Cubadogge

[611] Eine große Bullenbeißerrasse benutzte man in früheren Zeiten in der scheußlichsten Weise. Man richtete sie ab, Menschen einzufangen, niederzuwerfen oder sogar umzubringen. Schon bei der Eroberung von Mejiko wandten die Spanier derartige Hunde gegen die Indianer an, und einer derselben, Namens Bezerillo, ist berühmt oder berüchtigt geworden. Ob er zu der eigentlichen Cubadogge gehört hat, welche man als einen Bastard von Bullenbeißer und Bluthund ansieht, ist nicht mehr zu bestimmen. Er wird beschrieben als mittelgroß, von Farbe roth, nur um die Schnauze bis zu den Augen schwarz. Seine Kühnheit und Klugheit waren gleich außerordentlich. Er genoß unter allen Hunden einen hohen Rang und erhielt doppelt soviel Fressen als die übrigen. Beim Angriffe pflegte er sich in die dichtesten Haufen der Indianer zu stürzen, diese beim Arme zu fassen und sie so gefangen wegzuführen. Gehorchten sie, so that der Hund ihnen weiter nichts, weigerten sie sich aber, mit ihm zu gehen, so riß er sie augenblicklich zu Boden und erwürgte sie. Indianer, welche sich unterworfen hatten, wußte er genau von den Feinden zu unterscheiden und berührte sie nie. So grausam und wüthend er auch war, bisweilen zeigte er sich doch viel menschlicher als seine Herren. Eines Morgens, so wird erzählt, wollte sich der Hauptmann Jago de Senadza den grausamen Spaß machen, von Bezerillo eine alte, gefangene Indianerin zerreißen zu lassen. Er gab ihr ein Stückchen Papier mit dem Auftrage, den Brief zu dem Statthalter der Insel zu tragen, in der Voraussetzung, daß der Hund, welcher nach dem Abgehen der Alten gleich losgelassen werden sollte, die alte Frau ergreifen und zerreißen werde. Als die arme, schwache Indianerin den wüthenden Hund auf sich losstürzen sah, setzte sie sich schreckerfüllt auf die Erde und bat ihn mit rührenden Worten, ihrer zu schonen. Dabei zeigte sie ihm das Papier vor und versicherte ihm, daß sie es zum Befehlshaber bringen und ihren Auftrag erfüllen müßte. Der wüthende Hund stutzte bei diesen Worten, und nach kurzer Ueberlegung näherte er sich liebkosend der Alten. Dieses Ereignis erfüllte die Spanier mit Erstaunen und erschien ihnen als übernatürlich und geheimnisvoll. Wahrscheinlich deshalb wurde auch die alte Indianerin von dem Statthalter freigelassen. Bezerillo endete sein Leben in einem Gefechte gegen die Karaiben, welche ihn durch einen vergifteten Pfeil erlegten. Daß solche Hunde von den unglücklichen Indianern als vierbeinige Gehülfen der zweibeinigen Teufel erscheinen mußten, ist leicht zu begreifen.

Zur Schande der Neuzeit benutzte man noch im Jahre 1798 diese Hunde zu gleichen Zwecken, und zwar waren es nicht die Spanier, sondern – die Engländer, welche die Menschenjagd vermittels der Hunde betrieben. In englischen Naturgeschichten findet man freilich den Bluthund von Cuba kaum erwähnt: das großprahlerische Volk schämt sich, seine eigenen schmachvollen Sünden zu bekennen. Dennoch ist es nur zu wahr, daß auch die Engländer, welche gegenwärtig vorgeben, die Sklaverei zu bekämpfen, ihre eifrigsten Anhänger waren. Die Maronneger auf Jamaica hatten sich empört und waren mit gewöhnlichen Waffen nicht zu besiegen; der Aufstand wurde immer drohender und der Krämergeist zagte: da ließ die englische Regierung aus Cuba Negerjäger mit ihren Hunden kommen. Schon die Ankunft derselben genügte, um die gegenüber jeder anderen Bekämpfung furchtlosen Neger zur Unterwerfung zu veranlassen!

In Cuba gebraucht man die fürchterlichen Thiere heute noch ebensowohl zur Verfolgung entlaufener Neger oder Räuber und Verbrecher wie zur Bewältigung wilder Ochsen und als Hatzhunde bei Stiergefechten. Man wendet auf die Erhaltung der reinen Rasse viel Aufmerksamkeit und bezahlt besonders tüchtige mit außerordentlich hohem Preise. Ihre Farbe ist gelblichbraun, schwärzlich um die Schnauze.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. DCXI611.
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