[37] Wie billig, wenden wir unsere Aufmerksamkeit zunächst dem Ichneumon zu, der »Ratte der Pharaonen«, dem heiligen Thiere der alten Egypter (Herpestes Ichneumon, Viverra und Mangusta Ichneumon, Ichneumon Pharaonis und Aegypti, Herpestes Pharaonis), eingedenk seines aus den ältesten Zeiten auf die unserigen herübergetragenen Ruhmes und der Achtung, welche er früher genoß. Schon Herodot sagt, daß man die Ichneumonen in jeder Stadt an heiligen Orten einbalsamire und begrabe. Strabo berichtet, daß jenes vortreffliche Thier niemals große Schlangen angreife, oder einige seiner Gefährten zu Hülfe zu rufen, dann aber auch die giftigsten Würmer leicht bewältige. Sein Bild diene deshalb in der heiligen Bilderschrift zur Bezeichnung eines schwachen Menschen, welcher den Beistand seiner Mitmenschen nicht entbehren kann. Aelian dagegen behauptet, daß es allein auf die Schlangenjagd ausgehe, jedoch mit großer List und Vorsicht sich im Schlamme wälze und diesen an der Sonne trockne, um so einen Panzer zu erhalten, welcher den Leib vor seinem Gegner schütze, während es die Schnauze dadurch vor Bissen sichere, daß es seinen Schwanz über dieselbe schlage. Aber die Sage ist hiermit noch nicht zufrieden, sondern theilt dem muthigen Kämpfer für das öffentliche Wohl noch ganz andere Dinge zu, wie Plinius mittheilt. Das Krokodil nämlich legt sich, wenn es sich satt gefressen hat, gemüthlich auf eine Sandbank und sperrt dabei den zähnestarrenden Rachen weit auf, Jeglichem Verderben drohend, der es wagen wollte, sich ihm zu nähern. Nur einem kleinen Vogel ist dies gestattet – und zwar, wie ich selbst beobachtet habe, in der That und Wahrheit! – er ist so frech, zwischen den Zähnen heraus sich die Speise abzupicken, welche dort hängen geblieben ist. Außer ihm fürchtet aber jedes andere Thier die Nähe des Ungeheuers, nur der Ichneumon nicht. Er naht sich leise, springt mit kühnem Satze in den Rachen, beißt und wühlt sich die Kehle hindurch, zerfleischt dem schlafenden Krokodil das Herz, tödtet es auf diese Weise und öffnet sich nun, blutbedeckt, vermittels seiner scharfen Zähne einen Ausweg aus dem Leibe des Ungethüms. Oder aber, er schleicht umher und spürt die Stellen aus, wo das gefürchtete Kriechthier seine zahlreichen Eier abgelegt hat, und scharrt und wühlt hier, bis er zu dem verborgenen Schatze in der Tiefe gelangt ist; dann macht er sich darüber her und frißt in kurzer Zeit, der Wachsamkeit der Mutter ungeachtet, das ganze Nest aus und wird hierdurch zu einem unschätzbaren Wohlthäter der Menschheit. Daß auch die Egypter solche Sagen geglaubt haben, daß sie von ihnen aus erst jenen Schriftstellern berichtet wurden, ist unzweifelhaft; aber die sonst so genauen Naturbeobachter haben sich hierbei doch einer großen Täuschung hingegeben. Denn alle die schönen Sagen über unser Thier sind falsch. Allerdings ist es erst der Neuzeit vorbehalten gewesen, genaues über die Sitten und Lebensweise [37] des Ichneumon zu erforschen; aber schon seit einigen Jahrhunderten haben mehrere Reisebeschreiber ihren Zweifel über den überwiegenden Nutzen des Ichneumon ausgesprochen, und die Sagen könnten somit als erledigt gelten.
Und doch ist dies nicht der Fall. Kurz, nachdem ich von Afrika zurückgekehrt war, theilte ich einige meiner Beobachtungen über das Krokodil einer großen Gesellschaft mit, konnte aber einzelne Mitglieder derselben keineswegs befriedigen, weil ich eben von dem muthvollen, klugen Thiere, welches dem Krokodil, »dieweil es eben schläft«, in den Rachen kriecht, kein Wort gesagt hatte. Das kam daher, weil ich bei den heutigen Bewohnern des Nilthals niemals eine Spur jener Achtung, welche ein so nützliches Thier genießen müßte, bemerken konnte, vielmehr die unzweifelhaftesten Beweise einer Mißachtung, sogar eines gewissen Grolles, welche dem menschenfreundlichen und krokodilfeindlichen Ichneumon galten, in Erfahrung brachte. Auch ich will gar nicht leugnen, daß ich selbst vor meiner Reise nach Afrika eine große Achtung vor unserem Thiere hatte; als ich dasselbe aber kennen gelernt und die unzählbaren Verwünschungen gegen seine in der That vielseitigen Unternehmungen vernommen hatte, änderten sich meine Anschauung und mein Urtheil. Ich lernte in dem Ichneumon ein ganz anderes Thier kennen, als ich erwarten durfte; doch hat dieses dabei keineswegs verloren, sondern nur gewonnen.
Der Ichneumon übertrifft, wenn er ausgewachsen ist, an Größe unsere Hauskatze bedeutend; denn die Länge seines Leibes beträgt ungefähr 65 Centim. und die des Schwanzes wenigstens 45 Centim. Er erscheint aber wegen seiner niederen Beine kleiner, als er ist. Nur selten findet man ausgewachsene Männchen, welche am Widerrist höher als 20 Centim. sind. Der Körper ist schlank wie bei allen Schleichkatzen, keineswegs aber so zierlich wie bei den Einsterkatzen, sondern im Vergleiche zu den meisten seiner Familienverwandten sogar sehr kräftig. Dies zeigt am besten das Gewicht, welches ein starker Ichneumon erreichen kann: es beträgt sieben, ja selbst neun Kilogramm. Die Beine sind kurz, die Sohlen nackt und die Zehen fast bis zur Hälfte mit kurzen Spannhäuten verbunden. Der lange Schwanz erscheint durch die lange Behaarung an der Wurzel sehr dick, fast als ob er allmählich in den Körper überginge, und endet mit einer pinselartigen Quaste. Die Augengegend ist nackt, und deshalb treten die kleinen, feurigen, rundsternigen Augen umsomehr hervor. Die Ohren sind kurz, breit und abgerundet. Der After wird von einer flachen Tasche umgeben, in deren Mitte er sich öffnet. Ganz eigenthümlich ist der Pelz. Er besteht aus dichten Wollhaaren von rostgelblicher Farbe, welche aber überall von den 6 bis 7 Centim. langen Haaren überdeckt werden. Diese sind schwarz und geblichweiß geringelt und enden mit einer fahlgelben Spitze. Hierdurch erhält der ganze Balg eine grünlichgraue Färbung, welche zu den Aufenthaltsorten des Thieres vortrefflich paßt. Am Kopfe und auf dem Rücken wird die Färbung dunkler, an den Seiten und dem Bauche fahler; die Beine und die Schwanzquaste sind dunkelschwarz oder ganz schwarz; doch kommen auch Abänderungen vor.
Die Ratte der Pharaonen ist über das ganze nördliche Afrika sowie Nordwestasien verbreitet: sie wird sowohl in Palästina wie in Egypten und in der Berberei gefunden. Niemals entfernt sie sich weit von Niederungen. Ihre eigentlichen Wohnplätze sind die dicht mit Rohr bewachsenen Ufer der Flüsse und die Rohrdickichte, welche manche Felder umgeben. Hier hält sich das Thier bei Tage auf und bildet sich zwischen den Rohrstengeln schmale aber höchst sorgfältig gesäuberte Gangstraßen, welche nach tiefen, jedoch nicht besonders ausgedehnten Bauen führen. In diesen wirft auch das Weibchen in den Frühlings-oder ersten Sommermonaten zwei bis vier Junge, welche sehr lange gesäugt und noch viel länger von beiden Alten geführt werden.
Den Namen Ichneumon, welcher soviel als »Aufspürer« bedeutet, verdient unser Thier in jeder Hinsicht. In seinen Sitten und im geistigen Wesen ähnelt der Aufspürer den gestaltverwandten Mardern, deren unangenehmen Geruch und deren Listigkeit, Diebesgewandtheit und Mordlust er besitzt. Er ist im höchsten Grade furchtsam, vorsichtig und mißtrauisch. Niemals wagt er sich aufs freie Feld, sondern schleicht immer möglichst gedeckt und mit der größten Vorsicht [38] dahin. Einen Ort, den er nicht kennt, besucht er nicht, ohne die größte Besorgnis zu zeigen; gleichwohl streift er ziemlich weit umher.
Nach meinen Beobachtungen geht der Ichneumon nur bei Tage auf Raub aus. Die groben, grünlichgrauen Haare, mit denen sein Körper bedeckt ist, machen es ihm leicht, ungesehen an seine Beute heranzuschleichen und sich hinlänglich Nahrung zu erwerben. Er frißt alles, was er erlisten kann, die Säugethiere vom Hasen bis zur Maus herab, die Vögel vom Huhn oder der Gans bis zum Riedsänger (Drymoica). Außerdem verzehrt er Schlangen, Eidechsen, Kerbthiere, Würmer usw. und wahrscheinlich auch Früchte. Seine Diebereien haben ihm den größten Haß und die vollste Verachtung der egyptischen Bauern zugezogen, weil er deren Hühner- und Taubenställe in der unbarmherzigsten Weise plündert und namentlich den Hühnernestern, welche dort von den Hühnern ganz nach freier Vögel Art angelegt werden, sehr gefährlich wird. Wirklichen Nutzen bringt er jetzt soviel als nicht; man müßte ihm denn die Vertilgung der Schlangen besonders hoch anrechnen. Gegenwärtig hat er mit den Krokodilen nichts mehr zu schaffen, weil diese in Unteregypten, wo er sich hauptsächlich findet, gänzlich ausgerottet sind, und somit kann er die rühmlichen Thaten seiner Ahnen weder bekräftigen noch widerlegen. Doch will es allen Denen, welche ihn kennen, scheinen, daß auch seine Ahnen nicht so dumm gewesen seien, in den zähnestarrenden Rachen eines Krokodiles zu kriechen, und jedenfalls haben allen Ichneumonen die Hühnereier von jeher besser geschmeckt als die Eier der Krokodile, welche, wie bekannt, von der Mutter sorgsam bewacht werden. Dann ist der Raub solcher Eier eben keine Kleinigkeit: – eine alte Krokodilmutter kann, zumal einem Ichneumone gegenüber, unter Umständen überaus ungemüthlich werden.
Wenn man unseren Aufspürer, ohne von ihm bemerkt zu werden, beobachtet, sieht man ihn langsam und bedächtig durch die Felder oder Rohrdickichte schleichen. Sein Gang ist höchst eigenthümlich. Es sieht aus, als ob das Thier auf der Erde dahinkröche, ohne ein Glied zu bewegen; denn die kurzen Beine werden von den langen Haaren seines Balges vollkommen bedeckt, und ihre Bewegung ist kaum sichtbar. Zudem sucht er auch immer Deckung und verläßt deshalb das ihn zum größten Theile verbergende Gras, das Getreide oder das ihn ganz versteckende Rohr niemals ohne Roth.
In den Sommermonaten gewahrt man ihn selten allein, sondern stets in Gesellschaft seiner Familie. Das Männchen geht voran, das Weibchen folgt, und hinter der Mutter kommen die Jungen. Immer läuft ein Mitglied dicht hinter dem anderen, und so sieht es aus, als ob die ganze Kette von Thieren nur ein einziges Wessen sei, einer merkwürdig langen Schlange etwa vergleichbar. Bisweilen bleibt der Vater stehen, hebt den Kopf und sichert, bewegt dabei die Nasenlöcher nach allen Seiten hin und schnauft wie ein keuchendes Thier. Hat er sich vergewissert, daß er nichts zu fürchten hat, so geht es weiter; hat er eine Beute erspäht, so windet er sich wie eine Schlange geräuschlos den Halmen hindurch, um an jene heranzukommen, und plötzlich sieht man ihn ein oder zwei Sätze machen, selbst noch nach einem bereits aufgeflogenen Vogel. Die ganze Familie thut ihm jede Bewegung nach, wendet den Kopf, schnüffelt nach derselben Richtung hin, untersucht witternd und scharrend das selbe Mauseloch wie er, oder sieht ihm wenigstens achtsam zu und bemüht sich jedenfalls nach Kräften, ihm so viel als möglich von seinen Kunstgriffen abzulernen. Er übt seine Sprößlinge aber auch besonders im Fange, bringt ihnen z.B. junge, lebendige Mäuse, welche er dann vor den hoffnungsvollen Kindern frei läßt, um ihnen das Vergnügen einer Jagd zu bereiten. Wenn er an das Wasser geht, um zu saufen, schreitet er erst sehr furchtsam aus dem Graben, in welchem er sich ungesehen hingeschlichen hat, kriecht langsam auf dem Bauche weiter fort und schreckt bei jedem Schritte etwas zurück, beriecht alle Gegenstände und macht einen plötzlichen Sprung nach dem Wasser zu, gerade so, wie wenn er sich auf seine Beute stürzt. Bei seinen Jagden ist seine Vorsicht außerordentlich groß und für den Beobachter höchst ergötzlich. Er lauert vor einem Mauseloche regungslos und schleicht einer Ratte, einem jungen Vogel mit belustigender Bedachtsamkeit nach.
[39] Wahrscheinlich spürt er ebenso vortrefflich wie der beste Hund; soviel ist sicher, daß ihn hauptsächlich der Geruch bei seinen Jagden leitet. Trifft er auf Eier, so trinkt er sie aus; von Säugethieren und Vögeln saugt er in der Regel nur das Blut und frißt das Gehirn auf. Er mordet weit mehr, als er bewältigen kann, und wird hierdurch dem zahmen Hausgeflügel viel verderblicher als jedes andere Raubthier seiner Heimat.
Seine Stimme hört man bloß dann, wenn er mit einer Kugel angeschossen worden ist, sonst schweigt er, selbst bei der schmerzhaftesten Verwundung. Doch behaupten die Egypter, daß er auch zur Paarungszeit sein ziemlich scharfes, eintöniges Pfeifen vernehmen lasse.
Man hat, wie von ihm überhaupt, vieles von seinen Feindschaften mit anderen Thieren gefabelt und namentlich hervorgehoben, daß er in dem ihn beeinträchtigenden Fuchse, dem Schakale und in der Waraneidechse gefährliche Feinde habe. Ich kann versichern, daß ich niemals etwas hierauf bezügliches gesehen noch gehört habe, und soviel dürfte wohl feststehen, daß der Fuchs oder Schakal eben nur mit einem jungen Ichneumon anzubinden wagen, weil die Alten sich zu vertheidigen wissen. Die Nileidechse oder der Waran ist ihm vollkommen gleichgültig; sie wäre auch viel zu schwach, als daß die sich mit ihm in einen Kampf einlassen könnte. Der Mensch ist sein schlimmster Feind. Außer ihm kann ihm nur der Nil selbst schaden, wenn er ihm seine Lieblingsplätze unter Wasser setzt: doch schwimmt er vortrefflich, wenn es sein muß, und rettet sich noch bei Zeiten auf jene hohen Dämme, welche von einem Dorfe zum anderen führen oder die Wasserstraßen einfassen und wegen ihrer dichten Rohrbestände ihm gute Aufenthaltsorte bieten.
Die Jagd des Ichneumon gilt in den Augen aller Egypter als ein höchst gottseliges Werk. Man braucht nur in ein Dorf zu gehen und dort zu verkünden, daß man den Nims, so heißt unser Thier bei den Arabern, jagen wolle: dann ist gewiß Jung und Alt mit Freuden behülflich. Der Bauer im Felde wirft Hacke und Spaten weg, der Weber steht vom Arbeitsstuhle auf, der Knabe am Schöpfrade gönnt seinen Ochsen Ruhe und läßt das Feld dürsten, der Schäfer kommt mit seinem Hunde, und alle brennen vor Begierde, den schlimmen Schurken und Spitzbuben vernichten zu helfen. Mit Hülfe jener Leute hält es nicht schwer, den Ichneumon zu erlegen. Man zieht nach einem langen Rohrstreifen hinaus, stellt sich dort auf und läßt die Leute langsam treiben. Das Thier merkt sehr wohl, um was es sich handelt und sucht, sowie der Lärm der Treiber beginnt, in einem seiner Fluchtlöcher Schutz; doch hilft ihm dieses nur sehr wenig, denn die Araber treiben ihn mit langen Stöcken auch aus den Nothbauen heraus, und so sieht er sich gezwungen, in einem anderen Rohrbestande Zuflucht zu suchen. Mit äußerster Vorsicht schleicht er zwischen den Stengeln dahin, lauscht und wittert von Zeit zu Zeit, hört aber die Verfolger immer näher und näher kommen und muß sich endlich doch entschließen, über eine Stelle hinwegzulaufen, welche ihn nicht vollständig decken kann. Ist sie mit Gras bewachsen, so merkt der dort aufgestellte Jäger gewöhnlich bloß an dem Schwanken der Halme, daß der Ichneumon dahinkriecht, weil dieser sich wohl hütet, durch irgend eine rasche Bewegung sich zu verrathen. Man muß mit sehr starkem Blei und aus geringer Entfernung schießen, wenn man ihn tödten will; denn er verträgt bei seiner unglaublichen Lebenszähigkeit einen tüchtigen Schuß und entkommt, wenn er bloß verwundet wird, sicher noch.
Bei solchen Jagden kann man unter Umständen sehr überrascht werden, weil in denselben Rohrdickichten, welche die Ichneumonen bewohnen, auch andere Thiere während des Tages das sichere Versteck suchen. Mir ist es vorgekommen, daß anstatt des erwarteten Nims ein gewaltiges Wildschwein schnaubend und grunzend hervorbrach und mich, weil ich nur mit dem Schrotgewehre bewaffnet war, in nicht geringe Verlegenheit versetzte. Ein anderes Mal wurde eine Hiäne aufgescheucht, und Schakale kamen bei meinen Jagden ziemlich regelmäßig mit zum Vorscheine.
Das Gefangenleben des Ichneumon ist schon von Alpinus geschildert worden. Dieser Forscher besaß einen männlichen Nims mehrere Monate lang und hielt ihn in seinem Zimmer. Er schlief mit ihm wie ein Hund und spielte mit ihm wie eine Katze. Seine Nahrung suchte er sich selbst. Wenn er hungrig war, verließ er das Haus, und nach Verlauf einiger Stunden kehrte er [40] gesättigt zurück. Er war sehr reinlich, schlau und muthig, griff ohne Besinnen große Hunde an, tödtete Katzen, Wiesel und Mäuse und richtete unter den Hühnern und anderen Vögeln mehrmals arge Verwüstungen an. Durch Benagen aller Dinge, namentlich aber der Bücher, wurde er höchst unangenehm. Von anderen Gefangenen erzählen französische Naturforscher, daß sie sich leicht zähmen lassen, sanft werden, die Stimme ihres Herrn unterscheiden und diesem wie ein Hund folgen. Sie sind aber niemals in Ruhe, schleppen alles im Haufe umher und werden durch Umwerfen der Gegenstände lästig. Dafür machen sie sich in anderer Hinsicht nützlich. Ein Haus, in welchem man einen Ichneumon hält, ist in der kürzesten Zeit von Ratten und Mäusen vollständig gesäubert; denn das Raubthier liegt ohne Unterlaß der Jagd dieser Nager ob. Mit der gefangenen Beute läuft es in einen dunkeln Winkel und beweist durch sein Grunzen und Knurren, daß es dieselbe wohl zu vertheidigen wisse.
Auch ich habe gefangene Ichneumons längere Zeit beobachten können. Ein schönes, ausgewachsenes Männchen, welches ich pflegte, schien sich im Käfige sehr wohl zu befinden. Das Thier sah höchst gutmüthig aus, obschon es die entgegengesetzten Eigenschaften mehrmals bethätigte. Andere Mangusten pflegen sich mit ihresgleichen und ähnlichen Arten ausgezeichnet zu vertragen, sodaß man ohne Furcht zahlreiche Gesellschaften in einen Raum zusammensperren kann; der Ichneumon aber scheint nur in gewissem Sinne gesellig zu sein. Als ich eines Tages einen Mungos zu ihm setzte, sträubte er augenblicklich sein Fell, sodaß er förmlich borstig erschien, und fuhr mit einer beispiellosen Wuth auf den Ankömmling los. Im Käfige begann eine tolle Jagd. Der Mungos suchte seinem stärkeren Verwandten zu entgehen, und dieser strebte, ihn so schnell als möglich abzuwürgen. Beide Thiere jagten wie rasend im Raume umher und entfalteten dabei Künste der Bewegung, welche man gar nicht vermuthet hätte. Sie kletterten wie Katzen oder Eichhörnchen auf Baumstämme oder an dem Gitter hinauf und machten Sätze von auffallender Höhe, durchschlüpften Engen mit Wieselgewandtheit, kurz, bewiesen eine wirklich wunderbare Beweglichkeit. Wir mußten den Mungos so schnell als möglich wieder einfangen, weil ihn der erregte Ichneumon sicher getödtet haben würde. Dieser war auch, nachdem wir seinen Gast entfernt hatten, noch den ganzen Tag in der größten Unruhe. Nicht freundlicher zeigte sich derselbe Gefangene gegen einen seiner Nachbarn, mit welchem er, wegen der mangelhaften Bauart der Käfige, durch das Gitter hindurch verkehren konnte, mit einer jungen Wildkatze nämlich. Dieses kleine Thier war schon sehr hübsch eingewohnt und begann, sich durch allerlei Spiele zu ergötzen. Da fiel es ihr unglücklicherweise ein, auch mit ihrem Nebengefangenen spielen zu wollen. Der Ichneumon aber packte das arme Geschöpf, welches unvorsichtig mit der Tatze durch das Gitter gelangt hatte, sofort am Fuße, zog es dicht an das Gitter heran, erwürgte es und fraß ihm beide Vorderläufe ab.
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