Stinkdachs (Midaus meliceps)

[142] Der Stinkdachs, Teladu und Telagon von den Indiern, Segung von den Javanen, Tellego von den Bewohnern Sumatras genannt, und damit als ein Stänker ersten Ranges [142] bezeichnet (Midaus meliceps, M. javanicus, Mephitis javanensis, Ursus foetidus), ist ein kleines, kaum mardergroßes Mitglied seiner Unterfamilie von 37 Centim. Länge, wovon auf das Stumpfschwänzchen etwa 2 Centim. kommen. Die Färbung des dichten, langen Felles ist, mit Ausnahme des Hinterhauptes und Nackens, ein gleichartiges Dunkelbraun. Ein weißer Streifen verläuft längs des Rückens bis zur Spitze des Schwanzes. Die Unterseite des Leibes ist lichter als die obere. Der Pelz besteht aus seidenweichem Woll- und grobem Grannenhaar und deutet darauf hin, daß das Thier in kälteren Gegenden, in Höhen, lebt. An den Seiten und auf dem Nacken bildet das Haar eine Art von Mähne.

Der Reisende und Naturforscher Horsfield hat uns zuerst mit der Lebensweise des eigenthümlichen Geschöpfes bekannt gemacht. Der Stinkdachs ist nicht bloß hinsichtlich seiner Gestalt, sondern auch beziehentlich seiner Heimat ein sehr merkwürdiges Thier. Ausschließlich auf Höhen beschränkt, welche mehr als 2000 Meter über dem Meere liegen, kommt er hier ebenso regelmäßig vor wie gewisse Pflanzen. Alle Gebirgsbewohner kennen ihn und seine Eigenthümlichkeiten; in der Tiefe weiß man von ihm eben sowenig wie von einem fremdländischen Geschöpfe: in Batavia, Samarang oder Surabaya würde man vergeblich nach ihm fragen. Die langgestreckten Gebirge der Inseln, welche mit so vielen Spitzen in jene Höhen ragen, geben ihm herrliche Wohnorte. Man baut auf den Hochebenen europäisches Korn, Kartoffeln usw.; diese Pflanzen dienen ihm zur hauptsächlichsten Nahrung. Seinen Bau legt er mit großer Vorsicht und vielem Geschick in geringer Tiefe unter der Oberfläche der Erde an. Wenn er einen Ort gefunden hat, welcher durch die langen und starken Wurzeln der Bäume besonders geschützt ist, scharrt er sich hier zwischen den Wurzeln eine Höhle aus und baut sich unter dem Baume einen Kessel von Kugelgestalt, welcher fast einen Meter im Durchmesser hat und regelmäßig ausgearbeitet wird. Von hier aus führen Röhren von etwa zwei Meter Länge nach der Oberfläche und zwar nach verschiedenen Seiten hin, deren Ausmündungen gewöhnlich durch Zweige oder trockenes Laub verborgen werden. Während des Tages verweilt er versteckt in seinem Baue, nach Einbruch der Nacht beginnt er Jagd auf Larven aller Art und auf Würmer, zumal Regenwürmer, welche in der fruchtbaren Dammerde in außerordentlicher Menge vorkommen. Die Regenwürmer wühlt er wie ein Schwein aus der Erde und richtet deshalb häufig Schaden in den Feldern an.

Alle Bewegungen des Stinkdachses sind langsam, und er wird deshalb öfters von den Eingeborenen gefangen, welche sich keineswegs vor ihm fürchten, sondern sogar sein Fleisch essen sollen.

Horsfield beauftragte während seines Aufenthaltes in den Gebirgen von Prahu die Leute, ihm behufs seiner Untersuchungen Stinkdachse zu verschaffen, und die Eingeborenen brachten ihm dieselben in solcher Menge, daß er bald keinen einzigen mehr annehmen konnte. »Ich wurde versichert«, sagt dieser Forscher, »daß das Fleisch des Teladu sehr wohlschmeckend wäre; man müsse das Thier nur rasch tödten und sobald als möglich die Stinkdrüsen entfernen, welche dann ihren höllischen Geruch dem übrigen Körper noch nicht mittheilen konnten. Mein indischer Jäger erzählte mir auch, daß der Stinkdachs seinen Stinksaft höchstens auf 60 Centim. Entfernung spritzen könne. Die Flüssigkeit selbst ist klebrig; ihre Wirkung beruht auf ihrer leichten Verflüchtigungsfähigkeit, welche unter Umständen die ganze Nachbarschaft eines Dorfes verpesten kann und in der nächsten Nähe so heftig ist, daß einzelne Leute geradezu in Ohnmacht fallen, wenn sie dem Geruch nicht ausweichen können. Die verschiedenen Stinkthiere in Amerika unterscheiden sich von unserem Teladu bloß durch die Fähigkeit, ihren Saft weiter zu spritzen.« Junghuhn bestätigt diese Angaben und fügt hinzu, daß man den heftigen, an Knoblauch erinnernden Gestank bei günstigem Winde eine halbe Meile weit wahrnehmen könne.

»Der Stinkdachs«, fährt Horsfield fort, »ist sanft und mild in seinem Wesen und kann, wenn man ihn jung einfängt, sehr leicht gezähmt werden. Einer, welchen ich gefangen hatte und lange Zeit bei mir hielt, bot mir Gelegenheit, sein Wesen zu beobachten. Er wurde sehr bald liebenswürdig, erkannte seine Lage und seinen Wärter und kam niemals in so heftigen Zorn, daß [143] er seinen Pestdunst losgelassen hätte. Ich brachte ihn mit mir von den Gebirgen Prahus nach Blederan, einer Ortschaft am Fuße dieses Gebirges, wo die Wärme bereits viel größer ist als in der Höhe. Um eine Zeichnung von ihm anzufertigen, wurde er an einen kleinen Pfahl gebunden. Er bewegte sich sehr rasch und wühlte den Grund mit seiner Schnauze und seinen Nägeln auf, als wolle er Futter suchen, ohne den Nebenstehenden die geringste Beachtung zu schenken oder heftige Kraftanstrengungen zu seiner Befreiung zu machen. Einen Regenwurm, welcher ihm gebracht wurde, verspeiste er gierig, das eine Ende desselben mit dem Fuße haltend, während er das andere hinterfraß. Nachdem er ungefähr zehn bis zwölf Würmer verzehrt hatte, wurde er ruhig und machte sich jetzt eine kleine Grube in die Erde, in welcher er seine Schnauze versteckte.


Geripp des Dachses. (Aus dem Berliner anatomischen Museum.)
Geripp des Dachses. (Aus dem Berliner anatomischen Museum.)

Dann streckte er sich bedachtsam aus und war wenige Augenblicke später in Schlaf versunken.«

Merklichen Schaden verursacht der Stinkdachs nur dann, wenn er bei seinen Wühlereien in den Pflanzungen die Wurzeln der Bäume bloslegt oder kleine Pflanzen aushebt. Auch durch seinen Gestank wird er bloß dem unangenehm, welcher ihn unnöthig zur Entleerung seiner Drüsen reizt.

Das vollendetste Bild eines selbstsüchtigen, mißtrauischen, übellaunischen und gleichsam mit sich selbst im Streite liegenden Gesellen ist der Dachs. Hierüber sind so ziemlich alle Beobachter einverstanden, obgleich sie den Nutzen, welchen dieser eigenthümliche Marder gewährt, nicht verkennen. Der Dachs ist unter den größeren europäischen Raubthieren das unschädlichste und wird gleichwohl verfolgt und befehdet wie der Wolf oder der Fuchs, ohne daß er selbst unter den Weidmännern, welche doch bekanntlich diejenigen Thiere am meisten lieben, denen sie am eifrigsten nachstellen, viele Vertheidiger gefunden hat. Man schilt und verurtheilt ihn rücksichtslos, ohne zu bedenken, daß er nach seiner Weise schlecht und gerecht lebt und, so gut es gehen will, ehrlich und redlich sich durchs Leben schlägt. Nur die eigenthümliche Lebensweise, welche er führt, trägt die Schuld der Härte des Urtheils über ihn. Er ist allerdings ein griesgrämiger, menschen- und thierscheuer Einsiedler und dabei ein so bequemer und fauler Gesell, wie es nur irgend einen geben kann, und alle diese Eigenschaften sind in der That nicht geeignet, sich Freunde zu erwerben. Ich für meinen Theil muß gestehen, daß ich ihn nicht ungern habe: mich ergötzt sein Leben und Wesen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 142-144.
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