Gemeine Languste (Palinurus vulgaris)

[22] Die Familie der Panzerkrebse (Loricata) zeichnet sich durch sehr harte Körperbedeckungen und sehr großen Nachleib aus. Alle fünf Beinpaare endigen ohne Scheren, nur mit einem klauenförmigen Gliede. Die wichtigste Gattung ist die der Langusten (Palinurus), ausgezeichnet durch die den Körper an Länge übertreffenden äußeren Fühler, mit dicken, stacheligen Stielgliedern und langer Geisel. Die gemeine Languste (Palinurus vulgaris) kommt am häufigsten im Mittelmeere vor, jedoch auch an den West- und Südküsten von Irland und England in solchen Mengen, daß sie ein guter Artikel des Londoner Marktes ist. Unser Gruppenbild stellt sie in Gesellschaft des Hummers dar, sie hat den Vorderrand des Kopfbruststückes mit zwei starken Stacheln geziert und ist auf der Oberfläche dieses Körpertheiles dicht bestachelt, während der Nachleib glatt ist. Sie wird 40 Centimeter lang und von lebhafter röthlich-violetter Farbe. Dieselbe geht schnell in ein intensives Blau über, wenn man den frischgefangenen Krebs dem direkten Sonnenlicht aussetzt, während, wenn man das Hautskelett im Schatten trocknen läßt, die natürliche Farbe sich ziemlich hält. Die in einzelnen Riesenexemplaren zwölf bis funfzehn Pfund schwer werdende Art ist im Mittelmeere viel häufiger als der Hummer und daher für die Tafelfreuden der gewöhnliche Stellvertreter des mehr dem atlantischen und Nordseegebiete angehörigen Hummers. Die Languste liebt felsigen, rauhen, mit Seepflanzen bewachsenen Grund von sehr verschiedener Tiefe. In Dalmatien, wo sie besonders häufig um Lesina und Lissa herum vorkommt, während sie gegen Istrien hinauf mehr und mehr schwindet, habe ich sie selbst in Tiefen von zwei bis etwa zwanzig Faden beobachtet. Man fängt sie auf zweierlei Art; die eine mit dem Netz ist prosaischer. Dasselbe wird in Form einer über einen Meter hohen, über einunddreißig Meter langen Wand auf den Meeresboden versenkt und muß über Nacht stehen bleiben. Es ist sehr weitmaschig. Die in der Dunkelheit daran stoßenden Fische und großen Krebse suchen sich durch die Maschen zu zwängen, die Langusten versuchen mit ihren ungeschickten Beinen darüber zu steigen und verwickeln sich bei diesem Beginnen. Zeitig am Morgen muß das Netz gehoben werden, indem sonst die Gefangenen von den Raubfischen und Delfinen verspeist werden. Zwar ist das Herausziehen des Netzes, besonders wenn es allerhand gute Beute bringt, auch spannend und interessant, allein ungleich anziehender ist das Fischen und der dabei unterlaufende Fang der Languste bei Feuerschein. Ich befand mich mit einem anderen Naturforscher auf der Insel Lesina, auf dem an einer reizenden Bucht liegenden Landgute Milna des ausgezeichneten Kenners der adriatischen Thierwelt, Professor Boglich. Da vollkommene Windstille (Bonazza) und ein herrlicher Abend, so wurde bestimmt, nach eingetretener völliger Dunkelheit Fische zu stechen. Das Boot wurde zurecht gemacht, die vierzinkige Lanze untersucht, trockener Kiender leider immer mehr schwindenden Strandkiefer im Vordertheile des Fahrzeuges neben dem auf der äußersten Prora angebrachten eisernen Feuergestelle angehäuft. Nur ein Ruderer trieb das Boot möglichst geräuschlos längs der felsigen Küste hin, den Blicken und Handbewegungen des die Lanze führenden Gastfreundes gehorchend, mit größter Sicherheit die kleinsten Wendungen bewerkstelligend, wie sie nöthig waren, um die Harpune möglichst lothrecht über die Beute zu bringen. Knisternd flackerte das Feuer und verbreitete nicht nur über dem Wasser Licht und warf auf die wilde, zerrissene Küste einen zauberhaften Schein, sondern erleuchtete den Meeresgrund bis auf zwanzig und dreißig Fuß tief so deutlich, daß alle über einige Zoll große Gegenstände auf das genaueste zu unterscheiden und zu erkennen waren. Diese Thiere scheinen von dem ungewohnten, viele gewiß im Schlafe überraschenden Glanze wie betäubt zu werden. Besonders die Fische bleiben meist unbeweglich stehen, und auch die sonst äußerst vorsichtigen Dintenschnecken und Langusten lassen sich nun beschleichen. Ueber den Rand des Bootes gebeugt diese in wunderbaren Farben [22] und Schatten spielende stumme, geheimnisvolle Welt zu betrachten, war ein Hochgenuß. Schon lagen eine Anzahl Fische, auch ein Riesenexemplar einer Dintenschnecke, vor uns, als Freund Boglich abermals winkte und auf eine dicht mit Tang bewachsene Stelle des Grundes zeigte. Da, fast ganz überdeckt von den Pflanzen, den Hinterleib in einer Spalte bergend, mit den langen Fühlhörnern spielend und tastend, saß eine prächtige Languste; noch einige Momente, und die verhängnisvolle Lanze schwebte über ihr, so schnell, als der Arm ihn zu führen vermochte, erfolgte der Stoß und das Thier lag, im Todeskampfe gewaltig mit dem Schwanze schlagend, zu unseren Füßen. Erst nach Mitternacht kehrten wir heim, ich, um am folgenden Morgen eine andere Languste für meine Sammlung zu präpariren, während andere Hände die Beute unserer nächtlichen Fischerei zu einem lukullischen, durch feuerigen, dalmatinischen Wein gewürzten Mahle zubereiteten. Eine dritte, im Netze gefangene und völlig unversehrte Languste hielten wir einige Tage, mit einem Stricke an einen Stein gebunden, im Meere. Obgleich sie hinreichenden Spielraum hatte, verhielt sie sich doch sehr still und langweilig, ob, weil sie überhaupt keine Gedanken hatte oder weil sie zum Bewußtsein ihrer hoffnungslosen Lage gekommen, ist nicht zu sagen.

Man findet die Langusten jetzt oft in den größeren Aquarien mit Hummern und Taschenkrebsen. Wie der Kustos des Hamburger Aquariums bemerkte, gaben sie Töne von sich, und zwar geschah dies nur dann, wenn sie mit ihren großen Fühlhörnern starke Bewegungen machten, z.B. wenn sie dieselben gebrauchten, um Angriffe ihrer Kameraden beim Essen abzuweisen. Der Professor Möbius, damals in Hamburg, hörte, von dem Kustos aufmerksam gemacht, diese Töne auch und bezeichnet sie als dem Knarren ähnlich, welches entsteht, wenn man das Oberleder eines Stiefels gegen ein Stuhl- oder Tischbein drückt. Dieses Knarren lassen die Langusten auch hören, wenn man sie aus dem Wasser hebt, es klingt dann noch lauter, als man es aus dem Wasser heraus vernimmt. Es fand sich nun, daß das Instrument, mit welchem die Töne erzeugt werden, eine runde Platte ist, welche an dem untersten der beweglichen Glieder ihrer äußeren Fühler sitzt, und zwar oben an der inneren Seite derselben. Das Knarren entsteht, indem ein behaartes Feld der Platte über die glatte Fläche des festen Ringes gleitet, mit welchem das erste bewegliche Fühlerglied verbunden ist. Man wird durch diese Töne und ihre Hervorbringung an den Knurrhahn (Dactylopterus, ein Seefisch) erinnert, der ebenfalls ein lautes Knarren hervorbringt, indem er die Gelenkflächen des Kiemendeckels übereinander gleiten läßt, abgesehen von vielen Insekten, welche durch Reiben verschiedener Körpertheile gegen einander ähnliche Geräusche hervorbringen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 22-23.
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