Gundi (Ctenodactylus Massoni)

[444] Um auch ein afrikanisches Mitglied der Unterfamilie aufzuführen, erwähne ich noch den Gundi der Araber (Ctenodactylus Massoni). Das Thier, Vertreter einer merkwürdig abweichenden Sippe, hat einen untersetzten, schwerfälligen Leib, dicken, stumpfschnauzigen Kopf mit kurzen rundlichen Ohren, mäßigen Augen und ungemein langen, steifen, borstigen Schnurren, starke Gliedmaßen, deren hinteres Paar länger als das vordere ist, und vierzehige, nacktsohlige Füße mit kurzen, hinten unter absonderlichen Borsten theilweise versteckten Krallen. Unmittelbar über den kurzen, gekrümmten hinteren Zehen nämlich liegt eine zweite Reihe von hornigen, kammartigen Spitzen, über ihnen eine zweite Reihe von steifen und über diesen eine dritte Reihe von langen und biegsamen Borsten. Der Schwanz ist ein kurzer Stummel, aber ebenfalls mit langen Borsten bekleidet. Die Nagezähne sind schwach und stark gekrümmt, die drei Backenzähne jeder Reihe oben länglich und schmal, außen gebuchtet, innen ganzwandig, die unteren nach hinten an Länge zunehmend und 8förmig.

»In den von den Beni Ferah bewohnten, wildromantischen Thälern des Djebel Aures«, schildert Buvry, »und zum Theil auch in den, die östliche und westliche Sahara begrenzenden südlichen Höhenzügen Algeriens zeigt sich in den Wintermonaten zur Mittagszeit auf vorspringenden Felsblöcken, doch immer hoch genug, um nicht überrascht zu werden, ein kleiner Nager, welcher, mit dem Kopfe dem Thale zugewendet, dicht an den Fels gedrückt, gleichsam ein Theil desselben zu sein scheint. Es ist der Gundi der Araber, ein auf dem bezeichneten Gebirge sehr verbreitetes Thier, [444] welches in Felslöchern und überlagernden Steinen lebt und sich durch große Behendigkeit und feines Gesicht und Gehör auszeichnet. Bei dem geringsten verdächtigen Geräusche zieht sich der Gundi in hüpfendem Laufe in seinen nahen Schlupfwinkel zurück, welcher gewöhnlich allen Anstrengungen des Jägers Trotz bietet. Die geeignetste Zeit, dieses merkwürdige Nagethier zu beobachten, ist der Morgen. Sobald die Sonne ihre ersten erwärmenden Strahlen auf die hohen Felsenwände sendet, erwacht der Gundi, und von allen Seiten her beginnt eine Wanderung dieser Thiere ins Thal hinab, den Feldern zu. Behende rutschend und laufend, erreichen sie binnen kurzem das Getreide, für sie ein willkommenes Futter, nagen, auf den Hinterbeinen sitzend, die Halme durch und verzehren, mit den Vorderfüßen nachhelfend, den oberen Theil der Schößlinge. Doch halten sie sich nicht immer streng an grünes Futter, gehen vielmehr nach echter Nagerart auch Körner an. Mit dem Erwachen des Geschäftsverkehrs auf Straßen und Feld kehren sie, nachdem sie getrunken, zu ihren Höhlen zurück. Wie oft im Jahre sie Junge werfen, konnte ich nicht in Erfahrung bringen; doch verschaffte mir die Untersuchung einiger Weibchen Gewißheit, daß sie im Monat Februar und anscheinend regelmäßig drei Junge erzeugen. Während der Brunst soll es zwischen den Männchen zu Kämpfen auf Leben und Tod kommen.«

»Ungeachtet des versteckten Lagers des Gundi gelingt es ziemlich leicht, ihn zu erbeuten und zwar mit Hülfe von Haarschlingen, welche an Ausgangslöcher befestigt werden, und in denen das Thier mit den Hinterfüßen sich verwickelt. Die erwachsenen Araber geben sich nicht die Mühe, den Gundis nachzustellen; ihren Kindern aber macht der Fang Vergnügen, und bietet das zarte, dem Hühnerfleische wenig nachstehende Wildpret einen willkommenen Braten. Auch verwendet man den weichen sammetartigen Pelz zu Säckchen, welche als Geldbörsen Dienste leisten. Mir gelang es, nach und nach siebzehn Stück lebend zu fangen; aber kein einziger von ihnen lebte, ungeachtet der größten Sorgfalt für ihren Unterhalt, länger als vierzehn Tage. Die plötzliche Entziehung der Freiheit schien ihren Tod herbeizuführen. Bemerkenswerth war es, daß sie alle auf eine mir unerklärliche Weise starben, indem sie zum Troge gingen, fraßen und ohne Zuckungen oder ein anderes äußeres Zeichen in derselben Stellung verendeten.«

In der zweiten Unterfamilie vereinigt man die Trugratten im engeren Sinne (Echimyina), meist große oder mittelgroße Nager, mit straffem, borstig stacheligem Haarkleide, fünfzehigen Vorder-und Hinterfüßen und auf der einen Seite mehr-, auf der anderen stets einfaltigen Backenzähnen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 444-445.
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