wurm zu vertreiben, sondern auch das Schiff in seinem Laufe aufhalten. Die Portugiesen brennen ihre Schiffe (es ist die Rede vom Jahre 1666), so daß sie ganz von einer zolldicken Kohlenrinde überzogen werden. Wenn dieses Verfahren aber einerseits gefährlich ist, da es nicht selten geschieht, daß das ganze Schiff verbrennt, so beruht andererseits die Ursache, weshalb der Wurm die portugiesischen Schiffe nicht durchfrißt, nur in der außerordentlichen Härte des angewendeten [374] Bauholzes.« Im Westen ist der Teredo ebenso thätig. Die ersten englischen Schiffahrer sind in ihren kühnen Unternehmungen oft gekreuzt und aufgehalten worden durch das Unbrauchbarwerden ihrer Schiffe; und bei weiterer Ausdehnung des englischen Handels wurde das Uebel so fühlbar, daß man sich entschloß, den Boden der Schiffe mit Blei und Kupfer zu überziehen. Gewöhnlich nimmt man an, daß der Schiffswurm nach der Mitte des 17. Jahrhunderts von den tropischen Meeren aus in Europa eingeführt worden sei; da man aber genügende Beweise hat, daß mehrere Arten daselbst wirklich heimisch sind, so verschwindet die Hoffnung, sie einmal alle in einem ungewöhnlich strengen Winter oder durch eine ihrer Natur nachtheilige Witterung vertilgt zu sehen, sofern der Schiffswurm nämlich meistens in der Nähe der Oberfläche und oft an Stellen verweilt, welche bei der Ebbe trocken werden und nothwendig den Einflüssen aller atmosphärischen Veränderungen ausgesetzt sind. In den Jahren 1731 und 1732 befanden sich die vereinigten Niederlande in einer schreckenvollen Aufregung, als man entdeckte, daß diese Thiere solche Zerstörungen in dem Pfahlwerke der Eindämmungen von Seeland und Friesland angerichtet hatten, daß sie mit einer gänzlichen Vernichtung desselben drohten und dem Menschen schienen wieder entreißen zu wollen, was er mit beispielloser Anstrengung dem Oceane abgerungen hatte. Glücklicherweise verließen sie einige Jahre später diese Dämme wieder; aber in der Furcht vor der Wiederkehr eines Feindes, fürchterlicher als der Großtürke selbst, den sie sich bloß mit Spaten und Schaufeln zu vertilgen vermessen hatten, setzten die Holländer eine große Belohnung für denjenigen aus, der ein Mittel angeben könnte, um die Angriffe dieser Thiere abzuwenden. Salben, Firnisse und giftige Flüssigkeiten wurden sofort hundertweise anempfohlen. Es dürfte schwer sein, den Betrag des Schadens zu schätzen, welchen diese Heimsuchung verursacht hat, die nach der Meinung von Sellius (welcher 1733 eine Naturgeschichte des Teredo herausgab), da er keine natürliche Veranlassung dazu entdecken konnte, von Gott verfügt war, um den wachsenden Hochmuth der Holländer zu züchtigen. Die Schriftsteller jener Zeit bezeichnen ihn im allgemeinen als sehr groß, und Dr. Tobias Baster führt den Teredo als ein Thier an, welches in jenen Gegenden für viele Millionen Schaden verursacht habe. Auch England hat er mit mannigfachem Unheil heimgesucht und thut es noch. »Der gesundeste und härteste Eichenstamm kann diesen verderblichen Geschöpfen nicht widerstehen; denn schon in vier bis fünf Jahren durchbohren sie ihn in solchem Grade, daß seine Beseitigung nothwendig wird, wie das wiederholt auf den Werften von Plymouth vorgekommen ist. Um das daselbst verwendete und ihren Angriffen ausgesetzte Bauholz zu erhalten, hat man versucht, die unter Wasser stehenden Theile desselben mit kurzen, breitköpfigen Nägeln zu beschlagen, welche im Salzwasser bald die ganze Oberfläche mit einer starken, für den Bohrer des Wurmes undurchdringlichen Rostrinde überziehen. Und dieser Versuch scheint von Erfolg gewesen zu sein, da der Wurm in den Häfen von Plymouth und Falmouth, wo er sonst häufig gewesen, jetzt selten oder gar nicht mehr zu finden ist. Aber in anderen Gegenden ist er fortwährend geblieben und hat z.B. innerhalb weniger Jahre eine Menge von Pfählen an den Brückenpfeilern zu Port Patrick an der Küste von Ayrshire wesentlich beschädigt oder gänzlich verdorben, so daß behauptet wird, dieses Thier werde in Gemeinschaft mit einem gleich verderblichen Kruster, Limnoria terebrans (zu den Wasser-Asseln gehörig), bald die völlige Zerstörung alles Holzes in jenen Pfeilern bewirken. Keine Holzart scheint fähig, der verhängnisvollen Bohrkraft dieses Weichthieres zu widerstehen. Indisches Tek (Tectonia grandis), Sissu- und Saulholz, eine Sorte, welche dem Tek nahe steht, aber noch härter ist, werden alle in kurzer Zeit durchfressen; noch viel leichter werden Eichen und Cedern und am schnellsten so weiche Hölzer wie Erle und Kiefer durchlöchert.«

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 374-375.
Lizenz:
Kategorien: