Wangal (Phalangista maculata)

[575] Der Tüpfelkuskus oder Wangal der Bewohner Arus (Phalangista maculata, Ph. papuensis und Quoyi, Cuscus maculatus und macrourus), eine der schönsten Arten der Gruppe, erreicht, ausgewachsen, eine Gesammtlänge von 1,1 Meter, wovon der Schwanz etwa 45 Centim. [575] wegnimmt. Ein dichter, wolliger, seidenweicher Pelz bekleidet den Leib. Seine Färbung ändert vielfach ab. Die in der Regel weiße, gelblich oder graulich überflogene Oberseite des Pelzes wird durch große, unregelmäßige, brennend rostrothe, tiefbraune oder schwarze Flecken gezeichnet, welche auf der Außenseite der Beine verschwimmen; die Unterseite ist immer ungefleckt und reinweiß, die Füße sind rostfarben, Gesicht und Stirn bei alten Thieren lebhaft gelb, bei jüngeren rostgelb, die Ohren oft weiß und die nackten Theile röthlich; der weiße Schwanz zeigt nur ausnahmsweise einige Flecken. Bei jungen Thieren sind letztere lichter, bei Säuglingen grau.

Wir verdanken die ersten Nachrichten über das Leben des Thieres dem Holländer Valentyn. Er erzählt, daß auf Amboina unter dem Geschlecht der Wiesel der Kuskus oder Kusu, wie ihn die Malaien nannten, eines der seltsamsten wäre. »Der Kopf hat viele Aenlichkeit mit einer Ratte oder mit einem Fuchse. Der Pelz ist fein und dicht, wie bei einer Katze, doch wolliger und von Farbe roth und grau, fast wie beim Hasen. Einige sind röthlich, einige auch weiß, die Weibchen meistentheils grau. Die großen Arten sind sehr böse und gefährlich, weil im Stande, wenn sie auf einem Baume sitzen und von jemand am Schwanze gehalten werden, den Mann in die Höhe zu ziehen und dann fallen zu lassen. Auch wehren sie sich mit ihren scharfen Tatzen, welche unten nackt sind, fast wie eine Kinderhand, und bedienen sich derselben wie ein Affe; dagegen vertheidigen sie sich nicht mit den Zähnen, obschon sie recht gut mit denselben versehen sind. Das Ende des Schwanzes ist nackt und krumm; damit halten sie sich so fest an den Zweigen, daß man sie nur mit genauer Noth abziehen kann. Sie wohnen auch auf den Molukken, nicht in Gängen, wie die westindischen Wiesel, sondern in Wäldern, auf Bäumen, besonders wo es Holzsamen gibt. Auf Ceram und Bulo gibt es mehr als auf Amboina, weil sie hier die Menschen scheuen, welche sie in eigenthümlicher Weise fangen, um sie zu essen; denn sie sind ein Leckerbissen für die Eingebornen und schmecken gebraten wie die Kaninchen. Aber die Holländer mögen sie doch nicht. Man muß die am Schwanze aufgehangenen starr ansehen, dann lassen sie aus Furcht den Schwanz los und stürzen vom Baume. Aber nur gewisse Leute besitzen die Eigenschaft, die Kuskus von den Bäumen ›herabzusehen‹. Die Thiere springen von einem Baume zum andern wie die Eichhörnchen, und machen dann den Schwanz krumm wie einen Haken. Sie hängen sich an Zweige an, damit sie um so besser die Früchte erreichen können, welche sie genießen. Grüne Blätter, die äußere Schale der Canarinüsse, Pisang und andere saftige Früchte werden von ihnen gefressen. Dabei setzen sie sich wie die Eichhörnchen. Wenn sie auf dem Boden herumgehen und überrascht werden, sind sie in einem Augenblicke auf dem Baume. Aengstigt man sie, so harnen sie vor Schrecken. Zwischen den Hinterfüßen befindet sich ein Beutel, worin zwei bis vier Junge aufbewahrt werden, welche so fest an den Saugwarzen hängen, daß beim Abreißen Blut fließt. Fast jedes Weibchen, welches man findet, hat Junge im Sacke; sie müssen mithin immer trächtig gehen.«

Später berichten uns Lesson und Garnot, welche Kuskuten in Neu-Irland trafen: »Die Eingeborenen brachten täglich eine Menge dieser Thiere lebendig ans Schiff. Sie hatten ihnen die Beine gebrochen und ein Stück Holz ins Maul gesteckt, wahrscheinlich um das Beißen zu verhindern. Ihren Erzählungen nach verrathen sich die Kuskuten durch ihren Gestank und werden dann durch Anstarren mit den Augen gebannt und, wenn sie aus Ermüdung den Schwanz loslassen und herunterfallen, gefangen. Die Eingeborenen lieben das fette Fleisch ungemein, weiden die Gefangenen aus und braten sie mit Haut und Haaren auf Kohlen. Aus den Zähnen werden Halsschnüre, Gürtel und Verzierungen der Waffen, oft von Klafterlänge bereitet«.

Quoy und Gaimard bemerken, daß der Tüpfelkusus in Indien die Faulthiere Amerikas vorzustellen scheine. Er sei eben so stumpf und bringe den größten Theil seines Lebens in der Dunkelheit zu. Von dem Lichte belästigt, steckt er den Kopf zwischen die Beine und verändert diese Lage bloß dann, wenn er fressen will; dabei beweist er eine große Begierde, so stumpf er sonst auch ist. In den Wäldern nähren sich alle bekannten Arten von würzigen Früchten; in der Gefangenschaft fressen sie, wenn ihnen Pflanzennahrung mangelt, auch rohes Fleisch. Ihr Betragen im

[576] Käfige oder Zimmer ist ebensowenig angenehm wie ihr Ansehen. Sie sind langsam und still, schläfrig und grämlich, fressen gierig und saufen sehr viel. Mit ihres Gleichen vertragen sie sich schlecht, hauen oft unter Knurren und gellenden Schreien auf einander los, fauchen wie die Katzen, zischen und reißen, während sie sich balgen, einander große Stücken ihrer dünnen und zarten Haut aus. Die Haut ist allerdings so dünn, daß sie losgeht, wenn man sie mit Gewalt am Pelze wegziehen will, während sie sich an ihren scharfen Krallen festhalten, und bei ihrer Störrigkeit auch dann nicht loslassen, wenn ihnen der Pelz in Fetzen vom Leibe gerissen wird. Während des Tages sehen ihre großen karminrothen Augen, deren Stern auf einen schmalen Spalt zusammengezogen ist, eigenthümlich dumm und blöde aus; in der Nacht leuchten sie wie die anderer Nachtthiere: dann erinnern sie in vieler Hinsicht an die uns bekannten Faulaffen oder Loris. Wenn sie nicht fressen oder schlafen, lecken sie sich an den Pfoten oder am Schwanze; einen andern Zeitvertreib scheinen sie nicht zu kennen. Die Thiere heißen übrigens bloß auf Amboina Kuskus; in Neuholland nennt man sie Gebun, auf Waigin Rambawe oder Schamscham, auf Aru Wangal und wahrscheinlich führen sie auf jeder Insel einen besonderen Namen.

Wallace weiß den vorstehenden Mittheilungen wenig beizufügen. Nach seinen Beobachtungen ernähren sich die Kuskuten fast ausschließlich von Blättern und verschlingen von diesen sehr bedeutende Mengen. Infolge der Dicke ihres Pelzes und ihrer auffallenden Lebenszähigkeit erlangt man sie nicht leicht. Ei tüchtiger Schuß bleibt oft in ihrer Haut stecken, ohne ihnen zu schaden, und selbst wenn sie das Rückgrat brechen oder ein Schrotkorn ins Gehirn erhalten, sterben sie oft erst nach einigen Stunden. Die Eingebornen fangen sie ohne Mühe, indem sie ihnen auf die Bäume nachklettern, so daß man sich eigentlich wundern muß, sie noch auf den Inseln zu finden. Auf einer der Aruinseln brachten Eingeborne Wallace einen erlegten Tüpfelkuskus, wollten denselben aber nicht abtreten, weil sie das Fleisch zu genießen beabsichtigten. Da es dem Reisenden um den Balg zu thun war, mußte er sich entschließen, sofort mit dem Abstreifen desselben zu beginnen, um ihn überhaupt zu erlangen. Der entfellte Leib wurde von den glücklichen Jägern unverzüglich zerschnitten und geröstet.

Auffallend bleibt es trotz dieser Liebhaberei der Eingebornen für Kuskusfleisch, daß gefangene Kuskuten äußerst selten lebend nach Europa gelangen. Gerade die Bewohner der Molukken und Aruinseln betreiben einen schwunghaften Handel mit Thieren und tauschen diese gern gegen europäische Erzeugnisse ein; aber nur höchst ausnahmsweise sieht man einmal eines dieser theilnahmswerthen Beutelthiere in einem unserer Thiergärten.


*


Viel häufiger gelangen die Kusus (Phalangista) zu uns, den Kuskuten sehr nah verwandte Kletterbeutelthiere, mit ebensolchem Gebiß wie diese, äußerlich unterschieden durch rundlichen Augenstern, ziemlich große Ohren, glatthaarigen Pelz und bis auf die Unterseite der Endspitze behaarten Schwanz.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 575-577.
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