Klappmütze (Cystophora cristata)

[635] Vertreter der Mützenrobben (Cystophora), welche eine besondere, wohl unterschiedene Untersippe bilden, ist die Klappmütze der Robbenschläger, »Bladdernase« oder »Bladder« der Engländer, »Klakkekal« oder »Kabbutskobbe« der Norländer, »Kiknebb« der Finnen, »Avjor« oder »Fattenuorjo« und »Oado« der Lappen, »Neitersoak« und »Kakortak« der Grönländer (Cystophora cristata, Phoca cristata, mitrata, leucopla, cucullata, dimidiata und Isidori, Stemmatopus cristatus und mitratus, Cystophora borealis), eine der größten Robben des Eismeeres, vor allem kenntlich an einer Hautblase, welche sich von der Nase an über die ganze Schnau zendecke und den größten Theil des Oberkopfes erstreckt und willkürlich mit Luft gefüllt oder entleert werden kann, in ersterem Falle einen Schlauch von 25 Centim. Länge und 20 Centim. Höhe bildet und dann wie eine über den Vorderkopf gezogene Mütze aussieht, zugeklappt aber sich einem Kiele vergleichen läßt, welcher die Nase in zwei Theile scheidet. Der Kopf ist groß, die Schnauze dick und stumpf, der Leib dem anderer Robben durchaus ähnlich gebaut, auch das vordere Flossenpaar, in welchem die Zehen von der ersten an an Länge abnehmen und deshalb scharf abgesetzt erscheinen, wenig von dem der Verwandten verschieden, das hintere, fünflappige außen merklich verlängert, in der Mitte bedeutend verkürzt, das vordere Paar mit stark gekrümmten, spitzigen, unten ausgehöhlten, das hintere mit geraden, stumpfen und seitlich zusammengedrückten Nägeln bewehrt, der Schwanz breit und kurz. Alte und Junge tragen ein verschiedenes, die beiden Geschlechter ein übereinstimmendes, aus langen, etwas aufrecht stehenden Grannen- und dicken, pelzigen Wollhaaren gebildetes Kleid, welches in der Regel auf der oberen Seite dunkelnußbraun oder schwarz gefärbt und mit größeren oder kleineren, runden oder eiförmigen Flecken von noch tieferer Farbe gezeichnet, unten aber dunkelgrau oder rostigsilberfarben gefärbt und fleckenlos ist; Kopf und Flossen sind dunkler als der übrige Leib; die von der Mütze bedeckte Stelle des Kopfes und die Flossen haben gewöhnlich dieselbe Färbung wie die dunklen Flecken des Felles. Ausgewachsene Männchen erreichen eine Länge von 2,3 bis 2,5 Meter; die Weibchen, denen die Hautblase fehlt, bleiben merklich hinter diesen Maßen zurück.

Ueber die Bedeutung der Mütze haben sich die Zweckmäßigkeitslehrer vielfach den Kopf zerbrochen und fast noch mehr als bei anderen Gelegenheiten allerlei halt- und sinnlose Auslassungen zu Tage gefördert. Nach dem Ausspruche einzelner dieser, wenn auch nicht alles wissenden, so doch alles erklären wollenden Schöpfungsräthe dient das sonderbare Anhängsel zur Verschärfung des Geruchsinnes; nach Ansicht anderer verringert es unter Umständen das eigene Gewicht des Thieres und erleichtert es diesem, vom Wasser aus auf erhöhtes Eis zu springen; nach der Versicherung dieser erweist es als Polster sich nützlich, damit sich die Mützenrobbe beim Herabfallen auf das Eis nicht stoße; nach Erklärung jener endlich ist die Mütze als ein ganz besonderes Geschenk der Vorsehung zu betrachten, indem sie dem Thiere Schutz gewährt gegen die Keulenschläge der Robbenschläger. Auf das abgeschmackte und unsinnige solcher Deutungen braucht nicht besonders hingewiesen zu werden: es genügt, festzustellen, daß nur Männchen, nicht aber auch [635] das ebenso bewegungs- und schutzbedürftige Weibchen im eigentlichen Sinne des Wortes eine Klappmütze ist. Einen Zweck wird die Blase freilich haben, welchen aber, wissen wir nicht und müssen uns daher einstweilen mit der Annahme trösten, daß sie, wie verschiedene sonstige Schmuckzeichen anderen männlichen Thieren, unserer Robbe einfach zur Zierde gereicht.


Klappmütze (Cystophora cristata). 1/20 natürl. Größe.
Klappmütze (Cystophora cristata). 1/20 natürl. Größe.

Unter den Seehunden des Nördlichen Eismeeres scheint die Klappmütze ein wenig ausgedehntes Gebiet zu bewohnen und innerhalb desselben nirgends in großer Menge aufzutreten. Wie Fabricius berichtet und Brown bestätigt, ist sie in der Nähe von Grönland und Neufundland am häufigsten, an der Westküste von Island und in Finnmarken seltener, weiter im Süden ein nur dann und wann erscheinender, wohl verirrter Gast. Massenhaft findet man sie nirgends, kann sie nicht einmal irgendwo als gemeines Thier bezeichnen. An den Küsten Grönlands trifft man sie hauptsächlich in der Nähe großer Eisfelder an, welche ihr überhaupt weit öfter als das Land zum Ruhe- und Schlafplatze dienen. Hier bevorzugt sie gewisse Plätze und erscheint auf ihnen regelmäßiger als anderswo. Auch sie unternimmt Wanderungen, welche sie weit von den Küsten entfernen und bis in die nördlichsten Theile des Eismeeres führen, wird daher an ihren gewöhnlichen und bekannten Aufenthaltsorten nur zu gewissen Zeiten des Jahres beobachtet. In Grönland trifft sie mit Beginn des April ein und verweilt hier bis Ende Juni oder anfangs Juli, um sich zu hären, ihr Junges zu werfen und dasselbe so weit zu erziehen, daß es den älteren auf ihrer Wanderung [636] folgen kann, wahrscheinlich auch, um sich wiederum zu begatten, worauf sie ihre Wanderung nach Norden antritt. Vom September bis zum März begegnet man ihr häufig in der Davisstraße und der Baffinsbai; hierauf wandert sie südlich, und im Juli kehrt sie einzeln wie der zurück.

Nach übereinstimmenden Angaben verschiedener Berichterstatter ist die Mützenrobbe einer der muthigsten und kampflustigsten aller Seehunde, ihre Jagd deshalb nicht immer ungefährlich. Brown bezeichnet sie als den Löwen der nördlichen Meere, welcher das Reich der Polargewässer nur mit dem mächtigen Walrosse theilt. Zwar macht sie, wenn sie auf dem Eise lagert und behaglicher Ruhe sich hingibt, den Eindruck einer stumpfen Gleichgültigkeit gegen alle äußeren Verhältnisse und schaut mit ihren großen schwarzen Augen ziemlich geistlos ins Weite, greift auch ungereizt kein anderes Wesen an, geräth jedoch leicht in lebhafte Erregung und ist dann stets zum Widerstande geneigt. Anstatt bei Ankunft des Robbenschlägers zu fliehen, erwartet sie ebensowohl die drohende Gefahr, bereitet sich zur Abwehr, indem sie sich nach dem Mittelpunkte der von ihr aufgesuchten Eisscholle begibt, bläst ihren Hautsack auf, schnaubt wie ein wüthender Stier, brüllt und stürzt sich, nicht selten mit Erfolg, auf ihren Gegner los, schlägt diesem mittels ihrer Flossen die Keule aus der Hand und zwingt den wehrlos gewordenen Jäger zur Flucht, rutscht und humpelt auch dann noch hinter ihm drein, so gut ihre Befähigung dies gestattet. Eine solche Verfolgung kann unter Umständen sehr gefährlich für den Jäger werden, namentlich wenn das rettende Boot, von welchem aus er die Eisscholle bestieg, sich entfernt hat, und es der Mützenrobbe schließlich gelingt, ihre Zähne zu gebrauchen. Gleichwohl kommt es selten vor, daß ein Mensch von ihr zerrissen oder todtgebissen wird. Soweit die ältesten Leute Südgrönlands sich erinnern, verlor nur ein einziger Mann in der Nähe von Julianshafen, einem der ergiebigsten Fangplätze unserer Robbe, sein Leben infolge der ihm beigebrachten Bisse. Gefährlicher als ein solches Zusammentreffen auf dem Eise ist die Jagd, wie sie von kleinen Booten aus betrieben wird, weil die angeworfene Mützenrobbe nicht allzu selten auf das Boot stürzt und den in ihm sitzenden Mann zu beißen sucht, ganz abgesehen davon, daß sie das leichte Fahrzeug, mit welchem sie durch die Leine des Wurfspießes verbunden wurde, wie einen Ball hin- und herschleudert. Aus diesem Grunde wagen es nur die erfahrensten grönländischen Robbenschläger, sie im Kayak, dem bekannten leichten Jagdboote, anzugreifen, und man zieht es im allgemeinen vor, sie auf dem Eise aufzusuchen und die etwa zur Wehr sich stellenden durch einen Kugelschuß in den Kopf zu fällen.

Wie unter allen Seehunden, finden auch unter den männlichen Mützenrobben während der Paarungszeit die heftigsten Kämpfe statt. Unter lautem Gebrüll, welches bei ruhigem Wetter auf Meilen hin vernommen werden soll, die Hautblase mit Luft gefüllt, greifen sich die eifersüchtigen Männchen gegenseitig an und bringen sich oft sehr lange und verhältnismäßig tiefe, kaum jemals aber wirklich gefährliche Wunden bei. Während dieser Kämpfe behaupten die Klappmützen stets ein besonderes Gebiet, da sie die Gesellschaft ihrer Verwandten überhaupt nicht zu lieben scheinen, namentlich mit der viel häufigeren Sattelrobbe bloß in sehr seltenen Fällen zusammengefunden werden. Ueber die Dauer der Trächtigkeit finde ich keine Angabe und kann deshalb, auf die Angabe von Fabricius mich stützend, nur sagen, daß das Weibchen im April ein, in seltenen Fällen zwei Junge gebiert, welche nach Browns Untersuchungen in einem reinweißen Jugendkleide zur Welt kommen. Im Laufe des ersten Jahres wird dieses mit dem zweiten vertauscht, welches anfänglich grau aussieht, allmählich aber eine immer tiefere Färbung annimmt; im zweiten oder dritten Jahre geht letzteres Kleid nach und nach in das der Alten über, indem sich die Farben immer mehr dunkeln und die rundlichen oder eiförmigen Flecken hervortreten.

In Grönland oder im Norden überhaupt nutzt man die Mützenrobbe in derselben Weise wie ihre Verwandten; der Fang derselben steht jedoch hinter der Jagd anderer Robben wesentlich zurück, da man in den dänischen Niederlassungen Grönlands, selbst wo die meisten erbeutet werden, kaum mehr als jährlich zwei- oder dreitausend Stück erlegt.


[637] *


Dampier war der erste Reisebeschreiber, welcher uns, und zwar Anfang des vorigen Jahrhunderts, mit dem südlichen Vertreter der Klappmütze, der Elefantenrobbe, bekannt machte; später berichten Admiral Auron, Pernetty, Molina, Peron und endlich Scammon mehr oder minder ausführlich über diese riesigsten aller Robben, so daß wir gegenwärtig ziemlich genau unterrichtet sind.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Dritter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Zweiter Band: Raubthiere, Kerfjäger, Nager, Zahnarme, Beutel- und Gabelthiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 635-638.
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