Wechselwolf (Lupus occidentalis)

[540] Eher als Rohrwolf und Tschango scheint sich der über die ganze Nordhälfte Amerika's verbreitete Wechselwolf (Canis [Lupus] occidentalis, Canis griseus, albus, rufus, ater, variabilis, gigas, nubilus, mexicanus) als eine besondere Art herauszustellen, obschon dies noch keineswegs erwiesen ist. Das Thier soll stämmiger gebaut sein, eine dickere und stumpfere Schnauze, größeren und rundlicheren Kopf, kürzere und spitzere Ohren haben, und mit dichteren, längeren und weicheren Haaren bekleidet sein als unser Wolf; alles dies aber sind Unterscheidungsmerkmale von zweifelhaftem Werthe. Die Färbung des Pelzes durchläuft wie bei unserem Wolfe alle Schattirungen von Falbweiß durch Fahlroth bis zu Schwarz: ich habe deshalb den ihm vom Prinzen Max von Wied beigelegten Namen (variabilis) zu seiner deutschen Benennung gewählt.

Der Wechselwolf ähnelt seinem östlichen Verwandten in jeder Hinsicht, bekundet dasselbe Wesen, dieselbe Kraft, Frechheit und Feigheit wie jener. Im Käfige macht er die sonderbarsten Bewegungen und flüchtet sich gewöhnlich furchtsam in die Ecken, wagt auch nie, seinen Wärter anzugreifen. Dieses Betragen zeigt er am ersten Tage seiner Einkerkerung. Ein Landwirt, so erzählt Audubon als Augenzeuge, welcher sehr viel von diesen Strolchen auszustehen gehabt hatte, legte endlich mehrere Gruben um seine Besitzungen an. In eine derselben waren eines Tages drei große Wölfe gefallen, zwei schwarze und ein gefleckter. Zum nicht geringen Erstaunen Aller ging der Pächter ruhig in die Grube, packte die Wölfe an den Hinterläufen, als sie zitternd auf dem Boden lagen, durchschnitt mit seinem Messer die Achillessehnen, um die Thiere an der Flucht zu hindern, und tödtete sie erst dann mit größter Ruhe. Die Eskimos fangen die amerikanischen Wölfe in eigenthümlichen Fallen, welche eigentlich nichts anderes als vergrößerte Mäusefallen sind. Das Innere wird mit einem Köder versehen, zu welchem der Wolf nur mühsam gelangen kann. Sobald er sich gefangen hat, wird er von außen mit Speeren zusammengestochen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. DXL540.
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