Schakal (Canis aureus)

[543] Der Schakal (Canis aureus, Lupus aureus, Canis barbarus, indicus, micrurus) ist dasselbe Thier, welches die Alten Thos und Goldwolf nannten, und wahrscheinlich der bei dem Bubenstreiche Simsons erwähnte »Fuchs«, welchen jener edle Recke benutzte, um den Philistern ihr Getreide anzuzünden. Sein Name rührt von dem persischen Worte Sjechal her, welches die Türken in Schi kal umgewandelt haben. Bei den Arabern heißt er Dieb oder Díb, der Heuler, – und einen besseren Namen könnten auch wir ihm nicht geben. Man kennt ihn im Morgenlande überall und spricht von seinen Thaten mit demselben Wohlgefallen, mit welchem wir des Fuchses gedenken. Nordafrika und West- und Südasien bilden seine Heimat; nach neueren Beobachtungen kommt er aber auch in Europa und zwar in Dalmatien und Griechenland vor.


Schakal (Canis aureus). 1/6 natürl. Größe.
Schakal (Canis aureus). 1/6 natürl. Größe.

Der Schakal erreicht bei 90 bis 95 Centim. Gesammt- oder 65 bis 70 Centim. Leibes- und 30 Centim. Schwanzlänge 45 bis 50 Centim. Höhe am Widerriste, ist kräftig gebaut, hochbeinig und kurzschwänzig, seine Schnauze spitzer als die des Wolfes, aber stumpfer als die des Fuchses; die buschige Standarte hängt bis zu dem Fersengelenk herab. Die Ohren sind kurz, erreichen höchstens ein Viertel der Kopflänge und stehen weit von einander ab; die lichtbraunen Augen haben einen runden Stern. Ein mittellanger, rauher Balg von schwer beschreiblicher Färbung deckt den Leib. Die Grundfarbe ist ein schmutziges Fahl- oder Graugelb, welches auf dem Rücken und an den Seiten mehr ins Schwarze zieht, bisweilen auch schwarz gewellt erscheint oder durch dunkle, unregelmäßig verlaufende Streifen über den Schultern gezeichnet wird. Diese Färbung setzt sich scharf ab von den Seiten, Schenkeln und Läufen, welche wie die Kopfseiten und der Hals fahlroth aussehen. Die Stirnmitte pflegt dunkler zu sein, weil hier die Haare schwärzliche Spitzen haben; die Ohren sind äußerlich dicht mit rothgelben, innen spärlicher mit längeren lichtgelben Haaren bekleidet. Das Fahlgelb der Unterseite geht an der Kehle und am Bauche in Weißlich-, an der [544] Brust in Röthlichgelb, am Unterhalse in Grau über; in der Schlüsselbeingegend machen sich undeutliche dunklere Querbänder bemerklich, ohne daß eine regelmäßige Zeichnung ausgesprochen wäre. In die dunkle, an der Spitze schwarze Behaarung des Schwanzes mischt sich Fahlgelb ein.

Als das Heimatsgebiet des Schakals muß Asien angesehen werden. Er verbreitet sich von Indien mit Ceilon aus über den Westen und Nordwesten des Erdtheils, die Eufratländer, Arabien, Persien, Palästina und Kleinasien, tritt aber auch in Nordafrika und in Morea, der Türkei sowie in einigen Gegenden Dalmatiens auf. In Nordindien und Nepal lebt eine andere Art, vielleicht nur Spielart von ihm: der Landjak (Canis [Lupus] pallipes, Saccalius indicus), ein mir aus eigener Anschauung nicht bekanntes Thier.

In seiner Lebensweise stellt sich der Schakal als Bindeglied zwischen Wolf und Fuchs dar. Dem letzteren ähnelt er mehr als dem ersteren. Bei Tage hält er sich zurückgezogen; gegen Abend begibt er sich auf seine Jagdzüge, heult laut, um andere seiner Art herbeizulocken, und streift nun mit diesen umher. Er liebt die Geselligkeit sehr, obwohl er auch einzeln zur Jagd zieht. Vielleicht darf man ihn den dreistesten und zudringlichsten aller Wildhunde nennen. Er scheut sich nicht im geringsten vor menschlichen Niederlassungen, dringt vielmehr frech in das Innere der Dörfer, ja selbst der Gehöfte und Wohnungen ein und nimmt dort weg, was er gerade findet. Durch diese Zudringlichkeit wird er weit unangenehmer und lästiger als durch seinen berühmten Nachtgesang, welchen er mit einer bewunderungswürdigen Ausdauer vorzutragen pflegt. Sobald die Nacht wirklich hereingebrochen ist, vernimmt man ein vielstimmiges, im höchsten Grade klägliches Geheul, welches dem unserer Hunde ähnelt, aber durch größere Vielseitigkeit sich auszeichnet. Wahrscheinlich dient dieses Geheul hauptsächlich anderen der gleichen Art zum Zeichen: die Schakale heulen sich gegenseitig zusammen. Jedenfalls ist es nicht als ein Ausdruck der Wehmuth der lieben Thiere anzusehen; denn die Schakale heulen auch bei reichlicher Mahlzeit, in der Nähe eines großen Aases z.B., gar erbärmlich und kläglich, daß man meint, sie hätten seit wenigstens acht Tagen keinen Bissen zu sich genommen. Sobald der eine seine Stimme erhebt, fallen die anderen regelmäßig ein, und so kann es kommen, daß man von einzelnliegenden Gehöften aus zuweilen die wunderlichste Musik vernehmen kann, weil die Töne aus allen Gegenden der Windrose heranschallen. Unter Umständen wird man erschreckt durch das Geheul; denn es ähnelt manchmal Hülferufen oder Schmerzenslauten eines Menschen. Durch die Ausdauer, mit welcher die Schakale ihre Nachtgesänge vortragen, können sie unerträglich werden; sie verderben, zumal wenn man im Freien schläft, oft die Nachtruhe vollständig. Somit kann man es den Morgenländern nicht verdenken, wenn sie die überall häufigen Thiere hassen und diesem Hasse durch grauenvolle Flüche Ausdruck geben.

Zum Hasse berechtigen übrigens auch noch andere Thaten der Schakale. Der geringe Nutzen, welchen sie bringen, steht mit dem Schaden, den sie verursachen, in gar keinem Verhältnisse. Nützlich werden sie durch Wegräumen des Aases und Vertilgung allerhand Ungeziefers, hauptsächlich durch Mäusefang, schädlich wegen ihrer unverschämten Spitzbübereien. Sie fressen nicht nur alles Genießbare weg, sondern stehlen noch allerhand Ungenießbares aus Haus und Hof, Zelt und Zimmer, Stall und Küche und nehmen mit, was ihnen gerade paßt. Ihre Freude am Diebstahl ist vielleicht ebenso groß wie ihre Gefräßigkeit. Im Hühnerhofe spielen sie die Rolle unseres Reineke, morden mit der Gier des Marders und rauben, wenn auch nicht mit der List, so doch mit der Frechheit des Fuchses. Unter Umständen machen sie sich übrigens auch über ein vereinzeltes Herdenthier, über Lämmer und Ziegen her, verfolgen ein kleines Wild oder plündern die Obstgärten und Weinberge. An der Meeresküste nähren sie sich von todten Fischen, Weichthieren und dergleichen. Größeren Raubthieren folgen sie in Rudeln nach, um alle Ueberreste ihrer Mahlzeit zu vertilgen; Reisezüge begleiten sie oft Tage lang, drängen sich bei jeder Gelegenheit ins Lager und stehlen und plündern hier nach Herzenslust. Bei ihren Raubzügen gehen sie anfangs langsam, in Absätzen, heulen dazwischen einmal, wittern, lauschen, äugen und folgen dann, [545] sowie sie eine Spur aufgefunden haben, irgend welchem Wilde mit großem Eifer, fallen, wenn sie nahe genug sind, plötzlich über ihre Beute her und würgen sie ab. Tritt ihnen bei solchen Jagdzügen ein Mensch in den Weg, so weichen sie ihm zwar aus und zerstreuen sich nach rechts und links, finden sich aber bald wieder zusammen und verfolgen ihren Weg wie früher. Die Morgenländer sagen ihnen nach, daß sie unter Umständen auch Menschen angreifen, zwar nicht den Erwachsenen und Gesunden, wohl aber Kinder und Kranke. Jedenfalls richten sie Unfug genug an, um die Abwehr des Menschen hervorzurufen. In manchen Gegenden werden sie buchstäblich zur Landplage. Nur ihre nahen Verwandten, die Hunde, vermögen sie im Zaume zu halten, und diese sind denn auch ihretwegen in allen Dörfern massenhaft vorhanden, stürmen, sobald ihnen das Geheul der Schakale deren Ankunft verkündet, denselben entgegen und treiben sie in die Flucht.

In den nördlichen Theilen der Insel Ceilon, wo der sandige Boden von Buschwerk und einzelnen Baumgruppen nur dünn bedeckt wird, sind sie, laut Tennent, ungemein häufig. Sie jagen hier regelmäßig in Meuten, welche von einem Leithunde angeführt werden und eine kaum glaubliche Kühnheit an den Tag legen. Nicht allein Hasen und andere Nager, sondern auch größere Thiere, selbst Hirsche, fallen ihnen zur Beute. Sehen sie, daß gegen Abend oder mit Eintritt der Dunkelheit ein Hase oder anderes Wild in einem jener Dickichte Zuflucht sucht, so umringen sie die ihnen winkende Beute von allen Seiten, versäumen auch nie die Wechsel zu besetzen; der Leithund gibt durch ein langgedehntes, wie »Okäe« klingendes Geheul das Zeichen zum Angriffe, alle wiederholen die widerwärtigen Laute, und rennen gleichzeitig in das Dickicht, um das Opfer heraus und in die sorgfältig gelegten Hinterhalte zu treiben. Nach Tennent gewordenen Mittheilungen eines Augenzeugen ist es ihre erste Sorge, ein niedergerissenes Wild wo möglich in das nächstgelegene Dickicht zu schleppen, aus welchem sie sodann mit der gleichgültigsten Miene wieder heraustreten, um zu erspähen, ob nicht etwa ein stärkeres Thier, welches sie ihrer Beute berauben könnte, in der Nähe sich umhertreibe. Ist die Luft rein, so kehren sie zu dem verborgenen Leichnam zurück und schaffen ihn weg oder verzehren ihn auf der Stelle. Angesichts eines Menschen oder stärkeren Raubthieres sollen sie, wie der Berichterstatter Tennents versichert und dieser für wahr hält, irgend einen Gegenstand ins Maul nehmen und eilig davon rennen, als wären sie begierig, die vermeintliche Beute zu sichern, gelegenerer Zeit aber zu dem wirklichen Raube zurückkehren. Jedenfalls gelten sie bei allen Singalesen, genau ebenso wie Reineke bei uns, als Sinnbilder der List und Verschlagenheit, und haben einen wahren Schatz von Sagen und Geschichten ins Leben gerufen.

An den Schädeln einzelner Schakale findet sich eine von außen meist durch einen Haarbusch kenntliche Knochenwucherung, das Schakalhorn, »Narrik-Kombu« der Singalesen, welchem diese wunderbare Kräfte zuschreiben. Ihrer Meinung nach entwächst es nur dem Schädel des Leithundes und ist deshalb besonders schwer zu erhalten, verbürgt dem glücklichen Besitzer aber Erfüllung aller Wünsche, kehrt auch, wenn es gestohlen wurde, von selbst wieder in seinen Besitz zurück, ist überhaupt ein Talisman ersten Ranges, welcher den bei unseren Gläubigen so hochbeliebten Heiligenknochen bei weitem vorgezogen werden muß, schon weil es unter den Singalesen ungleich weniger Zweifler an Knochenwundern gibt als bei uns zu Lande. Mittels des »Narrik-Kombu« treibt man zwar nicht Teufel aus, heilt auch keinerlei Krankheiten und Gebresten, schützt sein Haus aber vor Dieben und Räubern, gewinnt Rechtsstreitigkeiten, kommt zu Geld, Vermögen und Ehren, schließlich wohl auch ins Paradies. Man ersieht aus dieser Mittheilung, daß die Knochen auch unter halbgesitteten Völkerschaften ihre Rolle spielen.

Die Ranzzeit des Schakals fällt in den Frühling und gibt den verliebten Männchen zu den allergroßartigsten Heulereien Grund und Ursache. Neun Wochen später wölft die Schakalhündin fünf bis acht Junge auf ein wohl verborgenes Lager, ernährt, schützt und unterrichtet diese nach Wolfs- oder Fuchsart im Gewerbe und zieht nach ungefähr zwei Monaten mit ihnen in das Land hinaus. Die hoffnungsvollen Sprossen haben sich um diese Zeit schon fast alle Fertigkeiten der Alten erworben, verstehen das Heulen meisterhaft, und lernen das Stehlen rasch genug.

[546] Jung eingefangene Schakale werden bald sehr zahm, jedenfalls weit zahmer als Füchse. Sie gewöhnen sich gänzlich an den Herrn, folgen ihm wie ein Hund, lassen sich liebkosen oder verlangen Liebkosungen wie dieser, hören auf den Ruf, wedeln freundlich mit dem Schwanze, wenn sie gestreichelt werden, kurz, zeigen eigentlich alle Sitten und Gewohnheiten der Haushunde. Selbst alt gefangene unterwerfen sich mit der Zeit dem Menschen, so bissig sie auch anfänglich sich zeigen. Paarweise gehaltene pflanzen ohne alle Umstände in der Gefangenschaft sich fort, begatten sich auch leicht mit passenden Haushunden. Adams sah in Indien Haushunde, welche dem Schakal vollständig glichen, und nimmt an, daß sie aus einer Vermischung von beiden hervorgegangen sind.

Die fürchterlichste Krankheit der Hunde, Wasserscheu, sucht auch den Schakal heim. Man hat auf Ceilon wiederholt erfahren müssen, daß wuthkranke Schakale in die Dörfer kamen und Hausthiere bissen, welche an den Folgen der Uebertragung des Wuthgiftes elendiglich zu Grunde gingen.

Schwer begreiflich erscheint es, daß man fortwährend einen gegenwärtig in allen größeren Thiergärten und Museen ausgestellten Wildhund des inneren und südlichen Afrika, den Schabrakenschakal, mit dem Schakal als gleichartig erklärt; denn ersterer hat mindestens ebenso viele Aehnlichkeit mit dem Fuchse wie mit dem Schakal und bildet gewissermaßen ein Uebergangsglied zwischen beiden. Gray führt ihn als besondere Art unter den Füchsen auf und ist hierzu jedenfalls mehr berechtigt als Giebel, welcher ihn wahrscheinlich nie gesehen hat, trotzdem aber mit dem Schakal- und Streifenwolf als Spielart des Schakals erklärt.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. DXLIII543-DXLVII547.
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