Erdwolf (Proteles Lalandii)

[13] Der Erdwolf oder die Zibethiäne (Proteles Lalandii, P. cristatus, Viverra hyaenoides) stellt sich als ein Bindeglied zwischen den Hiänen und den Schleichkatzen dar und gilt deshalb mit Recht als Vertreter einer eigenen Sippe. In seiner äußeren Erscheinung ähnelt das im ganzen noch wenig beobachtete Thier auffallend der gestreiften Hiäne; denn es hat ebenfalls die abgestutzte Schnauze, hohe Vorderbeine, abschüssigen Rücken, Rückenmähne und buschigen Schwanz; doch sind die Ohren größer, und die Vorderpfoten tragen einen kurzen Daumen nach Art der Afterzehen bei manchen Hunden. Das Gebiß ist sehr auffällig. Die durch weite Lücken getrennten Backenzähne, deren Anzahl zwischen zwei und fünf wechselt, sind, laut Dönitz, winzige Spitzen; die Schneidezähne stehen wie bei den Hiänen fast in gerader Reihe neben einander und lassen die[13] Schnauze um so breiter erscheinen, als der Kiefertheil, welcher die Backenzähne trägt, bei der Kleinheit dieser nur schwach ist. Aus dem Gebisse läßt sich kein Anhalt für die systematische Stellung des Thieres gewinnen. Der Bau der übrigen Theile des Gerippes nähert sich ebensowohl dem der Hiänen wie dem der Hunde. Während nämlich die Wirbel und die Knochen der Gliedmaßen fast noch schlanker und zierlicher gebaut sind als bei den Schakalen, besitzen sie doch vielfach so stark vorspringende Muskelansätze, daß sie in dieser Beziehung denen der Hiänen sich anreihen, deren sämmtliche Knochen bekanntlich durch ihre Plumpheit sich auszeichnen.


Zibethiäne (Proteles Lalandii). 1/7 natürl. Größe.
Zibethiäne (Proteles Lalandii). 1/7 natürl. Größe.

Aus der Anzahl der Wirbel läßt sich kein Rückschluß auf die Stellung des Thieres ableiten, da die Zahlen bei den nächsten Verwandten dem größten Wechsel unterworfen sind. Die Zibethiäne hat 15 rippentragende Brust-, 5 Lenden-, 3 Kreuz- und 23 Schwanzwirbel, und diese Zahlen stimmen weit mehr mit den entsprechenden der Hiänen als mit denen der Hunde überein.

Bis jetzt ist die Zibethiäne die einzige bekannte Art ihrer Sippe. Ihre Gesammtlänge beträgt 1,1 Meter, die des Schwanzes 30 Centim. Der Pelz, welcher aus weichem Wollhaare und langen starken Grannen besteht, zeigt auf blaßgelblichem Grunde schwarze Seitenstreifen. Der Kopf ist schwarz mit gelblicher Mischung; die Schnauze, das Kinn und der Augenring sind dunkelbraun, die Ohren innen gelblichweiß, außen braun; die Unterseite hat weißlichgelbe und die Endhälfte des Schwanzes schwarze Färbung. Vom Hinterkopfe an längs des ganzen Rückens bis zur Schwanzwurzel verlängern sich die Grannen zu einer Mähne, welche in dem buschigen Schwanze ihre Fortsetzung findet. Diese Mähne ist schwarz und ebenfalls gelblich gemischt. Die Seiten der [14] Schnauze sind sehr kurz behaart, die Schnurren aber lang und stark, die Nasenkuppe und der Nasenrücken nackt.

Der Erdwolf ist ein Bewohner des Kaplandes. Er wurde schon von früheren Reisenden mehrfach erwähnt, doch erst von Isidor Geoffroy genauer beschrieben. Den lateinischen Artnamen erhielt er zu Ehren seines Entdeckers, wenn auch dessen Begleiter, Verreaux, das meiste von dem wenigen mittheilt, was wir über die Lebensweise des Thieres wissen. Sparrmann meint unter seinem »grauen Schakal«, mit welchem die holländischen Ansiedler am Vorgebirge der guten Hoffnung das Thier zu bezeichnen pflegen, wahrscheinlich die Zibethiäne. Levaillant fand im Lande der Namaken nur die Felle zu Mänteln verarbeitet, ohne das Thier selbst erlangen zu können. Seine Begleiter bezeichneten ihm den Erdwolf aber später als einen der nächtlichen Besucher seines Lagers, da sie dessen Stimme von der seiner Verwandten, der gefleckten Hiänen und der Schakale, unterschieden.

Aus allen Angaben, welche sich auf unser Thier beziehen lassen, geht hervor, daß es nächtlich lebt und sich bei Tage in Bauen verbirgt, welche mit denen unserer Füchse Aehnlichkeit haben, aber ausgedehnter sind und von mehreren Erdwölfen zugleich bewohnt werden. Verreaux trieb die drei, welche von der Gesellschaft erlegt wurden, mit Hülfe seines Hundes aus einem Baue, wenn auch nicht aus derselben Röhre heraus. Sie erschienen mit zornig gesträubter Rückenmähne, Ohren und Schwanz hängend, und liefen sehr schnell davon; einer suchte auch in aller Eile sich wieder einzugraben und bewies dabei eine merkwürdige Fertigkeit. Die Untersuchung des Baues ergab, daß alle Röhren in Verbindung standen und zu einem großen Kessel führten, welcher wohl zeitweilig die gemeinsame Wohnung für alle bilden mochte. Der genannte Beobachter gibt an, daß die Nahrung unserer Thiere hauptsächlich aus Lämmern besteht, daß sie aber auch ab und zu ein Schaf überwältigten und tödten, von ihm aber hauptsächlich bloß den fetten Schwanz verzehren. Wenn dies der Fall ist, würden sie allerdings kein starkes Gebiß brauchen. Das übrige Leben des Erdwolfs ist vollkommen unbekannt.

Es ist wahrscheinlich, daß der Verbreitungskreis weiter reicht, als man gewöhnlich annimmt. Wenigstens hat de Joannis in Nubien eine Zibethiäne todt gefunden, welche der am Kap lebenden vollkommen gleich zu sein schien.

Neuerdings gelangten mehrere Erdwölfe lebend in den Londoner Thiergarten. Sie halten anscheinend die Gefangenschaft recht gut aus, lassen sich also leicht ernähren. Ueber ihr Wesen und Betragen habe ich nichts in Erfahrung bringen können.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 13-15.
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