Tibetdogge (Canis familiaris molossus tibetanus)

Tibetdogge (Canis familiaris molossus tibetanus). 1/12 natürl. Größe.
Tibetdogge (Canis familiaris molossus tibetanus). 1/12 natürl. Größe.

[611] Eine andere den Römern ebenfalls schon bekannte Dogge ist die von Tibet (Canis familiaris molossus tibetanus), ein herrliches, schönes und großes Thier von wahrhaft ehrfurchteinflößendem Aeußeren. Der Leib und alle seine Glieder sind stark und kräftig; der Schwanz, welcher gewöhnlich aufwärts getragen wird, ist buschig; die Ohren hängen herab; die Lefzen schließen vorn den Mund nicht, hängen aber zu beiden Seiten der Schnauze tief herunter. Eine am Außenwinkel des Maules entspringende, bis zur Schnauze reichende Hautfalte, welche mit einer anderen in Verbindung steht, die über die Brauen schief herabhängt, verleihen dem Gesichte ein furchterweckendes Ansehen.

Die Griechen und Römer geben eine genaue Beschreibung von diesem Hunde und sprechen mit Bewunderung von seinen Leistungen gegen Auerochsen, wilde Eber und selbst Löwen. Neuere Nachrichten erhielt man in den letztvergangenen Jahrzehnten, und erst vor kurzem gelangte eine Tibetdogge lebend nach England. Man sieht aus der ganzen Gestalt, daß diese Dogge der Riese unter allen Hunden ist und sich gleichwohl durch ebenso große Schönheit der Gestalt wie der Färbung auszeichnet. Letztere ist zum größten Theile schwarz, die Schnauze und die Brauengegend gelblich, die Behaarung lang und rauh.

In seiner Heimat gilt dieses prächtige Thier für ebenso brauchbar als lenksam; man findet ihn deshalb in allen Gebirgsdörfern Tibets und zwar ebensowohl als Wächter des Hauses wie der Herden. Es geschieht sehr oft, daß ein tibetanisches Dorf ganz allein der Wachsamkeit dieser Hunde überlassen wird, während die sämmtliche männliche Bevölkerung entweder draußen bei den Herden in den Feldern oder auf der Jagd sich befindet. Dann dienen die Hunde zum Schutze der Frauen und Kinder und gewähren beiden eine vollkommene Sicherheit. Neuere Berichterstatter behaupten, [612] daß der Muth des Thieres nicht im Verhältnisse mit seiner Kraft stände, andere sagen, daß er als verständiges Thier bloß wirklich furchtbare Feinde mit voller Kraft anfalle.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. DCXI611-DCXIII613.
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