Dujong (Halicore cetacea)

[659] Chinesen und Araber kannten schon vor Jahrhunderten einen der wichtigsten Vertreter der Familie, über welchen wir bis zum Beginne unseres Jahrhunderts nur dann und wann dürftige Mittheilungen erhalten hatten, die Seejungfer oder Seemaid, den Dujong (zu deutsch Meerkuh) der Malaien (Halicore cetacea, H. Dugong, H. australis [?]), Vertreter der Sippe der Seejungfern (Halicore). Es ist möglich, daß Megasthenes und Aelian die Seejungfer meinen, indem sie von Geschöpfen des Indischen Meeres reden, welche dem menschlichen Weibe ähneln sollen, und es unterliegt keinem Zweifel, daß die »Meermaid«, welche der portugiesische Arzt Bosquez zergliederte, oder die »Seemenschen« und »Seeweiber«, von denen der Holländer Valentyn weitschweifig erzählt, unser Dujong waren; aller Schilderungen aber sind so ungenau, daß sie die Kunde der Seejungfern weder begründen noch fördern konnten. Erst den Franzosen Diard und Duvaucel, welche ein derartiges Thier untersuchten, blieb es vorbehalten, uns genaueres mitzutheilen; Quoy und Gaimard lieferten die erste gute Abbildung; Rüppell, welcher unsere Sirenen im Rothen Meere auffand, gab uns die erste Mittheilung über ihre Lebensweise.

Die Seemaid erreicht eine Länge von 3 bis 5 Meter. Der kurze und dicke, deutlich vom Kopfe geschiedene Hals geht unmittelbar in den Leib über, welcher gleichmäßig gerundet ist, von der Halsgegend an bis zur Mitte allmählich dicker wird und sich dann bis zum Schwanze hin verschmächtigt. Die Brustfinnen stehen nicht weit hinter den Ohröffnungen im unteren Drittel der Körperhöhe, sind nicht besonders lang, aber breit, am vorderen Rande gerundet, hinten zugeschärft; die Zehen lassen sich nur durch das Gefühl erkennen; von Krallen ist keine Spur vorhanden. Die Schwanzfinne besteht in einer plattgedrückten, flachen, halbmondförmigen Flosse. An der kurzen und dicken [659] Schnauze fällt, wie mir Klunzinger schreibt, besonders auf die flache, schräg von oben nach hinten und unten abfallende Oberlippe, unter welcher ein unten abgestutzter Wulst hervorragt. Dieser steht hinten mit einer eigenthümlichen Mundplatte in Verbindung, welche den Zwischenkiefer bedeckt. Eine ähnliche Mundplatte liegt auf dem Unterkiefer. Die Unterlippe bildet einen hinten scharf abgesetzten Wulst. Die Nasenlöcher, welche auf der Oberseite der Schnauze liegen, stehen nahe bei einander und bilden zwei halbmondförmige Spalten; die Augen, welche klein, eirund, aber stark gewölbt und schwarz gefärbt sind, liegen in einem quer gerichteten Spalt, werden an ihrem oberen Rande von einem Halbkreise von Wimpern umgeben, haben keine Lider, aber eine Nickhaut und können durch Zusammenziehung der Haut geschlossen werden; die Ohren sind nur durch kleine, rundliche Oeffnungen angedeutet. Auf der matt bleifarbenen oder graubläulichen, längs des Rückens und Kopfes etwas ins Gelblichgrüne, auf der Unterseite ins Bläulichfleischfarbene spielenden, hier und da mit dunkeln Längsflecken gezeichneten, glatten und glänzenden, nur am Bauche runzeligen, narbenreichen Haut stehen in kleinen Gruben sehr einzeln kurze, dünne, aber steife Borstenhaare, welche auf der Oberlippe fast zu Stacheln werden. Die Flossen und die Schwanzfinne sind vollkommen nackt. Das Gebiß besteht aus wurzellosen, im Alter theilweise ausfallenden Schneide- und Mahlzähnen; erstere sind beim Weibchen kurz, stumpf und spitzig, beim Männchen viel stärker, dreiseitig und meißelförmig; die fünf Mahlzähne jeder Reihe nehmen von vorn nach hinten an Größe zu. Eckzähne fehlen gänzlich; beim Männchen entwickeln sich aber zwei Vorderzähne zu 20 bis 25 Centim. langen und 2 Centim. dicken Hau-oder Stoßzähnen, welche jedoch auf etwa sieben Achtel ihrer Länge vom Zahnfleische bedeckt sind.


Seejungfer oder Dujong (Halicore cetacea). 1/24 natürl. Größe.
Seejungfer oder Dujong (Halicore cetacea). 1/24 natürl. Größe.

Es scheint, daß unsere Seemaid in allen Theilen des Indischen Meeres und der mit ihm zusammenhängenden Gebiete gefunden wird. In der chinesischen Süd-, in der Sulu-, Banda- und Sundasee kommt sie an geeigneten Orten überall, stellenweise häufig vor; nach Norden hin [660] verbreitet sie sich etwa bis in die Hälfte des Rothen Meeres. Hier ist sie ein sehr wohl bekanntes Thier. Alle Schiffer haben sie gesehen, und schwerlich wird man einen von ihnen umsonst nach der »Näkhe el Bahhr« (Kamelstute des Meeres) oder, wie sie im Süden heißt, nach dem »Djilid« (dem Lederigen), beziehentlich »Djild« (der Haut), der »Dauile« (der Langen) oder dem »Urum« fragen, auch eine mehr oder minder ausführliche Beschreibung des auffallenden Thieres erhalten.

Wenn wir die verschiedenen, bis zum heutigen Tage noch sehr dürftigen Berichte zusammenstellen, erfahren wir, daß der Dujong im Meere, ausnahmsweise wohl auch im süßen Wasser der Flußmündungen, nicht aber in den Flüssen selbst sich aufhält, die Nähe der Küsten bevorzugt und nur soweit in die See hinausgeht, als die Pflanzenwelt des Grundes reicht. Seichte Buchten, in denen die Sonne das wenig bewegte Wasser bis zum Grunde durchstrahlen und der Pflanzenreichthum des Meeres besonders sich entfalten kann, bilden seine Lieblingsorte. Auf das Land hinaussteigt er nicht; man darf wenigstens annehmen, daß diejenigen, welche man auf dem Lande liegen sah, von der Ebbe zurückgelassen worden und zu faul waren, ihren schweren Leib wieder in das Wasser zu schieben, es vielmehr vorzogen, ruhig die nächste Flut hier abzuwarten. Vom Grunde der seichten Buchten aus erhebt er sich etwa in jeder Minute einmal zur Oberfläche des Wassers empor, steckt seine Nase oder auch wohl den halben Leib aus den Fluten heraus, schöpft Athem und versinkt langsam und gleichmäßig wieder in die Tiefe.

Die Fischer sagen, daß der Dujong paarweise und nur selten in kleinen Familien lebe; doch gilt diese Angabe mehr auf den Arabischen Meerbusen als für andere Theile des Indischen Weltmeeres, weil er dort zuweilen in Scharen beobachtet worden sein soll. Nach Angabe der arabischen Fischer theilt mir Klunzinger mit, daß man im Rothen Meere stets mindestens zwei, nicht selten aber bis zehn Seejungfern gesellt findet. Ihre Bewegungen werden als langsam und schwerfällig geschildert, obgleich die Kraft ihres Schwanzes sehr bedeutend ist. Zufällig hat man beobachtet, daß sie beim Fressen faul auf dem Grunde des Meeres liegen und gemächlich die an den Felsen oder auf dem Meeresboden wachsenden Tange, ihre Hauptnahrung, mit den harten, dicken Lippen abweiden oder aber vom Boden losreißen. So lange es noch Nahrung an einer Stelle gibt, verändert der Dujong ungezwungen seinen Aufenthalt wahrscheinlich nicht; hat er aber eine seiner Meerwiesen abgeweidet, so siedelt er langsam nach anderen Stellen über, welche ihn dann wieder auf einige Zeit fesseln. Möglicherweise haben die heftigen Stürme, welche zu gewissen Jahreszeiten das Indische Meer aufwühlen, einigen Einfluß auf seine Wanderungen, und zwingt ihn das unruhige Gewoge unter solchen Umständen, Buchten oder Sunde zu suchen, in denen seine angeborene Faulheit nicht weiter gestört wird. Daß er durch Stürme zum Wandern bewogen wird, schließt man aus seinem zeitweiligen Erscheinen an gewissen Stellen, wo man ihn während der ruhigen Zeit des Jahres nicht beobachtete. In der südlichen Hälfte des Rothen Meeres, an der nubischen und abessinischen Küste also, findet man ihn zu jeder Jahreszeit; weiter im Norden dagegen trifft er auffallenderweise in den Wintermonaten ein, und geht dann bis zur Insel Safadja hinauf.

Mit der Unbeweglichkeit und Schwerfälligkeit des Leibes scheinen die geistigen Eigenschaften der Seemaid im Einklange zu stehen. Die Sinne sind schwach entwickelt; Verstand spricht ihr nur Klunzinger zu. Die Stimme besteht aus einem Schnauben oder dumpfen Stöhnen, die der Jungen in schärferen Lauten. Nur während der Paarungszeit bemerkt man eine gewisse Erregung an den stumpfen Geschöpfen; die Männchen sollen sogar hartnäckig um das Recht der Paarung kämpfen und dabei so weltvergessen sein, daß sie den Jägern gerade jetzt die beste Zeit geben, ihrer sich zu bemächtigen. Es wird berichtet, daß ein Paar Dujongs bei Gefahr gegenseitig sich zu Hülfe eilt. Man hat beobachtet, daß das Männchen seinem verwundeten Weibchen besorgt nachschwamm und es durch heftiges Herumschlagen mit der kräftigen Schwanzfinne aus der Gewalt seiner Verfolger zu befreien suchte. Wurde einer der Gatten in Abwesenheit des anderen getödtet, so schwimmt dieser lange Zeit an den gewohnten Aufenthaltsorten umher, besucht alle Lieblingsplätze und steht erst dann von seinen Nachforschungen ab, wenn er merkt, daß ein Wiederfinden unmöglich ist.

[661] Ueber die Fortpflanzung erfuhr Klunzinger durch seine Fischer das nachstehende: Die Paarungs-wie die Satzzeit fällt in den Winter; das Weibchen geht also fast ein volles Jahr trächtig. Bei der Begattung vereinigt sich das Männchen mit dem erwählten Weibchen »dreimal« nach einander, in Zwischenräumen von je einer halben Stunde. Während des Gebärens dreht sich letzteres mit der Unterseite gegen die Oberfläche des Wassers, und erst nach Verlauf von zwei Tagen sinkt es mit dem Jungen wieder auf den Grund des Meeres hinab. Das Junge mißt bei der Geburt mindestens dritthalb Armlängen, saugt aber wenigstens ein volles Jahr und wird dabei von der Mutter gegen die Brust gedrückt. Später besteigt es zuweilen den Rücken seiner Erzeugerin, um, auf ihm liegend, behaglich auszuruhen. Die Mutter bekundet die wärmste Liebe für ihren Sprößling, verläßt denselben nie und setzt sich seinetwegen rückhaltslos der Todesgefahr aus. Nach Verlauf eines Jahres etwa wird letzterer entwöhnt und wandelt nunmehr selbständig seine Wege. Wie viel wahres an diesen Angaben, läßt Klunzinger dahingestellt sein.

Während der Paarungs- und während der Satzzeit jagen einzelne Fischer eifrig auf den Dujong, weil sie den erlegten ziemlich gut verwerthen können. Demungeachtet ist es für Naturforscher nicht gerade leicht, Seejungfern zu erhalten. Wenige Fischer nur besitzen die nöthige Erfahrung und das erforderliche Geschick, des großen, starken und schweren Thieres sich zu bemächtigen; die große Mehrzahl derselben versucht dies gar nicht. Bei Tage findet man den ruhig weidenden Dujong höchstens zufällig auf; nachts dagegen verräth ihn das beim Auf- und Niedertauchen bewegte und sodann leuchtende Meer, und zwar bemerkt man in der Regel drei glitzernde Stellen an der Oberfläche des letzteren, entsprechend wohl den Wellenkreisen, welche Kopf, Rückenmitte und Schwanzfinne der auf-und niedertauchenden Seejungfer erregen. Nach ihnen richten sich die des Fanges kundigen Fischer. »Als ich an das Rothe Meer reiste«, erzählt Klunzinger, »trug man mir von verschiedenen Seiten auf, Dujongs zu schicken; aber niemand von den Eingeborenen wollte etwas von solchen Thieren wissen. Aus einer ihnen vorgezeigten schlechten Abbildung wurde endlich ihr ›Djilid‹ erkannt, aber als eine große Seltenheit bezeichnet. Als die Mahnungen aus Europa wegen Beschaffung dieser Thiere immer dringender wurden, wurde auch ich dringender mit Fragen an die Einwohner und setzte einen Preis aus. Bald darauf besuchte mich ein Beduine und machte sich anheischig, mir den Djilid zu bringen. Mehrere Monate vergingen. Endlich im Winter kam eine Barke, welche ein etwa drei Meter langes Ungethüm dieser Art todt, jedoch noch frisch, mit Haut und Haaren, als einzige Fracht an Bord hatte. Es wurde unter Zulauf einer großen Menschenmenge von der Barke auf den Schiffsdamm gehoben und dann von einer Anzahl Lastträger nach Art eines Getreidesackes auf einer Tragbahre, bestehend aus zwei Stangen und mehreren diese verbindenden Querstricken, meiner Wohnung zugetragen; vor dem Regierungsgebäude wurde der zollbare Gegenstand von den staunenden Beamten selbst besichtigt. Die Abbälgung fand in meinem Hofe bei verschlossenen Thüren statt, nachdem die hindernde Volksmenge fortgejagt worden war. Nach wenigen Tagen kam ein zweiter Dujong, dann ein dritter, vierter und noch mehr, sowohl zu Wasser als zu Lande auf Kamelen, theils ganz, theils schon von den Beduinen abgebälgt, und eines Tages lagen nicht weniger als vier Bälge zugleich in meinem Hofe ausgebreitet. Daß ich plötzlich so reich an Seejungfern wurde, kam daher, daß die Beduinen, aufgemuntert durch den ihnen bezahlten guten Preis, alle anderen Geschäfte liegen ließen und sämmtlich nur auf den Dujongfang sich legten. Selbst das Fällen von Schoraholz, in dieser Jahreszeit sonst ihre Hauptbeschäftigung, verabsäumten sie, und die Einwohner klagten bereits ernstlich über Holzmangel.

Der Fang der Thiere geschieht durch ein starkes Netz. Sie kommen bei Nacht in die Buchten und Spalten des Korallenriffes hinein, um zu weiden. Diesen Zeitpunkt erspähen die Beduinen und verschließen jetzt das Netz, welches sie gestellt haben. Es ist dabei aber große Vorsicht nöthig; denn die Seejungfern sind äußerst scheu und klug, und daher verstehen es auch nur wenige, sich ihrer zu bemächtigen. Wenn ein solches Ungethüm sich gefangen sieht, schlägt es wüthend um sich, verwickelt sich dabei aber immer mehr in dem Netze, in welchem es nun gegen die Klippen[662] hingezogen wird, um dort todt geschlagen oder noch gewöhnlicher ertränkt zu werden, indem man das luftathmende Säugethier so lange unter Wasser hält, bis es erstickt.« Im südlichen Theile des Rothen Meeres erbeutet man den Dujong in derselben Weise, wie die Malaien seiner sich bemächtigen, mit Harpunen. Auch solche Jagd betreibt man am liebsten in der Nacht, weil man bei der jetzt herrschenden Stille das weit hörbare Schnauben am besten vernehmen kann. Die im Rothen Meere gebräuchlichen Wurfspieße ähneln denen, welche man im Sudân zur Jagd des Nilpferdes anwendet. Raffles berichtet, daß man vor allen Dingen den Schwanz zu treffen suche, weil man hierdurch, bezüglich durch Aufheben dieses Körpertheiles, dem Thiere am besten seine Macht benähme; denn so schwerfällig der Dujong auch erscheint, so schnell und kräftig bewegt er sich, wenn ihm der eiserne Haken in den Leib gedrungen ist. Ein deutscher Kaufmann in Massaua erzählte mir, daß eine von seinem Schiffer harpunirte Dauile das ziemlich große Boot über eine halbe Stunde lang mit sich fortschleppte und die Bemannung in augenscheinliche Lebensgefahr brachte, weil sie das Fahrzeug zwischen die gefährlichsten Korallenriffe brachte. Erfahrene Jäger werfen unter solchen Umständen noch mehrere Spieße in den Leib des Dujong, um ihn sobald als möglich durch Blutverlust zu erschöpfen.

Malaien und Abessinier essen das Fleisch des Dujong, letztere betrachten es jedoch keineswegs als Leckerbissen und versichern, daß man es erst einige Tage in der Sonne schmoren, tüchtig salzen und dann sehr lange kochen müsse, ehe man es verzehren dürfe, weil sein Genuß sonst Uebelkeiten verursache, ja, selbst Krankheiten zur Folge habe. Junge Thiere werden ungleich höher geschätzt als alte, weil letzterer Fleisch mager und äußerst zart ist. Den Europäer widert dieses Wildpret seines unangenehm süßlichen Geschmackes halber an, und auch die Araber genießen es nicht überall, freilich aus ganz anderen Gründen, weil sie hier und da nicht ungerechtfertigte Bedenken bezüglich der Fischnatur der Seejungfer hegen. Daß dieselben beseitigt werden können, erfahren wir durch Klunzinger, welcher in seinem vorstehend theilweise wiedergegebenen Berichte noch das nachstehende mittheilt: »Da ich das Fleisch verwerthen wollte, handelte es sich darum, ob der Genuß desselben nach den Gesetzen des Korân erlaubt sei; denn es erhoben sich manche Bedenken, daß das Thier eigentlich schweineartig oder wenigstens ein ersticktes Aas, also vor seinem Tode nicht unter Anrufung des Namens Gottes mit einem Querschnitte durch die Kehle geschlachtet worden sei. Aber der Schriftgelehrte des Ortes, mein besonderer Freund, welchem ich ein gutes Stück solchen Fleisches in das Haus geschickt hatte, erklärte: das sei ein Fisch wie alles andere, was aus dem Meere komme, also nicht schlachtbar, und der Genuß deshalb erlaubt. Sofort war das Fleisch an einige Großhändler verkauft und durch diese in kürzester Zeit mit Gewinn im kleinen an das Volk abgegeben, welches sich über den Geschmack im allgemeinen sehr lobend äußerte. Hiermit stimme auch ich überein. Die genaue Säuberung des Gerippes von den anhaftenden Fleischtheilen wurde äußerst sorgfältig von einem armen Beduinen zu meinem und seinem Nutzen vorgenommen; er gelangte dadurch für sich und seine Familie zu einem auf Wochen reichenden, für ihn noch nicht dagewesenen Fleischvorrathe«. Die eingeborenen Christen denken zuweilen genau so wie die Mahammedaner, wollten wenigstens von dem Fleische der für Klunzinger erbeuteten Dujongs nichts wissen, weigerten sich sogar, dasselbe auch nur zu kosten. Mehr noch als das Fleisch der Seejungfer schätzen vorurtheilsfreie Leute deren Schmalz, von welchem ein altes Thier bis dreißig Kilogramm liefern kann. Die dicke Haut, mit welcher einstmals die Bundeslade der Israeliten beschlagen gewesen sein soll, wird, laut Rüppell, an der abessinischen Küste nicht gegerbt, sondern nur in der Luft getrocknet und dann zu Sandalen verschnitten. Weil aber die in ihr enthaltene Feuchtigkeit das Zellgewebe locker macht, sind diese Sandalen nur in trockenen Gegenden brauchbar, erweichen dagegen auf wässerigem Boden und schwellen an. Weit höher als Fleisch und Haut stellte man in früheren Zeiten die Zähne. Ein besonderer Aberglaube legte den aus ihnen gefertigten Rosenkränzen wunderbare Kräfte bei: so brauchte z.B. eine Wöchnerin nur einen solchen Rosenkranz um den Hals zu hängen, und durfte sicher sein, daß die Geburt ihres Kindes sehr leicht von statten gehen werde. [663] Gegenwärtig verschwindet dieser Aberglaube, und die früher sehr theueren Zähne sind infolge dessen im Preise gesunken.


*


Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Dritter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Zweiter Band: Raubthiere, Kerfjäger, Nager, Zahnarme, Beutel- und Gabelthiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 659-664.
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