Bulldogg (Canis familiaris molossus gladiator)

[607] Der Bulldogg oder Boxer (Canis familiaris molossus gladiator) wird zumal in England häufig gehalten. Man sieht ihn, mehr noch als den Bullenbeißer, für ein wüthendes, unzugängliches und stumpfsinniges Thier an, darf ihm diese Eigenschaften jedoch nur in beschränkter Weise zuschreiben. Seinem Herrn gegenüber zeigt der Bulldogg Treue und Anhänglichkeit; doch muß er denselben vollkommen kennen gelernt und erfahren haben, daß dessen geistige Kraft seine leibliche unter allen Umständen unterjochen kann; denn sonst glaubt das Thier nicht selten, das auch an den Menschen versuchen zu dürfen, was es an allen Thieren sich zu Schulden kommen läßt. Ungemein bissig und herrschsüchtig, bekundet der Bulldogg eine wahre Freude, ein anderes Thier todtzubeißen. Dabei muß man rühmend anerkennen, daß sein Muth noch größer ist als seine wirklich furchtbare Stärke. Er wagt sich an jedes Thier, selbst an das gefährlichste: ein wüthender Ochse, ein hungeriger, gefährlicher Wolf, ein Löwe erscheinen einem Bulldogg noch keineswegs [607] als unüberwindliche Gegner: er versucht wenigstens, auf irgendwelche Art ihrer Meister zu werden. Lenz erzählt mehrere Thatsachen, von denen ich nur die eine anführen will. »Im Jahre 1850 sah ich in Gotha eine Menagerie, bei der sich ein großer schöner Wolf befand. Am folgenden Tage zwängte sich der Wolf aus seinem Käfige und verbreitete unter den vielen Zuschauern großen Schrecken. Ein Bulldogg des Menageriebesitzers, welcher ruhig in einer Ecke gelegen, hatte alles beobachtet, sprang plötzlich aus eigenem Antriebe hervor und verbiß sich fest in die Kehle des Wolfes. So gewann der Mann Zeit, aus einem vom Zelte geschnittenen Stricke eine Schlinge zu fertigen, die er dann dem Wolf über den Kopf warf. Hund und Mann schafften nun gemeinschaftlich den Wolf nach dem Käfige hin; dort kam er aber todt an, die Dogge hatte ihn in ihrem Diensteifer erwürgt.«

Was der Boxer einmal gefaßt hat, läßt er so leicht nicht wieder los. Man kann ihn in einen Stock oder in ein Tuch beißen lassen und an diesem Gegenstande in die Höhe heben, auf den Rücken werfen und andere Dinge mit ihm vornehmen, ohne daß er sein Gebiß öffnet.

Von der Mordlust des Thieres erzählt Lenz Folgendes: »Ich bekam ein erwachsenes Bulldoggweibchen kleinster Sorte, welches ein Fuhrmann von Köln mitgebracht, das vor Hunger ganz elend aussah und nur aus Haut und Knochen zu bestehen schien. Ich bewillkommnete die am ganzen Leibe zitternde Jammergestalt und sprach ihr Trost zu, den sie auch, da er von gutem Futter begleitet war, ohne Bedenken annahm. Dann wollte ich sie in einem Stalle unterbringen, wobei ich mit ihr durch einen Raum mußte, in welchem ich eine Menge Kaninchen hielt. Sobald ich hineintrat, sprang die Bestie augenblicklich mit der Wuth eines Tigers auf ein großes Kaninchen und hatte es im Nu im Rachen. Im nächsten Augenblicke hatte ich das Ungeheuerchen mit der rechten Hand beim Kragen und in der Luft; mit der linken riß ich am Kaninchen, konnte es aber nur in Fetzen aus dem festgeschlossenen Maule zerren. Erst gab ich nun der schwebenden Sünderin einige tüchtige Ohrfeigen, die sie annahm, als ob sie gar nichts davon merkte, alsdann warf ich die bewußten Fetzen zur Thüre hinaus und setzte mein Bulldöggchen, umsomehr an Reue und Besserung glaubend, weil es wieder zu zittern und zu beben begann, zur Erde. Sowie es diese berührte, that es zwei Sätze und hatte wieder ein Kaninchen im Maule, dessen Knochen ich brechen hörte. Ich nahm sogleich die rückfällige Sünderin wieder beim Genicke, riß ihr die Beute weg, theilte einige Ohrfeigen aus und sorgte nun dafür, daß der Kaninchenstall verschlossen blieb. Meinem Geflügel that sie glücklicherweise nichts, und Katzen, gegen die sie, wie ich später sah, sehr feindlich gesinnt war, hatte ich damals nicht. Mit mir vertrug sie sich übrigens vortrefflich, sah bald bei gutem Futter ganz behäbig aus und zog mit mir zu Bekannten und Verwandten auf Rattenfang. In diesem Geschäfte zeigte sie einen wüthenden Eifer, wie z.B. aus folgender Thatsache zu ersehen: Ich hatte ein großes, tiefes Faß mit Falldeckel aufgestellt und bald war eine gewaltige Ratte darin. Das Faß brachte ich auf einen freien Platz; es sammelte sich ein Kreis von Zuschauern, und ich holte eilig meinen Hund. Diesen mußte ein Zuschauer beim Halsbande fassen. Indeß ging ich ans Faß, nahm leise den Deckel ab, warf ihn weg und wollte es nun so senken, daß die Ratte plötzlich zur Freude der Umstehenden hervorspringen sollte. Sowie ich aber das Faß zu senken begann, hatte der Hund den Braten gemerkt, sich losgerissen, sauste an meinem Kopfe vorbei, hoch empor und hinab ins Faß, tumultuirte dort eine Zeitlang mit der zwischen seinen Beinen herumrasenden Ratte und erlegte sie, während eine Menge Köpfe herbeigeeilt waren und verwundert in den Abgrund des Fasses schauten.

Noch gröber triebens zwei große Bulldoggs, welche einem meiner ehemaligen Schüler, als er preußischer Reiteroffizier war, von einem Freunde als Geschenk zugesandt wurden. Sie langten zusammengekoppelt an und waren von einem Steckbriefe begleitet, welcher besagte, ›ihr bisheriger Herr könne sie nicht zum Guten bringen und wolle sie los sein‹. Der Offizier wollte die wüthend aussehenden Bestien auch nicht haben, stieg gleich am anderen Morgen zu Pferde und ließ die Hunde frei umherlaufen, um sie einem entfernt wohnenden Gutsbesitzer anzubieten. Unterwegs [608] begegnete der Zug einer Schweineherde. Die Hunde fielen über diese her, wollten ein Stück erwürgen, aber die Leute sprangen zu, schlugen den einen todt, den anderen halbtodt. Der Offizier verweilte einige Zeit, verhandelte mit den Leuten über den angerichteten Schaden, ritt dann weiter und freute sich, seine scheußlichen Begleiter los zu sein. Indeß war der Halbtodte wieder auf die Beine gekommen, fühlte sich an dem Orte, wo er die Niederlage erlitten, nicht ganz sicher und zog seinem Herrn nach. Dieser ritt aus Mitleid langsam. Dem Hunde wurde es dennoch schwer, mitzukommen; er legte sich daher quer vor das Pferd, um es zum Stehen zu bringen. Der Herr ritt um ihn herum und langsam weiter. Das wiederholte sich einige Male. Endlich bekams der Hund satt, sprang, wie das Pferd um ihn herum wollte, an dessen Schnauze und biß sich da fest ein. Der Herr zog eine Pistole und schoß ihn todt.«

Die Eigenschaften der Doggen waren schon den Römern bekannt und sie deshalb außerordentlich geschätzt, weil sie sich mehr als alle übrigen Hunde eigneten, eine Hauptrolle in den blutigen Spielen des Cirkus zu übernehmen. Nachdem England römische Provinz geworden war, gab es daselbst besondere Beamte, denen die Erziehung und Auswahl der nach Rom zu sendenden Doggen oblag. Dort kämpften letztere zur Freude des Volks mit zahlreichen wilden Thieren, und diese römische Belustigung erbte sich auch auf spätere Zeiten fort, indem in England noch zu Zeiten Elisabeths und Jacobs I. große Thierkämpfe angestellt wurden. Stow schildert ein Gefecht, welches drei Doggen einem Löwen lieferten. Der erste Hund wurde sogleich am Nacken gepackt und herumgeschleppt; dem zweiten ergings nicht besser; der dritte aber erfaßte den König der Thiere an der Lippe, hielt ihn fest, bis er durch Krallenhiebe abzulassen genöthigt wurde, überlebte auch, obgleich schwer verwundet, allein den Sieg über den Gegner, welcher, sobald er sich frei fühlte, erschöpft und zu fernerem Kampfe ungeneigt, über die Hunde wegsprang und in dem geeignetsten Winkel seines Käfigs Schutz suchte.

Nicht alle Doggen sind angenehme Gefährten des Menschen. Man kennt Beispiele, daß sie ihren eigenen Herrn in Belagerungszustand erklärten und ihn nicht von der Stelle ließen. Eine Geschichte, welche erzählt wird, ist ergötzlich. Ein einsam wohnender Junggesell hatte eine große Bulldogge gekauft und brachte sie hoch erfreut mit Hülfe ihres früheren Besitzers auf sein Zimmer. Am anderen Morgen will er sich aus dem Bette erheben, in demselben Augenblicke aber springt die Dogge auf ihn zu, stemmt trotzig beide Füße gegen das Bett und droht ihm mit ihrem furchtbaren Gebisse so verständlich, daß er augenblicklich einsieht, nur die größte Ruhe könne ihn vor dem Viehe schützen. So oft er den Versuch erneuert, sich anzukleiden, wiederholt sich dieselbe Geschichte, und so ist er gezwungen, ruhig liegen zu bleiben. Nun will aber der Zufall, daß ihn gerade an diesem Tage Niemand besucht, und er hat das Vergnügen, seinem schönen Hunde zu Liebe den ganzen Tag hungernd und durstend im Bette zu verweilen. Der frühere Herr errettet ihn endlich von dem ungeschlachten und gefährlichen Thiere.

Man begreift, weshalb die Bulldoggen gegenwärtig wenig gehalten werden. So geistesarm, als man gewöhnlich glaubt, sind sie nicht; es gibt im Gegentheile einzelne, welche an Verstand fast mit dem Pudel wetteifern. Ich kannte einen solchen Hund, welcher durch seine Verständigkeit viel Vergnügen bereitete. Er war auf alles mögliche abgerichtet und verstand, sozusagen, jedes Wort. Sein Herr konnte ihn nach mancherlei Dingen aussenden, er brachte sie gewiß. Sagte er: »geh, hole eine Kutsche!« so lief er auf den Warteplatz der Lohnfuhrwerke, sprang in einen Wagen hinein und bellte so lange, bis der Kutscher Anstalt machte fortzufahren; fuhr er nicht richtig, so begann der Hund von neuem zu bellen, lief auch wohl vor dem Wagen her bis vor die Thüre seines Herrn. Derselbe Hund trank bayerisches Bier leidenschaftlich gern und unterschied es von anderen Biersorten mit untrüglicher Sicherheit. Hatte er nun eine gehörige Menge zu sich genommen, so wurde er betrunken und ergötzte Jedermann durch tolle Streiche aller Art.


Mops (Canis familiaris molossus fricator). 1/6 natürl. Größe.
Mops (Canis familiaris molossus fricator). 1/6 natürl. Größe.

Ein anderer Boxer, welchen ich neuerdings kennen lernte, ist nicht allein der Liebling seines Herrn, sondern auch das Schoßthier der Herrin, welcher er mit unwandelbarer Treue anhängt, und ebenso [609] ein geliebter und liebender Freund der Pferde seines Gebieters. Scheinbar unerschütterlich ernst, liebt er doch Spiel und Scherz außerordentlich, geht auf Neckereien harmlos ein und wird nur durch die Plumpheit seiner Späße zuweilen beschwerlich. Er bewacht das ihm anvertraute Gut mit Eifer und Gewissenhaftigkeit, geht bei Tage ungemein gern mit dem Herrn aus, läßt sich des Nachts aber unter keiner Bedingung von seinem Posten, als Beschützer der Herrin, weglocken, ist kleiner Kinder zärtlicher Spielkamerad, trägt auf Befehl dem befreundeten Pferde Zwieback oder Zucker zu und bekundet überhaupt eine Menge guter Eigenschaften. Hieraus geht für mich unwiderlegbar hervor, daß das Wesen auch dieses so ingrimmig erscheinenden Hundes ein gutartiges und daß es die Erziehung ist, welche ihn zu einem vortrefflichen wie zu einem gefährlichen Genossen des Menschen machen kann.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. DCVII607-DCX610.
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